21.11.2024
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Dokument-Nr. 27840

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Bundessozialgericht Urteil30.06.2019

Krankenhäuser dürfen bei Atemun­ter­stützung mittels High-Flow-Nasenkanüle keine Zusatzvergütung für maschinelle Beatmung abrechnenBehandlung mittels HFNC ist keine maschinelle Beatmung im Sinne maßgeblicher Kodierregel

Das Bundes­so­zi­al­gericht hat entschieden, dass Krankenhäuser Zeiten der Atemun­ter­stützung eines Neugeborenen oder Säuglings mittels High-Flow-Nasenkanüle (HFNC) nicht als Stunden maschineller Beatmung kodieren dürfen, um eine zusätzliche Vergütung zu erhalten.

Ordnungsgemäß erbrachte stationäre Kranken­haus­leis­tungen sind in der Regel nach Fallpauschalen zu vergüten, denen Kodier­richt­linien zugrunde liegen. Die Deutsche Kranken­h­aus­ge­sell­schaft, der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Verband der privaten Kranken­ver­si­cherung vereinbaren die Fallpauschalen seit mehr als zehn Jahren in sogenannten Normenverträgen und passen sie jährlich an Änderungen an. Es ist folglich nicht Aufgabe von Sachver­ständigen, sondern der Gerichte, Streitigkeiten über die Auslegung dieser Verträge anlässlich der Abrechnung konkreter Kranken­haus­leis­tungen zu klären. Sie beschränken sich hierbei im Wesentlichen auf eine an Wortlaut und System der Verträge ausgerichtete Kontrolle.

Krankenhaus rechnet zusätzlich zu HFNC-Atemun­ter­stützung auch maschinelle Beatmung ab

In dem zugrunde liegenden Rechtsstreit versorgte die klagende Kranken­haus­trägerin Anfang 2017 einen fünf Monate alten, bei der beklagten Krankenkasse versicherten Säugling wegen akuter Bronchiolitis unter anderem mit HFNC-Atemun­ter­stützung. Bei dieser Beatmungsform wird über eine Nasenbrille mit Schläuchen ein konti­nu­ier­licher Luftstrom über die Nasenlöcher in den Nasen-Rachen-Raum geleitet. Die Klägerin kodierte hierfür nicht nur die Behandlung der akuten Bronchiolitis, sondern zudem 66 Stunden maschineller Beatmung, und berechnete insgesamt 8.656,96 Euro. Die Beklagte zahlte lediglich 2.769,25 Euro, weil Beatmungs­stunden bei der Atemun­ter­stützung durch HFNC nicht zu berechnen seien. Klage und Berufung des Kranken­haus­trägers blieben ohne Erfolg.

BSG verneint Anspruch auf höhere Bezahlung

Zu Recht, wie das Bundes­so­zi­al­gericht entschied. Die maßgeblichen Normenverträge lassen keine höhere Bezahlung zu. Behandlung mittels HFNC ist keine maschinelle Beatmung im Sinne der maßgeblichen Kodierregel und dieser auch nicht gleichgestellt. Der Säugling war weder intubiert oder tracheotomiert noch erfolgte eine Beatmung über ein Maskensystem. Wenn die Vertragspartner im Wissen um die HFNC-Atemun­ter­stützung bei Neugeborenen und Säuglingen mindestens seit 2011 bewusst ihre Normenverträge nicht ändern, darf sich die Rechtsprechung über deren Entscheidung nicht hinwegsetzen. Die Höhe der Pauscha­l­ver­gütung berührt dabei nicht die Pflicht der Klägerin, Neugeborene und Säuglinge kunstgerecht zu behandeln.

Die Hinweis auf Rechts­vor­schriften:

§ 109 Fünftes Buch Sozial­ge­setzbuch - Abschluss von Versor­gungs­ver­trägen mit Krankenhäusern

[...]

(4) 1 Mit einem Versor­gungs­vertrag nach Absatz 1 wird das Krankenhaus für die Dauer des Vertrages zur Kranken­h­aus­be­handlung der Versicherten zugelassen. 2 Das zugelassene Krankenhaus ist im Rahmen seines Versor­gungs­auftrags zur Kranken­h­aus­be­handlung (§ 39) der Versicherten verpflichtet. 3 Die Krankenkassen sind verpflichtet, unter Beachtung der Vorschriften dieses Gesetzbuchs mit dem Kranken­haus­träger Pflege­satz­ver­hand­lungen nach Maßgabe des Kranken­h­aus­fi­nan­zie­rungs­ge­setzes, des Kranken­hau­sent­gelt­ge­setzes und der Bundes­pfle­ge­satz­ver­ordnung zu führen.

§ 17 b Gesetz zur wirtschaft­lichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Kranken­haus­pfle­gesätze (Kranken­h­aus­fi­nan­zie­rungs­gesetz - KHG) - Einführung eines pauscha­lie­renden Entgeltsystems für DRG-Krankenhäuser

[...]

