Bundesgerichtshof Urteil19.10.2005
Vermieter kann Anspruch auf Zahlung rückständigen Mietzinses verwirkenKeine entsprechende Anwendung von § 539 BGB alte Fassung (a.F.)
Nimmt der Vermieter über einen längeren Zeitraum eine Mietminderung widerspruchslos hin, so kann er den Anspruch auf Zahlung des Mietrückstandes verwirken. Eine analoge Anwendung von § 539 BGB a.F. kommt nicht in Betracht. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs hervor.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Die beklagte Mieterin minderte ab Januar 1999 bis September 2000 ihre Miete. Im Dezember 2000 forderte die klägerische Vermieterin die Beklagte dazu auf, die rückständige Miete zu zahlen. Da diese sich weigerte, klagte die Klägerin auf Zahlung. Das Landgericht Magdeburg wies die Klage ab. Die Berufung der Klägerin blieb ohne Erfolg. Sie verfolgte ihr Klagebegehren mit der Revision weiter.
Kein Verlust des Anspruches wegen § 539 BGB a.F.
Der Bundesgerichtshof entschied, dass die Klägerin ihren Anspruch auf die rückständige Miete nicht gemäß § 539 BGB a.F. analog verloren habe. Denn die Vorschrift sei nur auf Mieter entsprechend angewendet worden. Dieser habe sein Minderungsrecht verloren, wenn er seine Miete ungekürzt über einen längeren Zeitraum und ohne Vorbehalt weiter gezahlt habe. Eine entsprechende Anwendung auf die Nachforderungsansprüche des Vermieters, der die Kürzung der Miete über längere Zeit widerspruchslos hingenommen habe, komme nicht in Betracht.
Planwidrige Regelungslücke lag nicht vor
Nach Ansicht des BGH habe es insofern an der für eine Analogie erforderlichen planwidrigen Regelungslücke gefehlt. Mit der Verjährungsvorschrift des § 197 BGB und dem Rechtsinstitut der Verwirkung bestehen bereits Regelungen für den Fall, dass der Vermieter seine Ansprüche auf Miete für längere Zeit nicht geltend macht. Des Weiteren betreffe der § 539 BGB a.F. Ansprüche des Mieters und seien daher nicht mit dem Anspruch des Vermieters auf Zahlung von Miete vergleichbar, so dass eine analoge Anwendung auch deshalb ausgeschlossen sei.
Möglicher Verlust des Zahlungsanspruchs aufgrund Verwirkung
Der Vermieter könne nach Auffassung des BGH seinen Anspruch aber aufgrund einer Verwirkung verloren haben. Sie liege vor, wenn der Berechtigte über eine längere Zeit hindurch ein Recht nicht geltend macht und der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat und nach dem Verhalten des Berechtigten eine zukünftige Geltendmachung nicht erwarten musste. Die Verwirkung setze daher neben dem Zeitablauf (sog. Zeitmoment) das Vorliegen besonderer, ein Vertrauen des Verpflichteten, begründeter Umstände voraus (sog. Umstandsmoment).
Berufungsgericht versäumte Feststellungen zum Umstandsmoment
Das Berufungsgericht habe hier zwar Ausführungen zum Zeitmoment, jedoch keine Feststellungen zum Umstandsmoment gemacht, so der BGH weiter. Dies sei aber zur Annahme einer Verwirkung erforderlich. Da der BGH keine abschließende Entscheidung fällen könne, müsse der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, damit es die nötigen Feststellungen zum Umstandsmoment treffe und einer Gesamtwürdigung unterziehen könne.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 30.11.2012
Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)