15.11.2024
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Dokument-Nr. 19001

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Urteil15.10.2014BundessozialgerichtB 12 KR 17/12 R
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • jM 2015, 288 (Steffen Luik)juris - Die Monatszeitschrift (jM), Jahrgang: 2015, Seite: 288, Entscheidungsbesprechung von Steffen Luik
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Bundessozialgericht Urteil15.10.2014

Kostengünstiger Kranken­versicherungs­schutz als Student endet spätestens mit 37 JahrenVerlängerung des Kranken­versicherungs­schutzes als Student gilt für maximal 14 Fachsemester

Die Versicherungs­pflicht als Student in der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung endet auch im Fall des nahtlosen Vorliegens von sogenannten Hinde­rungs­gründen (z.B. Erkrankung, Behinderung), spätestens mit dem 37. Lebensjahr. Dies entschied das Bundes­so­zi­al­gericht.

Der 1963 geborene Kläger, der seit 1996 fachthe­ra­peutisch behandelt wird (Diagnosen 2006: Asperger Syndrom; Aufmerk­sam­keits­defizit-/Hyper­ak­ti­vi­täts­s­törung), begann 1983 ein Hochschul­studium, das er auf ärztlichen Rat hin im Alter von 34 Jahren abbrach und sich dann - fachwechselnd - einem Jurastudium zuwandte. Nachdem die beklagte Krankenkasse den Kläger aufgrund seiner Erkrankung durchgehend als versi­che­rungs­pflichtig in der Krankenversicherung der Studenten geführt hatte, stellte sie im Juni 2009 durch Bescheid das Ende dieser Versi­che­rungs­pflicht zum 30. September 2009 fest.

SG: Kläger kann trotz Erkrankungen bzw. Behinderungen nur bis zur Vollendung des 41. Lebensjahres als Student versi­che­rungs­pflichtig sein

Das Sozialgericht Mannheim hat die dagegen nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage abgewiesen: Ein Fortbestand der Kranken­ver­si­cherung der Studenten über die gesetzliche Höchstgrenze von 14 Fachsemestern bzw. das vollendete 30. Lebensjahr hinaus erfordere für den nicht zeitgerechten Studi­e­n­ab­schluss ursächliche Hinde­rungs­gründe; träten Hinde­rungs­gründe zeitlich erst nach dieser Höchstgrenze auf, sei die notwendige Ursächlichkeit denknotwendig ausgeschlossen. Deshalb könne der Kläger trotz seiner Erkrankungen bzw. Behinderungen allenfalls bis zur Vollendung seines 41. Lebensjahres als Student versi­che­rungs­pflichtig sein. Als Hinderungszeit komme nämlich maximal ein Zwölf-Jahres-Zeitraum in Betracht (entsprechend der typischen Zeit zwischen Abitur und dem vollendetem 30. Lebensjahr). Dieses Ergebnis verstoße angesichts der Regelungen des SGB V über die Kranken­ver­si­cherung der Studenten die auch Härten in den Blick nähmen, weder gegen das behinderte Menschen schützende Diskri­mi­nie­rungs­verbot des Art. 3 Abs. 3 S 2 GG noch gegen die UN-Behin­der­ten­rechts­kon­vention (UN-BRK).

Das Landes­so­zi­al­gericht Baden-Württemberg hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und ergänzend u.a. ausgeführt, dass § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V eine immanente Grenze für die Verlängerung der Höchstdauer der Versi­che­rungs­pflicht in der Kranken­ver­si­cherung der Studenten enthalte. Die vom Sozialgericht hervorgehobenen Grundsätze folgten bereits aus der Rechtsprechung des Bundes­so­zi­al­ge­richts (SozR 3-2500 § 5 Nr. 8).

BSG: Versi­che­rungs­pflicht verlängert sich nicht zeitlich unbegrenzt

Das Bundes­so­zi­al­gericht entschied nun, dass die Kranken­ver­si­che­rungs­pflicht als Student über den Zeitpunkt der Vollendung des 30. Lebensjahres hinaus nur in Frage kommt, wenn Hinde­rungs­gründe für die Überschreitung dieser Altersgrenze ursächlich waren (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V). Liegen solche Gründe vor und bestehen sie über den Zeitpunkt der Vollendung des 30. Lebensjahres hinaus nahtlos fort, verlängern sie gleichwohl die Versi­che­rungs­pflicht nicht zeitlich unbegrenzt. Vielmehr hat sich das Fortdauern des kostengünstigen Versi­che­rungs­schutzes als Student an dem maximalen Zeitrahmen zu orientieren, den das Gesetz auch vor Vollendung des 30. Lebensjahres für das nicht verzögerte Erreichen eines Studi­e­n­ab­schlusses akzeptiert. Das sind 14 Fachsemester, mithin sieben Jahre. Die Höchstdauer der Versi­che­rungs­pflicht als Student reicht daher längstens bis zur Vollendung des 37. Lebensjahres. Im konkreten Fall hatte der Kläger am 30. September 2009 (= von der Beklagten in ihrem Bescheid festgelegtes Ende der Versi­che­rungs­pflicht) das 37. Lebensjahr längst überschritten.

