Die 1988 geborene Klägerin des zugrunde liegenden Streitfalls leistete nach ihrer Schulausbildung vom 27. August 2007 bis 26. August 2008 ein freiwilliges soziales Jahr ab. Träger war das Deutsche Rote Kreuz des Saarlandes, Einsatzstelle war das Centre Hospitalier "Lemire" in St-Avold, Frankreich. Die Klägerin war verpflichtet, die Weisungen der Einsatzstelle zu befolgen und die ihr übertragenen Aufgaben zu erfüllen. Der Träger war verpflichtet, der Klägerin u.a. ein Taschengeld von 150 Euro/Monat, einen Verpflegungs- und Fahrtkostenzuschuss von 55 Euro/Monat zu zahlen, ihr eine Unterkunft zu stellen und die Beiträge zur Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung zu entrichten. Im Anschluss an das freiwillige soziale Jahr meldete sich die Klägerin am 8. September 2008 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Nach der Arbeitsbescheinigung des Trägers hatte sie ein beitragspflichtiges Bruttoarbeitsentgelt von 2.460 Euro bezogen. Am 1. Oktober 2008 nahm sie ein Studium auf. Die Beklagte gewährte ihr ab 8. September 2008 Arbeitslosengeld in Höhe von 3,19 Euro/Tag (Bemessungsentgelt: 6,72 Euro; allgemeiner Leistungssatz, Lohnsteuerklasse 1). Der Widerspruch der Klägerin, gerichtet auf höheres, fiktiv nach Qualifikationsgruppe 4 bemessenes Arbeitslosengeld, blieb ohne Erfolg.
Das Sozialgericht Magdeburg änderte die Bescheide ab und verurteilte die Beklagte, der Klägerin für den streitigen Zeitraum Arbeitslosengeld in Höhe von 7,51 Euro/Tag unter Anrechnung bereits erbrachter Leistungen zu zahlen; im Übrigen wies das Gericht die Klage ab. Die Beklagte habe zu Unrecht die der Klägerin gewährten Sachbezüge nicht als Arbeitsentgelt berücksichtigt. Das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt wies die Berufung der Klägerin zurück.
Mit der vom Landessozialgericht zugelassenen Revision rügte die Klägerin eine Verletzung von § 132 Abs. 1 S. 1 SGB III. Bei Ableistung des freiwilligen sozialen Jahres handle es sich zwar um eine versicherungspflichtige Beschäftigung, sie habe in der fraglichen Zeit aber kein Arbeitsentgelt i.S.d. § 131 Abs. 1 S. 1 SGB III a.F. bezogen, sodass eine fiktive Bemessung geboten sei.
Die Revision der Klägerin war unbegründet. Das Landessozialgericht hat zutreffend das Urteil des Sozialgerichts bestätigt und die Berufung der Klägerin zurückgewiesen, denn die Klägerin hat für die Zeit vom 8. bis 30. September 2008 keinen höheren Anspruch auf Arbeitslosengeld.
Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Insbesondere erfüllt sie die Anwartschaftszeit, denn sie stand während ihrer Tätigkeit im "freiwilligen sozialen Jahr" in einem Versicherungspflichtverhältnis. Der Gesetzgeber hat keinen Zweifel daran gelassen, dass er eine Tätigkeit nach Maßgabe des Gesetzes über ein freiwilliges soziales Jahr vom Schutzbereich der Arbeitslosenversicherung umfasst sehen will. Er hat die Tätigkeit einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gleichgestellt. Aus den Regelungen über Entsendung und des europäischen Koordinierungsrechts ergibt sich nichts anderes. Auf die versicherungspflichtige Beschäftigung der Klägerin findet deutsches Arbeitslosenversicherungsrecht Anwendung, weil sie nach § 4 Abs. 1 SGB IV zeitlich begrenzt ins Ausland entsandt war. Der Anwendbarkeit deutschen Sozialrechts stehen auch keine Bestimmungen des Unionsrechts entgegen.
Zutreffend hat das Landessozialgericht auch entschieden, dass die Klägerin für die Zeit vom 8. bis zum 30. September 2008 Anspruch auf Arbeitslosengeld in Höhe von 7,51 Euro/Tag hat. Das Ziel der Klägerin, der Bemessung des Arbeitslosengeldes ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen, findet im Gesetz keine Grundlage. Denn im Bemessungszeitraum hat sie beitragspflichtiges Arbeitsentgelt in Form von Taschengeld in Höhe von 2.460 Euro sowie Sachleistungen erhalten. Der Wert des Mittagessens ist mit monatlich 80 Euro zu berücksichtigen. Der Wert der gestellten Unterkunft ist mit monatlich 198 Euro anzusetzen. Die Regelung über die fiktive Bemessung setzt voraus, dass kein Arbeitsentgelt erzielt wurde - dies war hier nicht der Fall.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 13.03.2017
Quelle: Bundessozialgericht/ra-online