03.12.2024
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Dokument-Nr. 9338

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Urteil18.02.2010BundessozialgerichtB 14 AS 53/08 R
Vorinstanz:
  • Sozialgericht Düsseldorf, Urteil14.04.2008, S 43 AS 282/07
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Bundessozialgericht Urteil18.02.2010

BSG: Hartz IV-Kürzungen setzen deutliche Sankti­o­ns­be­leh­rungen vorausGrobe Wiedergabe des Gesetzestextes als Rechts­fol­ge­be­lehrung nicht ausreichend

Eine Kürzung von Hartz IV-Leistungen wegen einer Pflicht­ver­letzung darf nur dann erfolgen, wenn der Empfänger der Sozia­l­leis­tungen zuvor über die Rechtsfolgen konkret, verständlich, richtig und vollständig belehrt wurde. Dies entschied das Bundes­so­zi­al­gericht.

Im zugrunde liegenden Fall stritten die Beteiligten über die Rechtmäßigkeit eines Absen­kungs­be­scheides. Die 1986 geborene Klägerin stand seit Juni 2005 im laufenden Bezug von Arbeits­lo­sengeld II (Alg II). Im Oktober 2006 schloss sie mit der beklagten ARGE eine schriftliche Eingliederungsvereinbarung, die bis April 2007 gelten sollte. Inhalt der Vereinbarung war u.a. das Angebot einer Arbeits­ge­le­genheit mit Mehrauf­wand­s­ent­schä­digung im Rahmen des Projekts "Job for Junior" der Diakonie in der Zeit vom 1. Oktober 2006 bis 31.Januar 2007. Die Vereinbarung enthielt eine Rechts­fol­gen­be­lehrung, in der unter Umschreibung der Gesetzestexte auf Grund- und Meldepflichten des Arbeitslosen hingewiesen wurde sowie auf die Absenkung der Regelleistung bei einer Verletzung der "Grundpflichten".

ARGE kürzt Grund­si­che­rungs­leis­tungen wegen unent­schul­digten Fernbleibens der Klägerin von der Arbeits­ge­le­genheit

Die Klägerin nahm die ihr angebotene Arbeits­ge­le­genheit im Rahmen des Projekts "Job for Junior" bei der Diakonie Ratingen zunächst auf, kündigte aber mit Schreiben vom 20. Dezember 2006 an die Beklagte an, bis zur Klärung ihrer Urlaubs­ansprüche nicht mehr zur Arbeit zu erscheinen. Daraufhin teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 4. Januar 2007 mit, dass sie aufgrund der Einglie­de­rungs­ver­ein­barung verpflichtet sei, die ihr zugewiesene Arbeits­ge­le­genheit auszuführen, dass eine Niederlegung der Arbeits­ge­le­genheit als unent­schul­digtes Fehlen gewertet werden müsse und zur Kürzung ihres Leistungs­an­spruchs führen werde. Nachdem die Klägerin im Januar 2007 unentschuldigt gefehlt hatte, beschränkte die Beklagte für die Zeit vom 1. März bis 31. Mai 2007 die Grund­si­che­rungs­leis­tungen der Klägerin.

SG gibt Klage wegen mangelnder Rechtsbelehrung statt

Das Sozialgericht Düsseldorf hat der hiergegen gerichteten Klage stattgegeben, weil die Klägerin nicht hinreichend über die Rechtsfolgen informiert worden sei, die aus der Weigerung folgten, in der Einglie­de­rungs­ver­ein­barung festgelegte Verpflichtungen zu erfüllen.

Herabsetzung der Grund­si­che­rungs­leis­tungen stellt schwerwiegenden Eingriff dar und bedarf konkreter vorausgehender Belehrungen

Die gegen die Entscheidung des Sozialgerichts gerichtete Revision der ARGE wurde vom Bundes­so­zi­al­gericht zurückgewiesen.

Der Absen­kungs­be­scheid, mit dem die Beklagte die der Klägerin gewährten Grund­si­che­rungs­leis­tungen für die Zeit vom 1.März bis 31. Mai 2007 herabgesetzt hatte, ist rechtswidrig, weil die Beklagte die Klägerin nur unzulänglich über die Rechtsfolgen belehrt hat, die sich aus der Weigerung ergeben würden, die zusätzliche Arbeits­ge­le­genheit im Projekt "Job for Junior" weiter auszuführen. Zwar hat die Klägerin damit ihre in der Einglie­de­rungs­ver­ein­barung übernommene Verpflichtung verletzt. Die Sankti­o­ns­tat­be­stände des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst b und c SGB II setzen jedoch voraus, dass der Hilfebedürftige über die Rechtsfolgen einer Pflicht­ver­letzung belehrt worden ist. Die Belehrung über die Rechtsfolgen muss konkret, verständlich, richtig und vollständig sein. Erforderlich ist insbesondere eine Umsetzung der in Betracht kommenden Verhal­tens­an­wei­sungen und möglicher Maßnahmen auf die Verhältnisse des konkreten Einzelfalls. Diese strengen Anforderungen an den Inhalt der Rechts­fol­gen­be­lehrung sind vor allem deshalb geboten, weil es sich bei der Herabsetzung der Grund­si­che­rungs­leis­tungen, wie aus der Entscheidung des BVerfG vom 9. Ferbaur 2010 hervorgeht, um einen schwerwiegenden Eingriff handelt.

Absen­kungs­be­scheid wird wegen unzulänglicher Rechts­fol­gen­be­lehrung aufgehoben

Die der Klägerin bei Abschluss der Einglie­de­rungs­ver­ein­barung erteilte Rechts­fol­gen­be­lehrung genügt den genannten Anforderungen nicht. Die Klägerin wurde nicht konkret über die Rechtsfolgen einer Pflicht­ver­letzung belehrt; die Belehrung bestand vielmehr im Wesentlichen aus einer Wiedergabe des Gesetzestextes. Sie führte eine Vielzahl von Sankti­o­ns­tat­be­ständen und möglichen Rechtsfolgen auf, ohne die konkret in Betracht kommenden deutlich zu machen. Auch im Schreiben vom 4. Januar 2007, das die Klägerin erhielt, nachdem sie angekündigt hatte, die Maßnahme nicht fortsetzen zu wollen, findet sich keine Belehrung, die den genannten Anforderungen genügt. Da der Absen­kungs­be­scheid schon wegen der unzulänglichen Rechts­fol­gen­be­lehrung aufzuheben war, war nicht darüber zu entscheiden, ob die im Bescheid angeordnete völlige Streichung der Regelleistung für einen Zeitraum von drei Monaten zulässig war.

Quelle: ra-online, BSG

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