Annahme eines zulässigen Verlän­ge­rungs­zeitraums von elf bis zwölf Jahren nicht korrekt

Das Bundes­so­zi­al­gericht ist damit nicht den Vorinstanzen und der Beklagten gefolgt, die als maximalen Verlän­ge­rungs­zeitraum eine Zeitspanne von elf bis zwölf Jahren angenommen hatten (= typischer Zeitraum zwischen dem Erwerb der Hochschulreife und der gesetzlichen Altersgrenze des 30. Lebensjahres).

Verstoß gegen das Verbot der Diskriminierung behinderter Menschen ist nicht ersichtlich

Die vom Kläger gerügte Verletzung des behinderte Menschen schützenden Diskri­mi­nie­rungs­verbots (Artikel 3 Abs. 3 S 2 Grundgesetz), anderer Regelungen höherrangigen Rechts und der UN-Behin­der­ten­rechts­kon­vention liegt nicht vor. Ein Verstoß gegen das Verbot der Diskriminierung behinderter Menschen ist nicht ersichtlich. Zu ihren Gunsten bestehen keine Ansprüche auf eine bestimmte Art der Durchführung der Gesund­heits­ver­sorgung, insbesondere nicht darauf, die kostengünstig ausgestaltete Versi­che­rungs­pflicht als Student zeitlich unbegrenzt zur Verfügung gestellt zu erhalten.

Hinweise zur Rechtslage

Erläuterungen

Krankenversicherung

Krankenversicherung - (Gesetz vom 20.12.1988, BGBl I 2477)'>

§ 5 Versi­che­rungs­pflicht

(1) Versi­che­rungs­pflichtig sind

[...]

9. Studenten, die an staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschulen eingeschrieben sind, [...] bis zum Abschluss des vierzehnten Fachsemesters, längstens bis zur Vollendung des dreißigsten Lebensjahres; Studenten nach Abschluss des vierzehnten Fachsemesters oder nach Vollendung des dreißigsten Lebensjahres sind nur versi­che­rungs­pflichtig, wenn die Art der Ausbildung oder familiäre sowie persönliche Gründe, insbesondere der Erwerb der Zugangs­vor­aus­set­zungen in einer Ausbil­dungs­stätte des Zweiten Bildungswegs, die Überschreitung der Altersgrenze oder eine längere Fachstudienzeit rechtfertigen

[...]

Artikel 3 Abs. 3 S 2 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (in der Fassung vom 27.10.1994)

(3) [...] Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Artikel 25 Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen - UN-Behin­der­ten­rechts­kon­vention (vom 13.12.2006, BGBl 2008 II, 1419)

Gesundheit

Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen mit Behinderungen auf das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit ohne Diskriminierung aufgrund von Behinderung. Die Vertragsstaaten treffen alle geeigneten Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen Zugang zu geschlechts­s­pe­zi­fischen Gesund­heits­diensten, einschließlich gesund­heit­licher Rehabilitation, haben. Insbesondere

a) stellen die Vertrags­parteien Menschen mit Behinderungen eine unentgeltliche oder erschwingliche Gesund­heits­ver­sorgung in derselben Bandbreite, von derselben Qualität und auf demselben Standard zur Verfügung wie anderen Menschen, einschließlich sexual- und fortpflan­zungs­me­di­zi­nischer Gesund­heits­leis­tungen und der Gesamt­be­völ­kerung zur Verfügung stehender Programme des öffentlichen Gesund­heits­wesens;

b) bieten die Vertragsstaaten die Gesund­heits­leis­tungen an, die von Menschen mit Behinderungen speziell wegen ihrer Behinderungen benötigt werden, soweit angebracht, einschließlich Früherkennung und Frühin­ter­vention, sowie Leistungen, durch die, auch bei Kindern und älteren Menschen, weitere Behinderungen möglichst gering gehalten oder vermieden werden sollen; [...]

e) verbieten die Vertragsstaaten die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen in der Kranken­ver­si­cherung und in der Lebens­ver­si­cherung, soweit eine solche Versicherung nach inner­staat­lichem Recht zulässig ist; solche Versicherungen sind zu fairen und angemessenen Bedingungen anzubieten;

f) verhindern die Vertragsstaaten die diskri­mi­nierende Vorenthaltung von Gesund­heits­ver­sorgung oder -leistungen oder von Nahrungsmitteln und Flüssigkeiten aufgrund von Behinderung.

Quelle: Bundessozialgericht/ra-online

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