21.11.2024
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Sie sehen eine Einbauküche in einer Wohnung.

Dokument-Nr. 1959

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Urteil16.07.2003BundesgerichtshofVIII ZR 274/02
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • BGHReport 2003, 922Zeitschrift: BGH Report (BGHReport), Jahrgang: 2003, Seite: 922
  • BGHZ 155, 380Sammlung: Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (BGHZ), Band: 155, Seite: 380
  • DWW 2003, 258Zeitschrift: Deutsche Wohnungswirtschaft (DWW), Jahrgang: 2003, Seite: 258
  • GE 2003, 1145Das Grundeigentum - Zeitschrift für die gesamte Grundstücks-, Haus- und Wohnungswirtschaft (GE), Jahrgang: 2003, Seite: 1145
  • MDR 2003, 1103Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2003, Seite: 1103
  • NJW 2003, 2601Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2003, Seite: 2601
  • NZM 2003, 679Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht (NZM), Jahrgang: 2003, Seite: 679
  • WuM 2003, 440Zeitschrift: Wohnungswirtschaft und Mietrecht (WuM), Jahrgang: 2003, Seite: 440
  • ZMR 2003, 667Zeitschrift für Miet- und Raumrecht (ZMR), Jahrgang: 2003, Seite: 667
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ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil16.07.2003

Kein Ausschluss des Minde­rungs­rechts bei Fortzahlung der Miete in Kenntnis des MangelsRecht auf Mietkürzung kann nicht mehr verloren gehen

Der Bundes­ge­richtshof hatte über die Frage zu entscheiden, ob ein Mieter das Recht, die Miete wegen eines Mangels der Wohnung zu mindern, verliert, wenn er die Miete über einen längeren Zeitraum ungekürzt und vorbehaltlos weiterzahlt.

Im vorliegenden Fall hatte der Mieter wegen einer von der Nachbarwohnung ausgehenden Lärmbelästigung seit September 1999 die Miete monatlich um 69,90 DM gemindert. Die Vermieterin war der Auffassung, der Mieter habe das Recht zur Minderung der Miete verloren, weil er erst etwa zwei Jahre nach Beginn der Störung erstmals diesen Zustand gerügt hatte. Mit ihrer Klage hat sie die bis einschließlich September 2001 aufgelaufenen Mietrückstände geltend gemacht.

Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofes, die auf eine Entscheidung des Reichsgerichts aus dem Jahre 1936 zurückging und bei den Insta­nz­ge­richten einhellige Zustimmung gefunden hatte, verlor der Mieter in einem solchen Fall auf Dauer das Recht zur Minderung der Miete. Allerdings war diese Fallgestaltung in den mietrechtlichen Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches nicht geregelt; die Rechtsprechung ging deshalb davon aus, daß das Gesetz insofern eine Lücke aufweise, die durch die entsprechende Anwendung des § 539 BGB in der bis zum 31. August 2001 geltenden Fassung zu schließen sei. Nach jener Vorschrift konnte der Mieter die Miete nicht wegen eines von Anfang an vorhandenen Mangels der Mietsache herabsetzen, wenn ihm der Mangel bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt war. Der dieser Bestimmung zugrun­de­liegende Gedanke war nach Ansicht des Bundes­ge­richtshofes auch für die Minderung wegen eines nachträglich aufgetretenen oder bekannt gewordenen Mangels sinngemäß heranzuziehen.

Der im August 2000 beschlossene Regie­rungs­entwurf zur Reform des Mietrechts hat in der Begründung zu § 536 b BGB n.F., der von geringen sprachlichen Anpassungen abgesehen im wesentlichen unverändert an die Stelle des § 539 BGB a.F. treten sollte, in bewußter Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung ausgeführt, daß in den Fällen, in denen ein Mangel - wie in dem jetzt vom Bundes­ge­richtshof entschiedenen Sachverhalt - erst im Laufe des Mietver­hält­nisses entsteht, grundsätzlich nur noch § 536 c BGB n.F., der dem früheren § 545 BGB entspricht, anzuwenden ist. Danach ist der Mieter nur dann und solange an der Minderung der Miete gehindert, als er den Mangel dem Vermieter nicht anzeigt. Die der bisherigen Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofes zugrun­de­liegende Analogie zu § 539 BGB a.F. - jetzt § 536 b BGB - sollte nach der Vorstellung des Regie­rungs­entwurfs damit für die Zukunft erkennbar ausgeschlossen sein.

Der Bundes­ge­richtshof hat nunmehr entschieden, daß es auch bei laufenden Mietver­hält­nissen für die Zeit bis zum Inkrafttreten des neuen Mietrechts am 1. September 2001 bei der bisherigen Rechtslage verbleibt. Das bedeutet, daß die analog § 539 BGB a.F. bis zu diesem Zeitpunkt erloschenen Minde­rungs­rechte nicht wieder aufleben. Die zum Mietrechts­re­form­gesetz ergangene Überg­angs­be­stimmung des Art. 229 § 3 EGBGB läßt den Willen des Gesetzgebers erkennen, aus dem Gesichtspunkt des Vertrau­ens­schutzes die vor dem 1. September 2001 abgeschlossenen Sachverhalte, d.h. die bis dahin entstandenen monatlichen Mietansprüche, von dem neuen Recht unberührt zu lassen.

