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Bundessozialgericht Urteil04.06.2014
Wohnungsaufwendungenverordnung des Landes Berlin unwirksamWerte des bundesweiten Heizspiegels nicht zur ausreichenden Begründung einer Gesamtangemessenheitsgrenze geeignet
Das Bundessozialgericht hat die Wohnungsaufwendungenverordnung zur Bestimmung der Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II des Landes Berlin vom 3. April 2012 für unwirksam erklärt. Ein solches Bruttowarmmietenkonzept ist laut Gericht zwar grundsätzlich zulässig, es entbindet jedoch nicht von den auch für Satzungen oder Verordnungen nach §§ 22 a ff SGB II geltenden Ermittlungsanforderungen zur Bestimmung der angemessenen Bedarfe für Unterkunft und Heizung. Diesen Anforderungen wird die Wohnaufwendungenverordnung hinsichtlich des Bedarfs für die Heizung allerdings nicht gerecht.
Die miteinander verheirateten im Land Berlin - dem Antragsgegner - lebenden Antragsteller des zugrunde liegenden Streitfalls beziehen seit dem 2. Mai 2011 Arbeitslosengeld II. Sie bewohnen mit ihrer am 2. August 2012 geborenen Tochter eine ca. 68 qm große Zwei-Zimmer-Wohnung, die über eine mit Erdgas betriebene Etagenheizung verfügt. Die von ihnen zu zahlende Bruttowarmmiete betrug im Jahr 2012 monatlich zunächst 615,08 und ab August 625,08 Euro. Entsprechend dem schon zuvor gezahlten Betrag bewilligte das zuständige Jobcenter den Antragstellern ab 1. Mai 2012 Leistungen für die Unterkunft und Heizung von 542 Euro monatlich (Bescheid vom 5.4.2012, Widerspruchsbescheid vom 30.10.2012). Das dagegen gerichtete Klageverfahren vor dem Sozialgericht Berlin (S 169 AS 30680/12) ist dort noch anhängig. Mit Änderungsbescheid vom 21. Mai 2013 erhöhte das Jobcenter die Leistungen der Antragsteller für Unterkunft und Heizung auf 579 Euro monatlich ab 1. Mai 2012 unter Hinweis auf die Wohnaufwendungenverordnung.
LSG erklärt Wohnaufwendungenverordnung für unwirksam
Aufgrund des schon zuvor von den Antragstellern am 14. Juni 2012 gestellten Normenkontrollantrags auf Überprüfung der Wohnaufwendungenverordnung hat das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg die Wohnaufwendungenverordnung für die Zeit vom 1. Mai 2012 bis zum 31. Juli 2013 für unwirksam erklärt. Zwar sei deren Bruttowarmmietenkonzept grundsätzlich zulässig, für die Bestimmung der Höhe der angemessenen Heizkosten fehle jedoch eine belastbare Datengrundlage. Die Grenzwerte des vom Antragsgegner herangezogenen bundesweiten Heizkostenspiegels seien Ausdruck für ein unwirtschaftliches Heizverhalten, beinhalteten aber keine Werte für die jeweiligen angemessenen Aufwendungen für die Heizung. Ohne zutreffende Bestimmung des angemessenen Heizungsbedarfs sei auch keine zutreffende Bestimmung des Gesamtbedarfs möglich.
Antragsgegner hält Festlegung der Bruttowarmmiete für zulässig
Zur Begründung seiner vom Landessozialgericht zugelassenen Revision führt der Antragsgegner aus, die Festlegung einer Bruttowarmmiete sei nach der gesetzgeberischen Entscheidung in § 22 b Abs. 1 Satz 3 SGB II zulässig und zu deren Festlegung dürften keine unüberwindbaren Hürden aufgestellt werden. Die Wohnaufwendungenverordnung sei auch hinsichtlich der Heizkosten auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 36/08 R) erstellt worden und eine andere Lösung sei nicht ersichtlich.
