18.10.2024
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Dokument-Nr. 2016

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Landgericht Frankfurt am Main Urteil27.08.2002

Keine Minderung bei vorbehaltloser Weiterzahlung der Miete

Eine Minderung der Miete bleibt auch nach der Geset­ze­s­än­derung dann ausgeschlossen, wenn der Mieter über längere Zeit in Kenntnis des Mangels der Mietsache die Miete vorbehaltlos weitergezahlt hat.

Diese in Literatur und Rechtsprechung derzeit streitige Rechtsfrage ist damit vom Landgericht Frankfurt am Main entgegen der Begründung des Gesetzgebers im Sinne der bisherigen Rechtsanwendung entschieden worden.

Zur Entscheidung stand der Fall eines Mieters, der sich durch den von 1994 eingezogenen Mitbewohnern des Mehrfa­mi­li­en­hauses verursachten Lärm beeinträchtigt fühlte. Erstmals mit Schreiben vom 22.2.1997 beschwerte er sich gegenüber der Vermieterin wegen der permanenten Ruhestörung; hierbei führte er aus, daß seine „... Geduld und Nachsicht der letzten beiden Jahre...“ beendet seien. Es folgten viele weitere Beschwer­de­schreiben. Seit 1999 minderte er die Miete. Die Vermieterin verlangte mit der Klage die Nachzahlung der Miete in Höhe von Euro 1.065,12. Nachdem das AG Frankfurt am Main den beklagten Mieter entsprechend verurteilt hatte, blieb auch dessen Berufung ohne Erfolg.

Die zu entscheidende Rechtsfrage betrifft die Fortgeltung des bis zur Mietrechts­novelle 2001 bestehenden Rechtszustands. Sowohl im früheren Recht (§ 539 alter Fassung BGB) als auch im jetzt geltenden (§ 536 b neuer Fassung BGB) ist die Minderung der Miete ausgeschlossen, wenn der Mieter bei Beginn des Mietver­hält­nisses die Mietsache in Kenntnis des bestehenden Mangels übernimmt. Zum alten Recht war anerkannt, daß dies analog für den Fall gilt, in dem der Mieter in Kenntnis des nachträglich entstandenen Mangels über einen längeren Zeitraum, der bei etwa 6 Monaten gesehen wurde, die Miete vorbehaltlos weitergezahlt hat. Mit der Mietrechts­novelle wurde eine neue Bestimmung aufgenommen, wonach der Mieter dann nicht mindern darf, wenn er den Mangel nicht angezeigt und der Vermieter deshalb keine Abhilfe schaffen konnte. Nach der amtlichen Begründung zur Mietrechts­novelle sollte nach dem Willen des Gesetzgebers durch diese Vorschrift und durch die Regeln über die Verwirkung (§ 242 BGB) und den Ausschluß der Rückforderung von wissentlich ohne Verpflichtung gezahlten Beträgen (§ 814 BGB) eine abschließende, die frühere Rechtslage ausschließende Regelung getroffen sein. Es haben sich aber alsbald Zweifel ergeben, ob der Geset­zes­wortlaut diese Intention des Gesetzgebers tatsächlich wiedergibt.

Im Urteil heißt es auszugsweise und z.T. sinngemäß:

Nach ständiger Rechtsprechung aus der Zeit vor Inkrafttreten der Mietrechts­novelle ist der Mieter in entsprechender Anwendung des § 539 BGB a.F. mit der Mietminderung für die Zukunft und Vergangenheit ausgeschlossen, wenn er im Verlauf der Mietzeit Kenntnis von einem Mangel erlangt und dennoch den ungeminderten Mietzins über eine gewisse Zeit (jedenfalls über sechs Monate) vorbehaltlos weiterzahlt. Die Kammer ist der Auffassung, daß sich dieses Ergebnis nach der Mietrechts­novelle nunmehr auch in einer entsprechenden Anwendung des an die Stelle des § 539 BGB a.F. getretenen § 536 b BGB n.F. ergibt. Gegen eine analoge Anwendung des § 536 b BGB n.F. spricht zwar in der Tat, daß nach der amtlichen Begründung, die von einer abschließenden Regelung der hier fraglichen Fallgruppe ausgeht, durchaus das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke verneint werden und so eine Analogie methodisch von vornherein ausgeschlossen sein könnte. Den Befürwortern einer Analogie ist aber gleichwohl zuzugeben, daß diese Auffassung in dem – bei § 536 b Landgericht Frankfurt am Main - Pressestelle für Zivilprozeß - Z 03/02 Seite 2 BGB n.F. gegenüber § 539 BGB a.F. im wesentlichen unveränderten – Gesetzestext keinen hinreichenden Ausdruck gefunden hat.

