21.11.2024
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Dokument-Nr. 10341

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Bundessozialgericht Urteil28.09.2010

BSG: Krankenkasse muss Kosten für Einfrieren von Samenzellen nicht übernehmenKryokon­ser­vierung liegt in Eigen­ver­ant­wortung des Patienten

Besteht bei einem Mann wegen einer Krebsbehandlung die Gefahr einer aus der Behandlung resultierenden Unfruchtbarkeit, hat er dennoch keinen Anspruch darauf Sperma auf Kranken­kas­sen­kosten in einer Samenbank einlagern zu lassen. Für die so genannte Kryokon­ser­vierung ist grundsätzlich der Patienten eigen­ver­ant­wortlich zuständig. Dies entschied das Bundes­so­zi­al­gericht.

Im zugrunde liegenden Streitfall wurde bei dem 1968 geborenen, bei der beklagten Ersatzkasse versicherten Kläger im März 2008 ein Rektumkarzinom diagnostiziert, das mit einer kombinierten Chemo- und Bestrah­lungs­therapie behandelt werden sollte. Der Kläger ließ auf ärztlichen Rat wegen befürchteter Zeugungs­un­fä­higkeit am 17. April 2008 Samenzellen kryokon­ser­vieren. Hierfür und für sechs Monate Einlagerung musste er dem Kryozentrum Mittelrhein 565,56 Euro zahlen. Sein Erstat­tungs­antrag - frühestens vom 18. April 2008 - blieb bei der Beklagten ohne Erfolg. Im sich anschließenden Klageverfahren hat der Kläger weitere 121,69 Euro für die Lagerung der Samenzellen in der sich anschließenden Zeit vom 17. Oktober 2008 bis zum 17. April 2009 geltend gemacht.

LSG: Anspruch auf künstliche Befruchtung scheidet als Rechtsgrundlage aus

Mit seinem Begehren, von der Beklagten die Zahlung von 687,25 Euro sowie künftig die Lagerung der Samenzellen als Naturalleistung zu erhalten, hat der Kläger in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Das Landes­so­zi­al­gericht Rheinland-Pfalz führte u.a. aus, dass der Anspruch auf künstliche Befruchtung (§ 27 a SGB V) als Rechtsgrundlage ausscheide, da er auf Maßnahmen beschränkt sei, die einem einzelnen Zeugungsakt entsprächen und unmittelbar der Befruchtung dienten. Die Kryokon­ser­vierung einschließlich Lagerung ziele nicht auf diesen Zweck und sei auch keine Maßnahme der Kranken­be­handlung (§ 27 Abs. 1 SGB V). Ein Anspruch auf Gleich­be­handlung mit dem beamten­recht­lichen Beihilferecht bestehe nicht.

Kläger verlangt Gleich­be­handlung mit weiblichen Erkrankten nach dem allgemeinen Gleichheitssatz

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V, § 27 Abs. 1 und § 27 a Abs. 1 SGB V. Bereits der therapiebedingt drohende Eintritt der Zeugungs­un­fä­higkeit sei eine Krankheit. Die Kryokon­ser­vierung und Einlagerung der Samenzellen dienten der Erhaltung bzw. Wieder­her­stellung seiner Zeugungs­fä­higkeit im Rahmen einer künstlichen Befruchtung. Er sei nach dem allgemeinen Gleichheitssatz mit weiblichen Erkrankten gleich zu behandeln, bei denen die Fähigkeit zur Empfängnis auf natürlichem Wege durch Kryokon­ser­vierung und anschließende Reimplantation von Eierstockgewebe erhalten bleiben könne. Entgegen der Auffassung des Landes­so­zi­al­ge­richts setze der Erstat­tungs­an­spruch nach § 13 Abs. 3 SGB V nicht voraus, dass die Kostenbelastung kausal auf der rechtswidrigen Leistungs­ab­lehnung beruhe. Ihm (dem Kläger) sei die Notwendigkeit einer rechtzeitigen Antragstellung nicht bekannt gewesen.

Kläger kann Kryokon­ser­vierung weder als Maßnahme der künstlichen Befruchtung noch als Kranken­be­handlung verlangen

Das Bundes­so­zi­al­gericht wies die Revision des Klägers zurück. Die Vorinstanzen haben zutreffend entschieden, dass der Kläger gegen die beklagte Ersatzkasse wegen der Kryokon­ser­vierung und Lagerung seiner Samenzellen weder Anspruch auf die Erstattung bereits verauslagter 687,25 Euro noch auf die künftige Lagerung als Naturalleistung hat. Das SGB V ordnet diese Leistungen vielmehr gezielt der Eigen­ver­ant­wortung der Versicherten zu. Der Kläger kann die Kryokon­ser­vierung insbesondere weder als Maßnahme der künstlichen Befruchtung noch als Kranken­be­handlung verlangen. Der Anspruch auf Kranken­be­handlung zielt lediglich darauf ab, die Fähigkeit ganz oder teilweise wieder­her­zu­stellen, auf natürlichem Wege eine Schwangerschaft herbeizuführen. Hierzu dient die Kryokon­ser­vierung und Lagerung von Samenzellen aber nicht. Das Gesetz erfasst als Maßnahmen der künstlichen Befruchtung nur solche, die dem einzelnen natürlichen Zeugungsakt entsprechen und unmittelbar der Befruchtung dienen, nicht aber mittelbare Maßnahmen weit im Vorfeld einer Befruchtung wie hier die Tiefkühl­kon­ser­vierung und Lagerung von Samenzellen. Die Recht­s­ent­wicklung gibt keinen Anlass, zu Gunsten des Klägers von diesem Regelungssystem abzuweichen, das nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt.

Quelle: Bundessozialgericht/ra-online

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