(2) 1 Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Verband der privaten Kranken­ver­si­cherung gemeinsam vereinbaren entsprechend den Vorgaben der Absätze 1, 1a und 3 mit der Deutschen Kranken­h­aus­ge­sell­schaft ein Vergü­tungs­system, das sich an einem international bereits eingesetzten Vergü­tungs­system auf der Grundlage der Diagnosis Related Groups (DRG) orientiert, seine jährliche Weiter­ent­wicklung und Anpassung, insbesondere an medizinische Entwicklungen, Kosten­ent­wick­lungen, Verweil­dau­e­r­ver­kür­zungen und Leistungs­ver­la­ge­rungen zu und von anderen Versor­gungs­be­reichen, und die Abrech­nungs­be­stim­mungen, soweit diese nicht im Kranken­hau­sent­gelt­gesetz vorgegeben werden.

§ 9 Gesetz über die Entgelte für voll- und teilstationäre Kranken­haus­leis­tungen (Kranken­hau­sent­gelt­gesetz - KHEntgG) - Vereinbarung auf Bundesebene

(1) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Verband der Privaten Kranken­ver­si­cherung gemeinsam vereinbaren mit der Deutschen Kranken­h­aus­ge­sell­schaft (Vertrags­parteien auf Bundesebene) mit Wirkung für die Vertrags­parteien nach § 11 insbesondere

1. einen Fallpauschalen-Katalog nach § 17 b Absatz 1 Satz 4 des Kranken­h­aus­fi­nan­zie­rungs­ge­setzes einschließlich der Bewer­tungs­re­la­tionen sowie Regelungen zu Verle­gungs­fällen und zur Grenz­ver­weildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge (effektive Bewer­tungs­re­la­tionen),

2. [...]

1001l der Vereinbarung zu den Deutschen Kodier­richt­linien Version 2017 für das G-DRG-System gemäß § 17 b KHG:

Maschinelle Beatmung

Definition

Maschinelle Beatmung ("künstliche Beatmung") ist ein Vorgang, bei dem Gase mittels einer mechanischen Vorrichtung in die Lunge bewegt werden. Die Atmung wird unterstützt durch das Verstärken oder Ersetzen der eigenen Atemleistung des Patienten. Bei der künstlichen Beatmung ist der Patient in der Regel intubiert oder tracheotomiert und wird fortlaufend beatmet. Bei inten­siv­me­di­zinisch versorgten Patienten kann eine maschinelle Beatmung auch über Maskensysteme erfolgen, wenn diese an Stelle der bisher üblichen Intubation oder Tracheotomie eingesetzt werden

Kodierung

Wenn eine maschinelle Beatmung die obige Definition erfüllt, ist

1) zunächst die Dauer der künstlichen Beatmung zu erfassen.

Hierfür steht ein separates Datenfeld im Datensatz nach § 301 SGB V (Sozial­ge­setzbuch Fünftes Buch) sowie § 21 KHEntgG (Kranken­hau­sent­gelt­gesetz) zur Verfügung.

2) Dann ist zusätzlich:

2a) einer der folgenden Kodes

8 701 Einfache endotracheale Intubation

8 704 Intubation mit Doppel­lu­mentubus

8 706 Anlegen einer Maske zur maschinellen Beatmung und/oder

2b) der zutreffende Kode aus

5 311 Temporäre Tracheostomie oder

5 312 Permanente Tracheostomie

anzugeben, wenn zur Durchführung der künstlichen Beatmung ein Tracheostoma angelegt wurde.

3) Bei Neugeborenen und Säuglingen ist zusätzlich ein Kode aus

8 711 Maschinelle Beatmung und Atemun­ter­stützung bei Neugeborenen und Säuglingen

anzugeben.

4) [...]

[...]

Konti­nu­ier­licher positiver Atemwegsdruck (CPAP)

Kodes aus 8 711. Atemun­ter­stützung mit konti­nu­ier­lichem positivem Atemwegsdruck [CPAP]

sind nur bei Neugeborenen und Säuglingen zu kodieren, unabhängig von der Behand­lungsdauer (also auch unter 24 Stunden; bei OPS-Kode 8-711.00 mindestens aber 30 Minuten).

Die Dauer der Atemun­ter­stützung mit konti­nu­ier­lichem positivem Atemwegsdruck (CPAP) ist bei Neugeborenen und Säuglingen bei der Ermittlung der Beatmungsdauer zu berücksichtigen.

[...]

Operationen- und Proze­du­ren­sch­lüssel in der Version 2017:

8-71 Maschinelle Beatmung und Atemun­ter­stützung über Maske oder Tubus

Hinw.: Ein Kode aus diesem Bereich ist jeweils nur einmal pro stationären Aufenthalt anzugeben

8-711 Maschinelle Beatmung und Atemun­ter­stützung bei Neugeborenen und Säuglingen

Hinw.: Bei Anwendung mehrerer Beatmungsformen ist immer die aufwendigste anzugeben

8-711. Atemun­ter­stützung mit konti­nu­ier­lichem positiven Atemwegsdruck [CPAP]

8-711.00 Bei Neugeborenen (. bis 28. Lebenstag)

Hinw.: Bei einer Atemun­ter­stützung unmittelbar nach der Geburt ist dieser Kode nur dann anzugeben, wenn die Atemun­ter­stützung mindestens 30 Minuten lang durchgeführt wurde.

8-711.01 Bei Säuglingen (29. bis 365. Lebenstag)

[...]

8-711.4 Atemun­ter­stützung durch Anwendung von High-Flow-Nasenkanülen [HFNC-System]

[...]

Quelle: Bundessozialgericht/ra-online (pm/kg)

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