22.11.2024
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Dokument-Nr. 6991

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Bundessozialgericht Urteil13.11.2008

Kinder von Hartz IV Empfängern erhalten die vollen Kosten für mehrtägige KlassenfahrtenBegrenzung der Koste­n­er­stattung nicht rechtmäßig

Das SGB II erlaubt es in § 23 Abs. 3 Nr. 3 SGB II dem Grund­si­che­rungs­träger nicht, für die Kosten der Klassenfahrten einen Höchstbetrag (etwa 400 Euro für Auslandsfahrten etc) festzusetzen. Wortlaut, systematische Stellung der Norm und Gesetz­ge­bungs­ge­schichte lassen keinen anderen Schluss zu, als dass im Rahmen des SGB II die Kosten für Klassenfahrten in voller Höhe zu übernehmen sind. Dies hat das Bundes­so­zi­al­gericht entschieden.

Die beiden Kläger besuchen eine Waldorfschule in Berlin. Die Familie (Bedarfs­ge­mein­schaft) steht im Bezug von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II, weil das Erwer­b­s­ein­kommen des Vaters nicht ausreicht, den Bedarf zu decken. Der Kläger zu 1) beantragte die Übernahme der Kosten für eine Kunst­stu­di­enfahrt seiner Klasse nach Florenz in Höhe von 719 Euro, der Kläger zu 2) die Kosten für eine Klassenfahrt nach Rüdnitz/Brandenburg in Höhe von 285 Euro. Der Beklagte lehnte dies zunächst ab, weil die Kostenübernahme für Schülerfahrten nach einem Rundschreiben der Senats­ver­waltung auf 400 Euro für Auslandsfahrten und 180 Euro für Fahrten nach Brandenburg begrenzt seien.

Antrag wurde insgesamt abgelehnt

Könnten die Eltern den Differenzbetrag zu den Gesamtkosten nicht aufbringen, so sei der Antrag insgesamt abzulehnen. Die Kläger beantragten sodann die Verurteilung des Beklagten zur vollen Kostenübernahme im vorläufigen Rechtsschutz vor dem Sozialgericht. Der Beklagte bewilligte daraufhin die beantragten Kosten in voller Höhe, allerdings als Darlehen. Mit ihrer Klage verfolgten die Kläger das Ziel, den Betrag in voller Höhe als Zuschuss zu erhalten und hatten vor dem Sozialgericht Erfolg. Das Sozialgericht hat entschieden, dass aus § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II abgeleitet werden könne, dass der Gesetzgeber eine Pauschalierung der Kosten für mehrtägige Klassenfahrten nicht beabsichtigt habe. Die Leistungs­pflicht der Grund­si­che­rungs­träger solle vielmehr in Höhe der tatsächlich anfallenden Kosten für die Klassenfahrt bestehen.

BSG: Kosten für Klassenfahrten sind in voller Höhe zu übernehmen

Das Bundes­so­zi­al­gericht hat entschieden, dass den Klägern die geltend gemachten Kosten für die Klassenfahrten in voller Höhe als Zuschuss zustanden. Es handelte sich hier jeweils um mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schul­recht­lichen Bestimmungen. Hinsichtlich der landes­recht­lichen Bestimmungen des Berliner Schulrechts ist das Bundes­so­zi­al­gericht an die Auslegung des Landesrechts durch die Tatsa­chen­in­stanzen gebunden. Die Beteiligten haben im Übrigen nie in Zweifel gezogen, dass die beiden Klassenfahrten den schul­recht­lichen Bestimmungen des Landes Berlin entsprachen. Das SGB II erlaubt es in § 23 Abs. 3 Nr. 3 SGB II dem Grund­si­che­rungs­träger nicht, für die Kosten der Klassenfahrten einen Höchstbetrag (etwa 400 Euro für Auslandsfahrten etc) festzusetzen. Wortlaut, systematische Stellung der Norm und Gesetz­ge­bungs­ge­schichte lassen keinen anderen Schluss zu, als dass im Rahmen des SGB II die Kosten für Klassenfahrten in voller Höhe zu übernehmen sind. § 23 Abs. 3 Nr. 3 SGB II enthält anders als das SGB II an zahlreichen anderen Stellen keine Einschränkung der Höhe der Kostenübernahme durch das Kriterium der Angemessenheit. § 23 Abs. 3 Sätze 4 und 5 SGB II erlauben ausdrücklich eine Pauschalierung der Kosten nur für die dort ausdrücklich genannten Bedarfe (Erstausstattung von Wohnungen etc). Für § 23 Abs. 3 Nr. 3 SGB II (Kosten für Klassenfahrten) ist hingegen keine Pauscha­lie­rungs­mög­lichkeit vorgesehen. Schließlich hat der Gesetzgeber der entsprechenden Vorschrift des § 31 SGB XII im Sozia­l­hil­ferecht deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die Klassenfahrten zur Vermeidung sozialer Ausgrenzung in voller Höhe zu tragen sind. Im Verhältnis zu anderen Leistungen des SGB II hat der Gesetzgeber mithin eine gewisse Privilegierung des sozialen Sachverhalts Klassenfahrt vorgenommen. Eine Korrektur ist jedoch nur dem Gesetzgeber selbst auch im Rahmen der schul­recht­lichen Bestimmungen möglich.

Auszug aus dem Gesetz:

§ 23 Abs. 3 SGB II

(3) Leistungen für

1. Erstausstat­tungen für die Wohnung einschließlich Haushalts­geräten,

2. Erstausstat­tungen für Bekleidung und Erstausstat­tungen bei Schwangerschaft und Geburt sowie

3. mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schul­recht­lichen Bestimmungen

sind nicht von der Regelleistung umfasst. Sie werden gesondert erbracht. Die Leistungen nach Satz 1 werden auch erbracht, wenn Hilfebedürftige keine Leistungen zur Sicherung des Lebens­un­terhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung benötigen, den Bedarf nach Satz 1 jedoch aus eigenen Kräften und Mitteln nicht voll decken können. In diesem Falle kann das Einkommen berücksichtigt werden, das Hilfebedürftige innerhalb eines Zeitraumes von bis zu sechs Monaten nach Ablauf des Monats erwerben, in dem über die Leistung entschieden worden ist. Die Leistungen nach Satz 1 Nr. 1 und 2 können als Sachleistung oder Geldleistung, auch in Form von Pauschal­be­trägen, erbracht werden. Bei der Bemessung der Pauschalbeträge sind geeignete Angaben über die erforderlichen Aufwendungen und nachvoll­ziehbare Erfahrungswerte zu berücksichtigen.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 53/08 des BSG vom 13.11.2008

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