BSG: LSG erklärt Wohnaufwendungenverordnung zu Recht für unwirksam
Das Bundessozialgericht wies die Revision zurück. Das Landessozialgericht hat die Wohnaufwendungenverordnung des Landes Berlin vom 3. April 2012 (GVBl Berlin 2012, 99 – Wohnaufwendungenverordnung) zu Recht für unwirksam erklärt.
Normenkontrollantrag zulässig
Da die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung der Antragsteller über den ihnen vom Jobcenter aufgrund der Wohnaufwendungenverordnung zugebilligten Leistungen für Unterkunft und Heizung liegen, ist ihr Normenkontrollantrag zulässig. Die Zulässigkeit ihres Normenkontrollantrags führt zu einer objektiv-rechtlichen Überprüfung der Wohnaufwendungenverordnung.
Bruttowarmmietenkonzept entbindet nicht von Ermittlungsanforderungen zur Bestimmung angemessener Bedarfe für Unterkunft und Heizung
Der Kern der Wohnaufwendungenverordnung ist die in ihrem § 4 vorgesehene Gesamtangemessenheitsgrenze für eine Bruttowarmmiete. Ein solches Bruttowarmmietenkonzept ist nach § 22 b Abs. 1 Satz 3 SGB II grundsätzlich zulässig. Es entbindet jedoch nicht von den auch für Satzungen oder Verordnungen nach §§ 22 a ff SGB II geltenden Ermittlungsanforderungen zur Bestimmung der angemessenen Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II, wie der Senat schon in seinem Urteil vom 17. Oktober 2013 (Az. B 14 AS 70/12 R) entschieden hat.
Grenzwert des bundesweiten Heizspiegels nicht zur Bestimmung der angemessenen Heizkosten geeignet
Diesen Anforderungen wird die Wohnaufwendungenverordnung hinsichtlich des Bedarfs für die Heizung nicht gerecht. In der Wohnaufwendungenverordnung wird zur Bestimmung dieses Bedarfs die rechte Spalte "zu hoch" des bundesweiten Heizspiegels zugrunde gelegt, deren Werte Ausdruck für zu hohe Heizkosten sind und die Leistungsberechtigten grundsätzlich begünstigt. Der Senat hat jedoch wiederholt entschieden, dass dieser Grenzwert nicht zur Bestimmung der angemessenen Heizkosten geeignet ist, sondern nur als ein Grenzwert im Einzelfall, der weitere Nachprüfungen erforderlich macht (BSG vom 2.7.2009 - B 14 AS 36/08 R -; BSG vom 12.5.2013 - B 14 AS 60/12 R -).
Beruht jedoch einer von zwei Summanden auf einer unzutreffenden Grundlage, so gilt dies auch für die Summe, hier also die in § 4 Wohnaufwendungenverordnung vorgesehene Gesamtangemessenheitsgrenze.
Wohnaufwendungenverordnung hier insgesamt rechtswidrig und unwirksam
Mit der objektiv-rechtlichen Rechtswidrigkeit dieser Grenze auf der Grundlage des in der Wohnaufwendungenverordnung verfolgten Bruttowarmmietenkonzepts ist die Wohnaufwendungenverordnung insgesamt rechtswidrig und unwirksam. Sie enthält keine hiervon abtrennbaren Teile. Auf Vor- oder Nachteile der Regelung mittels Wohnaufwendungenverordnung zu den Heizkosten bei ihrer Anwendung im Einzelfall kommt es in einem Normenkontrollverfahren nicht an. Die unzutreffende Ermittlung der Bruttowarmmiete nach § 4 Wohnaufwendungenverordnung wirkt sich auch auf die in § 6 Wohnaufwendungenverordnung vorgesehene Bestimmung der individuell angemessenen Bedarfe aus, weil diese Sonderregelung an die - unzutreffend bestimmte - Bruttowarmmiete anknüpft. Dass die in § 6 Wohnaufwendungenverordnung vorgesehene, einheitliche prozentuale Erhöhung auch im Übrigen mit den gesetzlichen Vorgaben nicht zu vereinbaren ist, hat der Senat in dem schon angeführten Urteil vom 17. Oktober 2013 ausgeführt.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 10.06.2014
Quelle: Bundessozialgericht/ra-online
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