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Bundessozialgericht Entscheidung03.12.2009
BSG stellt beim Bundesverfassungsgericht Anfrage zur Verfassungswidrigkeit der Voraussetzungen für Bundeserziehungsgeld an Ausländer mit bestimmten AufenthaltserlaubnissenAntwort des BVerfG auch für das ab Januar 2007 geltende Bundeselterngeldgesetz von Bedeutung
Das Bundessozialgericht hält die Voraussetzungen unter denen Ausländer mit bestimmten Aufenthaltserlaubnissen Bundeserziehungsgeld zusteht für verfassungswidrig. Daher legte das Gericht nun dem Bundesverfassungsgericht die Frage nach der Vereinbarkeit des § 1 Abs. 6 Nr. 2 Buchstabe c in Verbindung mit Nr. 3 Buchstabe b Bundeserziehungsgeldgesetz mit dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz vor.
Das Bundessozialgericht hält § 1 Abs. 6 Nr. 2 Buchstabe c in Verbindung mit Nr. 3 Buchstabe b Bundeserziehungsgeldgesetz in der Fassung vom 13. Dezember 2006 für verfassungswidrig. Er holt deshalb eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu der Frage ein, ob es mit dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz vereinbar ist, dass Ausländern, denen eine Aufenthaltserlaubnis wegen eines Krieges in ihrem Heimatland (§ 23 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz), wegen eines Härtefalls (§ 23 a Aufenthaltsgesetz), zur Gewährung vorübergehenden Schutzes (§ 24 Aufenthaltsgesetz) oder aus humanitären Gründen (§ 25 Abs. 3 bis 5 Aufenthaltsgesetz) erteilt worden ist, ein Anspruch auf Bundeserziehungsgeld nur dann zusteht, wenn sie in Deutschland berechtigt erwerbstätig sind, laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch beziehen oder Elternzeit in Anspruch nehmen. Der Leistungsausschluss von Ausländern, die nur eine Duldung im Sinne von § 60 a Aufenthaltsgesetz besitzen, ist allerdings nach Auffassung des Bundessozialgerichts im Rahmen des Bundeserziehungsgeldgesetzes verfassungsgemäß.
Auf die Anwendung der dem Bundesverfassungsgericht vorgelegten Vorschrift, die bis zum 31. Dezember 2008 gegolten hat, kommt es in drei Revisionsverfahren an.
Sachverhalte
Eine Klägerin aus Kamerun reiste 1995 nach Deutschland ein. Ihr Asylantrag war erfolglos. Seit Februar 2005 besitzt sie eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 Aufenthaltsgesetz. Von April bis September 2004 und von Dezember 2004 bis Januar 2005 war sie geringfügig beschäftigt. Sie beansprucht Bundeserziehungsgeld für ihren am 24. Mai 2005 geborenen Sohn. Da der Klägerin im April 2006 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Aufenthaltsgesetz (Familiennachzug zu Deutschen) erteilt und ab 1. April 2006 Bundeserziehungsgeld bewilligt worden ist, streiten die Beteiligten nur noch über Leistungen für die Zeit davor.
Eine weitere Klägerin ist serbisch-montenegrinische oder kosovarische Staatsangehörige. Ihr Asylantrag wurde 1998 abgelehnt und der Aufenthalt danach befristet geduldet. Im Juli 2006 erhielt sie eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 23 a Aufenthaltsgesetz nebst Arbeitserlaubnis. Ihr Antrag auf Bundeserziehungsgeld für ihr am 18. Mai 2006 geborenes Kind ist bislang erfolglos geblieben. Nachdem die Klägerin am 5. März 2007 von Brandenburg nach Berlin umgezogen war, hat sie ihr Klagebegehren auf die Zeit bis zum 4. März 2007 beschränkt.