Für die ab dem 1. September 2001 fällig werdenden Mieten gilt dies jedoch nicht. Insoweit ist das neue Mietrecht ohne Einschränkung maßgebend. Bei der Beurteilung der Frage, ob der an die Stelle des § 539 BGB a.F. getretene § 536 b BGB auf Fälle eines nachträglich aufgetretenen oder bekannt gewordenen Mangels analog anzuwenden ist, ist die in dem Regie­rungs­entwurf enthaltene, im weiteren Gesetz­ge­bungs­ver­fahren nicht in Frage gestellte Begründung zu den §§ 536b, 536c BGB zu berücksichtigen. Danach ist die Annahme einer sogenannten planwidrigen Regelungslücke, die stets Voraussetzung für eine Analogie ist, ausgeschlossen. Vielmehr ist davon auszugehen, daß sich der parla­men­ta­rische Gesetzgeber nicht nur die - unverändert belassenen - Vorschriften des Regie­rungs­entwurfs, sondern auch die dazu gegebenen Begründungen zu eigen gemacht hat. Hat der Gesetzgeber aber - wie hier - in Kenntnis der entge­gen­ste­henden bisherigen höchst­rich­ter­lichen Rechtsprechung eine Regelungslücke verneint und die neuen Vorschriften - ggf. korrigiert durch die Generalklausel von Treu und Glauben (§ 242 BGB) und das Berei­che­rungsrecht (§ 814 BGB) - ausdrücklich als ausreichend bezeichnet, bleibt für die Annahme einer planwidrigen Regelungslücke kein Raum mehr.

Im vorliegenden Fall kann dem Mieter daher entgegen der Auffassung der Vorinstanzen sein Recht zur Minderung der Miete für die Zeit ab 1. September 2001 nicht durch eine analoge Anwendung des § 536 b BGB abgesprochen werden. Daß er die Lärmbelästigung erstmals mehr als zwei Jahre nach ihrem Beginn gegenüber der Vermieterin gerügt hat, kann aber dazu führen, daß er das Minderungsrecht durch (still­schwei­genden) Verzicht oder durch Verwirkung verloren hat. Der Bundes­ge­richtshof hat deshalb auf die Revision des beklagten Mieters das Urteil des Oberlan­des­ge­richts aufgehoben, soweit es die Mietminderung für den Monat September 2001 betrifft, und hat die Sache insoweit zur Prüfung dieser und der weiteren Frage, ob und in welchem Umfang eine zur Minderung berechtigende Lärmbelästigung vorgelegen hat, an das Berufungs­gericht zurückverwiesen. Im übrigen - hinsichtlich der Mietrückstände aus der Zeit vor dem 1. September 2001 - hat er die Revision zurückgewiesen.

Vorinstanzen:

LG Frankfurt am Main, Urt. v. 27.08.2002: Keine Minderung bei vorbehaltloser Weiterzahlung der Miete

AG Frankfurt am Main

Quelle: ra-online, BGH

der Leitsatz

BGB §§ 536b, 536c BGB

a) Hat ein Wohnungsmieter, dessen Mietvertrag vor dem Inkrafttreten des Mietrechts­re­form­ge­setzes am 1. September 2001 geschlossen worden ist, in entsprechender Anwendung des § 539 BGB a.F. sein Recht zur Minderung der Miete verloren, weil er den Mangel längere Zeit nicht gerügt und die Miete ungekürzt und vorbehaltlos weiter gezahlt hat, so verbleibt es hinsichtlich der bis zum 1. September 2001 fällig gewordenen Mieten bei diesem Rechtsverlust. Die Bestimmungen des Mietrechts­re­form­ge­setzes und der hierzu ergangenen Überg­angs­vor­schriften führen nicht zu einem Wiederaufleben des Minde­rungs­rechts.

b) Für nach dem Inkrafttreten des Mietrechts­re­form­ge­setzes fällig gewordene Mieten scheidet eine analoge Anwendung des § 536 b BGB, der an die Stelle des § 539 BGB a.F. getreten ist, aus. Insoweit beurteilt sich die Frage, ob und in welchem Umfang ein Mieter wegen eines Mangels der Wohnung die Miete mindern kann, ausschließlich nach § 536 c BGB. Dies gilt auch für Mietverträge, die vor dem 1. September 2001 abgeschlossen worden sind.

c) Soweit hiernach das Minderungsrecht des Mieters nach dem 1. September 2001 nicht entsprechend der bisherigen Rechtsprechung zur analogen Anwendung des § 539 BGB a.F. erloschen ist, bleibt jedoch zu prüfen, ob der Mieter dieses Recht unter den strengeren Voraussetzungen der Verwirkung (§ 242 BGB) oder des still­schwei­genden Verzichts verloren hat.

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