21.11.2024
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Bundessozialgericht Entscheidung03.12.2009

BSG stellt beim Bundes­ver­fas­sungs­gericht Anfrage zur Verfas­sungs­wid­rigkeit der Voraussetzungen für Bundes­er­zie­hungsgeld an Ausländer mit bestimmten Aufent­halt­s­er­laub­nissenAntwort des BVerfG auch für das ab Januar 2007 geltende Bundes­el­tern­geld­gesetz von Bedeutung

Das Bundes­so­zi­al­gericht hält die Voraussetzungen unter denen Ausländer mit bestimmten Aufent­halt­s­er­laub­nissen Bundes­er­zie­hungsgeld zusteht für verfas­sungs­widrig. Daher legte das Gericht nun dem Bundes­ver­fas­sungs­gericht die Frage nach der Vereinbarkeit des § 1 Abs. 6 Nr. 2 Buchstabe c in Verbindung mit Nr. 3 Buchstabe b Bundes­er­zie­hungs­geld­gesetz mit dem Gleich­be­hand­lungsgebot des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz vor.

Das Bundes­so­zi­al­gericht hält § 1 Abs. 6 Nr. 2 Buchstabe c in Verbindung mit Nr. 3 Buchstabe b Bundes­er­zie­hungs­geld­gesetz in der Fassung vom 13. Dezember 2006 für verfassungswidrig. Er holt deshalb eine Entscheidung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts zu der Frage ein, ob es mit dem Gleich­be­hand­lungsgebot des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz vereinbar ist, dass Ausländern, denen eine Aufent­halt­s­er­laubnis wegen eines Krieges in ihrem Heimatland (§ 23 Abs. 1 Aufent­halts­gesetz), wegen eines Härtefalls (§ 23 a Aufent­halts­gesetz), zur Gewährung vorübergehenden Schutzes (§ 24 Aufent­halts­gesetz) oder aus humanitären Gründen (§ 25 Abs. 3 bis 5 Aufent­halts­gesetz) erteilt worden ist, ein Anspruch auf Bundes­er­zie­hungsgeld nur dann zusteht, wenn sie in Deutschland berechtigt erwerbstätig sind, laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozial­ge­setzbuch beziehen oder Elternzeit in Anspruch nehmen. Der Leistungs­aus­schluss von Ausländern, die nur eine Duldung im Sinne von § 60 a Aufent­halts­gesetz besitzen, ist allerdings nach Auffassung des Bundes­so­zi­al­ge­richts im Rahmen des Bundes­er­zie­hungs­geld­ge­setzes verfas­sungsgemäß.

Auf die Anwendung der dem Bundes­ver­fas­sungs­gericht vorgelegten Vorschrift, die bis zum 31. Dezember 2008 gegolten hat, kommt es in drei Revisi­ons­ver­fahren an.

Sachverhalte

Eine Klägerin aus Kamerun reiste 1995 nach Deutschland ein. Ihr Asylantrag war erfolglos. Seit Februar 2005 besitzt sie eine Aufent­halt­s­er­laubnis nach § 25 Abs. 3 Aufent­halts­gesetz. Von April bis September 2004 und von Dezember 2004 bis Januar 2005 war sie geringfügig beschäftigt. Sie beansprucht Bundes­er­zie­hungsgeld für ihren am 24. Mai 2005 geborenen Sohn. Da der Klägerin im April 2006 eine Aufent­halt­s­er­laubnis nach § 28 Aufent­halts­gesetz (Familiennachzug zu Deutschen) erteilt und ab 1. April 2006 Bundes­er­zie­hungsgeld bewilligt worden ist, streiten die Beteiligten nur noch über Leistungen für die Zeit davor.

Eine weitere Klägerin ist serbisch-monte­ne­gri­nische oder kosovarische Staats­an­ge­hörige. Ihr Asylantrag wurde 1998 abgelehnt und der Aufenthalt danach befristet geduldet. Im Juli 2006 erhielt sie eine Aufent­halt­s­er­laubnis aus humanitären Gründen nach § 23 a Aufent­halts­gesetz nebst Arbeits­er­laubnis. Ihr Antrag auf Bundes­er­zie­hungsgeld für ihr am 18. Mai 2006 geborenes Kind ist bislang erfolglos geblieben. Nachdem die Klägerin am 5. März 2007 von Brandenburg nach Berlin umgezogen war, hat sie ihr Klagebegehren auf die Zeit bis zum 4. März 2007 beschränkt.