Soweit die amtliche Begründung auf § 814 BGB abstellt, so trifft dies nur einen Teil der hier einschlägigen Problematik, nämlich diejenigen Fälle, in denen der Mieter Rückzahlung solcher Mieten fordert, die wegen Minderung rechtsgrundlos geleistet seien. Praxisrelevant war aber ganz überwiegend die umgekehrte Fallgruppe, daß der plötzlich mindernde Mieter auf Nachzahlung in Anspruch genommen wurde; dort ist § 814 BGB ohne Bedeutung. Die Anforderung an einen Minde­rungs­aus­schluß über § 242 BGB hat der Gesetzgeber nach der amtlichen Begründung selbst extrem hoch gehängt; in dem als Beispiel herangezogenen Fall lag ein sehr langer Zeitraum (länger als 10 Jahre) der ungekürzten Mietzahlung trotz Mängelkenntnis zugrunde; die bisherige Rechtsprechung hat § 539 BGB hingegen bereits nach einer Zeit von regelmäßig sechs Monaten zum Minde­rungs­aus­schluß herangezogen. § 536 c BGB n.F. hingegen bestimmt einen Minde­rungs­aus­schluß bei nachträglicher Mängelkenntnis nur unter weiteren Voraussetzungen, ohne daß es dort auf die Weiterzahlung der Miete ankäme. Außerdem ist § 536 c BGB n.F. ohne inhaltliche Änderungen an die Stelle des früheren § 545 BGB getreten. Durch die Existenz des § 545 BGB a.F. aber hat sich auch die bisherige Rechtsprechung an einer analogen Anwendung des § 539 BGB a.F. nicht gehindert gesehen.

Gegen eine abschließende gesetzliche Regelung der Fälle unverminderter Mietzahlung trotz nachträglicher Mängelkenntnis beziehungsweise gegen eine Umsetzung eines entsprechenden gesetz­ge­be­rischen Willens spricht schließlich das Übergangsrecht zur Mietrechts­novelle. Weder zu § 539 BGB a.F. noch zu § 536 b BGB n.F. findet sich dort eine bestimmte Regelung. Es existiert aber fraglos eine unüberschaubar große Zahl von Altfällen, bei denen der Mieter bislang trotz Bestehens eines Dauermangels in analoger Anwendung des alten § 539 BGB grundsätzlich für alle Zeit von der Minderung ausgeschlossen war, bei denen aber nach der amtlichen Begründung zu § 536 b BGB n.F. nach neuem Recht für einen Minde­rungs­aus­schluß kein Raum (mehr) sein soll. Ob in solchen Fällen, bei denen der Mangel über den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Mietrechts­novelle andauert, wenigstens bis zum 31.8.2001 ein Minde­rungs­aus­schluß über § 539 BGB a.F. weiter Platz greifen soll, kann der Überg­angs­re­gelung jedenfalls nicht ohne weiteres entnommen werden. Eine ausdrückliche Überg­angs­vor­schrift hierfür wäre für den Fall einer als abschließend begriffenen gesetzlichen Regelung aber allein deshalb naheliegend gewesen, weil der Gesetzgeber selbst von der gerichtlichen Praxis, die bislang in der vorliegenden Fallgruppe regelmäßig über die Analogie zu einem auch zukünftigen Minde­rungs­aus­schluß gelangte, ausgegangen ist.

Da der Mieter im konkreten Fall seit 1994 von der Lärmbelästigung wußte, aber erstmals 1997 Beschwerde geführt hatte und erst seit 1999 die Miete kürzte, blieb ihm für die Vergangenheit wie für die Zukunft das Recht zur Mietminderung versagt.

Siehe nachfolgend: BGH, Urt. v. 16.07.2003: Kein Ausschluss des Minde­rungs­rechts bei Fortzahlung der Miete in Kenntnis des Mangels

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des LG Frankfurt/Main vom 17.09.2002

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