03.12.2024
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Dokument-Nr. 23974

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Bundessozialgericht Urteil23.02.2017

BSG zum Anspruch auf Arbeits­lo­sengeld nach freiwilligem sozialem JahrHöhe der Leistungen wird nach erhaltenen Sach- und Geldleistungen und nicht nach fiktiver Qualifikation berechnet

Das Bundes­so­zi­al­gericht hat entschieden, dass derjenige, der nach Ableistung eines freiwilligen sozialen Jahres zunächst arbeitslos ist, Anspruch auf Arbeits­lo­sengeld hat. Die Höhe des Arbeits­lo­sen­geldes richtet sich dabei jedoch nur nach den während dieser Zeit erhaltenen Sach- und Geldleistungen und nicht einer fiktiven Qualifikation.

Die 1988 geborene Klägerin des zugrunde liegenden Streitfalls leistete nach ihrer Schulausbildung vom 27. August 2007 bis 26. August 2008 ein freiwilliges soziales Jahr ab. Träger war das Deutsche Rote Kreuz des Saarlandes, Einsatzstelle war das Centre Hospitalier "Lemire" in St-Avold, Frankreich. Die Klägerin war verpflichtet, die Weisungen der Einsatzstelle zu befolgen und die ihr übertragenen Aufgaben zu erfüllen. Der Träger war verpflichtet, der Klägerin u.a. ein Taschengeld von 150 Euro/Monat, einen Verpflegungs- und Fahrt­kos­ten­zu­schuss von 55 Euro/Monat zu zahlen, ihr eine Unterkunft zu stellen und die Beiträge zur Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeits­lo­sen­ver­si­cherung zu entrichten. Im Anschluss an das freiwillige soziale Jahr meldete sich die Klägerin am 8. September 2008 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Nach der Arbeits­be­schei­nigung des Trägers hatte sie ein beitrags­pflichtiges Brutto­a­r­beits­entgelt von 2.460 Euro bezogen. Am 1. Oktober 2008 nahm sie ein Studium auf. Die Beklagte gewährte ihr ab 8. September 2008 Arbeits­lo­sengeld in Höhe von 3,19 Euro/Tag (Bemes­sungs­entgelt: 6,72 Euro; allgemeiner Leistungssatz, Lohnsteu­er­klasse 1). Der Widerspruch der Klägerin, gerichtet auf höheres, fiktiv nach Quali­fi­ka­ti­o­ns­gruppe 4 bemessenes Arbeits­lo­sengeld, blieb ohne Erfolg.

SG bejaht Arbeits­lo­sengeld in Höhe von 7,51 Euro/Tag

Das Sozialgericht Magdeburg änderte die Bescheide ab und verurteilte die Beklagte, der Klägerin für den streitigen Zeitraum Arbeits­lo­sengeld in Höhe von 7,51 Euro/Tag unter Anrechnung bereits erbrachter Leistungen zu zahlen; im Übrigen wies das Gericht die Klage ab. Die Beklagte habe zu Unrecht die der Klägerin gewährten Sachbezüge nicht als Arbeitsentgelt berücksichtigt. Das Landes­so­zi­al­gericht Sachsen-Anhalt wies die Berufung der Klägerin zurück.

Mit der vom Landes­so­zi­al­gericht zugelassenen Revision rügte die Klägerin eine Verletzung von § 132 Abs. 1 S. 1 SGB III. Bei Ableistung des freiwilligen sozialen Jahres handle es sich zwar um eine versi­che­rungs­pflichtige Beschäftigung, sie habe in der fraglichen Zeit aber kein Arbeitsentgelt i.S.d. § 131 Abs. 1 S. 1 SGB III a.F. bezogen, sodass eine fiktive Bemessung geboten sei.

BSG bejaht grundsätzlichen Anspruch auf Arbeits­lo­sengeld

Die Revision der Klägerin war unbegründet. Das Landes­so­zi­al­gericht hat zutreffend das Urteil des Sozialgerichts bestätigt und die Berufung der Klägerin zurückgewiesen, denn die Klägerin hat für die Zeit vom 8. bis 30. September 2008 keinen höheren Anspruch auf Arbeits­lo­sengeld.

Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeits­lo­sengeld. Insbesondere erfüllt sie die Anwart­schaftszeit, denn sie stand während ihrer Tätigkeit im "freiwilligen sozialen Jahr" in einem Versi­che­rungs­pflicht­ver­hältnis. Der Gesetzgeber hat keinen Zweifel daran gelassen, dass er eine Tätigkeit nach Maßgabe des Gesetzes über ein freiwilliges soziales Jahr vom Schutzbereich der Arbeits­lo­sen­ver­si­cherung umfasst sehen will. Er hat die Tätigkeit einer versi­che­rungs­pflichtigen Beschäftigung gleichgestellt. Aus den Regelungen über Entsendung und des europäischen Koordi­nie­rungs­rechts ergibt sich nichts anderes. Auf die versi­che­rungs­pflichtige Beschäftigung der Klägerin findet deutsches Arbeits­lo­sen­ver­si­che­rungsrecht Anwendung, weil sie nach § 4 Abs. 1 SGB IV zeitlich begrenzt ins Ausland entsandt war. Der Anwendbarkeit deutschen Sozialrechts stehen auch keine Bestimmungen des Unionsrechts entgegen.

Zugrundelegung eines fiktiven Arbeitsentgelts findet im Gesetz keine Grundlage

Zutreffend hat das Landes­so­zi­al­gericht auch entschieden, dass die Klägerin für die Zeit vom 8. bis zum 30. September 2008 Anspruch auf Arbeits­lo­sengeld in Höhe von 7,51 Euro/Tag hat. Das Ziel der Klägerin, der Bemessung des Arbeits­lo­sen­geldes ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen, findet im Gesetz keine Grundlage. Denn im Bemes­sungs­zeitraum hat sie beitrags­pflichtiges Arbeitsentgelt in Form von Taschengeld in Höhe von 2.460 Euro sowie Sachleistungen erhalten. Der Wert des Mittagessens ist mit monatlich 80 Euro zu berücksichtigen. Der Wert der gestellten Unterkunft ist mit monatlich 198 Euro anzusetzen. Die Regelung über die fiktive Bemessung setzt voraus, dass kein Arbeitsentgelt erzielt wurde - dies war hier nicht der Fall.

Quelle: Bundessozialgericht/ra-online

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