Der Kläger des dritten Verfahrens ist Kongolese. Er kam 1992 nach Deutschland und beantragte ohne Erfolg Asyl. Im Januar 2005 wurde ihm eine Aufent­halt­s­er­laubnis erteilt, die zunächst auf § 25 Abs. 3 Aufent­halts­gesetz und später auf § 25 Abs. 4 Aufent­halts­gesetz gestützt wurde. Er begehrt Bundes­er­zie­hungsgeld für das zweite Lebensjahr seiner am 29. Juni 2004 geborenen Tochter. Im Revisi­ons­ver­fahren hat er seinen Anspruch auf die Zeit vom 29. September 2005 bis 15. Juni 2006 beschränkt.

BSG von Verfas­sungs­wid­rigkeit der Vorschrift überzeugt

Das Gericht ist von der Verfassungswidrigkeit der hier einschlägigen Vorschrift des Bundes­er­zie­hungs­geld­ge­setzes überzeugt. Zwar darf der Gesetzgeber die Gewährung von Bundes­er­zie­hungsgeld an nicht freizü­gig­keits­be­rechtigte Ausländer davon abhängig machen, dass sich diese voraussichtlich auf Dauer in Deutschland aufhalten. Auch kann eine Integration in den inländischen Arbeitsmarkt eine solche Prognose begründen. Der Gesetzgeber hat jedoch jedenfalls insoweit sachwidrige Kriterien aufgestellt, als er einen aktuellen, eng umschriebenen Arbeits­ma­rktbezug während der Erziehungszeit fordert und zudem nur auf denjenigen abstellt, der Erziehungsgeld beansprucht, also z.B. nicht eine entsprechende Integration seines Ehegatten ausreichen lässt.

Antwort des BVerfG auch von Bedeutung für Bundes­el­tern­geld­gesetz

Die Antwort des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts auf die zum Bundes­er­zie­hungs­geld­gesetz vorgelegte Frage wird auch für das ab 1. Januar 2007 geltende Bundes­el­tern­geld­gesetz von Bedeutung sein, das entsprechende Anspruchs­vor­aus­set­zungen für Ausländer aufstellt.

Hinweise zur Rechtslage:

§ 1 Bundes­er­zie­hungs­geld­gesetz in der Fassung vom 13.12.2006

(1) Anspruch auf Erziehungsgeld hat, wer

1. einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat,

2. mit einem Kind, für das ihm die Personensorge zusteht, in einem Haushalt lebt,

3. dieses Kind selbst betreut und erzieht und

4. keine oder keine volle Erwer­b­s­tä­tigkeit ausübt.

(6) Ein nicht freizü­gig­keits­be­rech­tigter Ausländer ist nur anspruchs­be­rechtigt, wenn er

1. eine Nieder­las­sungs­er­laubnis besitzt,

2. eine Aufent­halt­s­er­laubnis besitzt, die zur Ausübung einer Erwer­b­s­tä­tigkeit berechtigt oder berechtigt hat, es sei denn, die Aufent­halt­s­er­laubnis wurde

a) nach § 16 oder § 17 des Aufent­halts­ge­setzes erteilt,

b) nach § 18 Abs. 2 des Aufent­halts­ge­setzes erteilt und die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit darf nach der Beschäf­ti­gungs­ver­ordnung nur für einen bestimmten Höchstzeitraum erteilt werden,

c) nach § 23 Abs. 1 des Aufent­halts­ge­setzes wegen eines Krieges in seinem Heimatland oder nach den §§ 23a, 24, 25 Abs. 3 bis 5 des Aufent­halts­ge­setzes erteilt, oder

3. eine in Nummer 2 Buchstabe c genannte Aufent­halt­s­er­laubnis besitzt und

a) sich seit mindestens drei Jahren rechtmäßig, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhält und

b) im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig ist, laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozial­ge­setzbuch bezieht oder Elternzeit in Anspruch nimmt.

§ 24 Abs. 3 Bundes­er­zie­hungs­geld­gesetz in der Fassung vom 13.12.2006

§ 1 Abs. 6 in der am 19.12.2006 geltenden Fassung ist in Fällen, in denen eine Entscheidung über den Anspruch auf Erziehungsgeld für einen Bezugszeitraum zwischen dem 27.6.1993 und dem 18.12.2006 noch nicht bestandskräftig geworden ist, anzuwenden, wenn dies für die Erziehungsgeld beantragende Person günstiger ist. In diesem Fall werden die Aufent­halts­ge­neh­mi­gungen nach dem Ausländergesetz den Aufent­halt­s­titeln nach dem Aufent­halts­gesetz entsprechend den Fortgel­tungs­re­ge­lungen in § 101 des Aufent­halts­ge­setzes gleichgestellt.

Quelle: ra-online, VerfGH Rheinland-Pfalz

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