Der Kläger des dritten Verfahrens ist Kongolese. Er kam 1992 nach Deutschland und beantragte ohne Erfolg Asyl. Im Januar 2005 wurde ihm eine Aufenthaltserlaubnis erteilt, die zunächst auf § 25 Abs. 3 Aufenthaltsgesetz und später auf § 25 Abs. 4 Aufenthaltsgesetz gestützt wurde. Er begehrt Bundeserziehungsgeld für das zweite Lebensjahr seiner am 29. Juni 2004 geborenen Tochter. Im Revisionsverfahren hat er seinen Anspruch auf die Zeit vom 29. September 2005 bis 15. Juni 2006 beschränkt.
BSG von Verfassungswidrigkeit der Vorschrift überzeugt
Das Gericht ist von der Verfassungswidrigkeit der hier einschlägigen Vorschrift des Bundeserziehungsgeldgesetzes überzeugt. Zwar darf der Gesetzgeber die Gewährung von Bundeserziehungsgeld an nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländer davon abhängig machen, dass sich diese voraussichtlich auf Dauer in Deutschland aufhalten. Auch kann eine Integration in den inländischen Arbeitsmarkt eine solche Prognose begründen. Der Gesetzgeber hat jedoch jedenfalls insoweit sachwidrige Kriterien aufgestellt, als er einen aktuellen, eng umschriebenen Arbeitsmarktbezug während der Erziehungszeit fordert und zudem nur auf denjenigen abstellt, der Erziehungsgeld beansprucht, also z.B. nicht eine entsprechende Integration seines Ehegatten ausreichen lässt.
Antwort des BVerfG auch von Bedeutung für Bundeselterngeldgesetz
Die Antwort des Bundesverfassungsgerichts auf die zum Bundeserziehungsgeldgesetz vorgelegte Frage wird auch für das ab 1. Januar 2007 geltende Bundeselterngeldgesetz von Bedeutung sein, das entsprechende Anspruchsvoraussetzungen für Ausländer aufstellt.
Hinweise zur Rechtslage:
§ 1 Bundeserziehungsgeldgesetz in der Fassung vom 13.12.2006
(1) Anspruch auf Erziehungsgeld hat, wer
1. einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat,
2. mit einem Kind, für das ihm die Personensorge zusteht, in einem Haushalt lebt,
3. dieses Kind selbst betreut und erzieht und
4. keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt.
…
(6) Ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer ist nur anspruchsberechtigt, wenn er
1. eine Niederlassungserlaubnis besitzt,
2. eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt oder berechtigt hat, es sei denn, die Aufenthaltserlaubnis wurde
a) nach § 16 oder § 17 des Aufenthaltsgesetzes erteilt,
b) nach § 18 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes erteilt und die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit darf nach der Beschäftigungsverordnung nur für einen bestimmten Höchstzeitraum erteilt werden,
c) nach § 23 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes wegen eines Krieges in seinem Heimatland oder nach den §§ 23a, 24, 25 Abs. 3 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt, oder
3. eine in Nummer 2 Buchstabe c genannte Aufenthaltserlaubnis besitzt und
a) sich seit mindestens drei Jahren rechtmäßig, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhält und
b) im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig ist, laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch bezieht oder Elternzeit in Anspruch nimmt.
§ 24 Abs. 3 Bundeserziehungsgeldgesetz in der Fassung vom 13.12.2006
§ 1 Abs. 6 in der am 19.12.2006 geltenden Fassung ist in Fällen, in denen eine Entscheidung über den Anspruch auf Erziehungsgeld für einen Bezugszeitraum zwischen dem 27.6.1993 und dem 18.12.2006 noch nicht bestandskräftig geworden ist, anzuwenden, wenn dies für die Erziehungsgeld beantragende Person günstiger ist. In diesem Fall werden die Aufenthaltsgenehmigungen nach dem Ausländergesetz den Aufenthaltstiteln nach dem Aufenthaltsgesetz entsprechend den Fortgeltungsregelungen in § 101 des Aufenthaltsgesetzes gleichgestellt.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 07.12.2009
Quelle: ra-online, VerfGH Rheinland-Pfalz
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