15.11.2024
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Sie sehen, wie während einer Hochzeit die Ringe angesteckt werden.

Dokument-Nr. 6451

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Urteil30.07.2008BundesgerichtshofXII ZR 177/06
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • BGHReport 2008, 1175Zeitschrift: BGH Report (BGHReport), Jahrgang: 2008, Seite: 1175
  • BGHZ 177, 357Sammlung: Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (BGHZ), Band: 177, Seite: 357
  • DNotZ 2009, 131Deutsche Notar-Zeitschrift (DNotZ), Jahrgang: 2009, Seite: 131
  • FamRZ 2008, 1911Zeitschrift für das gesamte Familienrecht mit Betreuungsrecht (FamRZ), Jahrgang: 2008, Seite: 1911
  • FuR 2008, 542Zeitschrift: Familie und Recht (FuR), Jahrgang: 2008, Seite: 542
  • JuS 2009, 280 (Marina Wellenhofer)Zeitschrift: Juristische Schulung (JuS), Jahrgang: 2009, Seite: 280, Entscheidungsbesprechung von Marina Wellenhofer
  • MDR 2008, 1338Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2008, Seite: 1338
  • NJ 2009, 27Zeitschrift: Neue Justiz (NJ), Jahrgang: 2009, Seite: 27
  • NJW 2008, 3213Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2008, Seite: 3213
  • NotBZ 2008, 416Zeitschrift für die notarielle Beratungs- und Beurkundungspraxis (NotBZ), Jahrgang: 2008, Seite: 416
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ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil30.07.2008

BGH: Geschiedene erhalten weniger UnterhaltZum Unter­halts­bedarf und zum Rang der Ansprüche, wenn der Unterhalts­pflichtige neben einem geschiedenen Ehegatten auch einem neuen Ehegatten unter­halts­pflichtig ist

Der Bundes­ge­richtshof hatte sich erneut mit Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem zum 1. Januar 2008 geänderten Unterhaltsrecht zu befassen. In Rechtsprechung und Literatur war noch weitgehend ungeklärt, wie der Unter­halts­bedarf der geschiedenen und der neuen Ehefrau zu bemessen ist und ob sich die Ansprüche wechselseitig zur Höhe beeinflussen. Zum 1. Januar 2008 ist durch § 1609 BGB auch der Rang der beiden Unter­halts­ansprüche geändert worden, was sich immer dann auswirkt, wenn der Unterhalts­pflichtige unter Wahrung des ihm verbleibenden Selbstbehalts (hier: 1000 €) nicht alle Ansprüche voll befriedigen kann.

Der 1949 geborene Kläger und die 1948 geborene Beklagte hatten 1978 die Ehe geschlossen, aus der keine Kinder hervorgegangen sind. Nach Trennung im Mai 2002 wurde die Ehe im April 2005 rechtskräftig geschieden. Zuvor hatten die Parteien im Schei­dungs­ver­bund­ver­fahren einen Vergleich geschlossen, in dem sich der Kläger verpflichtet hatte, an die Beklagte, die seit 1992 vollschichtig als Verkäuferin arbeitete und eigene Einkünfte von rd. 1175 € zur Verfügung hatte, einen nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 600 € zu zahlen. Der Kläger, der nach wie vor als Lehrer mit Bezügen nach der Besol­dungs­gruppe A 12 tätig ist, begehrt den Wegfall seiner Unter­halts­pflicht für die Zeit ab Oktober 2005 und Rückzahlung der seit Rechts­hän­gigkeit des Verfahrens gezahlten Unter­halts­beträge. Er beruft sich darauf, im Oktober 2005 wieder geheiratet zu haben und die bereits am 1. Dezember 2003 geborene Tochter seitdem zu unterhalten.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlan­des­gericht den Unterhalt der geschiedenen Ehefrau teilweise herabgesetzt. Auf die Revision der Beklagten hat der Bundes­ge­richtshof das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Oberlan­des­gericht zurückverwiesen.

1. Zur Bedarfs­be­messung:

Bei der Bemessung des Unter­halts­bedarfs der geschiedenen und der neuen Ehefrau des Beklagten nach den ehelichen Lebens­ver­hält­nissen (§ 1578 Abs. 1 BGB) ist der Bundes­ge­richtshof von seiner neueren Rechtsprechung ausgegangen, wonach nicht nur ein späterer Einkom­mens­rü­ckgang, sondern auch ein späteres Hinzutreten weiterer Unter­halts­be­rech­tigter zu berücksichtigen ist (BGH Urteil vom 6. Februar 2008 – XII ZR 14/06 –). Eine Grenze für diese Berück­sich­tigung ergibt sich erst in Fällen unter­halts­rechtlich vorwerfbaren Verhaltens, was weder beim Hinzutreten später geborener Kinder noch bei Heirat einer neuen Ehefrau der Fall ist.

Wenn sich somit auch der Unter­halts­bedarf einer geschiedenen und einer neuen Ehefrau gegenseitig beeinflussen, ist der jeweilige Bedarf aus einer Drittelung des vorhandenen Einkommens zu ermitteln. Ist nur ein Unter­halts­be­rech­tigter Ehegatte vorhanden, ergibt sich dessen Bedarf aus einer Halbteilung des vorhandenen Einkommens. Dem Halbtei­lungs­grundsatz kann aber nicht entnommen werden, dass dem Unter­halts­pflichtigen stets und unabhängig von der Zahl der Unter­halts­be­rech­tigten immer die Hälfte seines Einkommens verbleiben muss. Diesem Grundsatz ist vielmehr lediglich zu entnehmen, dass dem Unter­halts­pflichtigen stets so viel verbleiben muss, wie ein Unter­halts­be­rech­tigter durch eigene Einkünfte und den ergänzenden Unterhalt zur Verfügung hat. Bei nur einem unter­halts­be­rech­tigten Ehegatten ist das die Hälfte, bei einem früheren und einem neuen Ehegatten ein Drittel.

Der Bundes­ge­richtshof hat den Fall zugleich zum Anlass genommen, seine Rechtsprechung zur Behandlung des Split­ting­vorteils aus der neuen Ehe zu ändern. Nach der zum früheren Recht ergangenen Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts und des Bundes­ge­richtshofs musste der Split­ting­vorteil stets der neuen Ehe verbleiben. Der Unterhaltsanspruch der geschiedenen Ehefrau musste deswegen auf der Grundlage eines fiktiven und geringeren - weil nach der Grundtabelle zu versteuernden – Einkommens errechnet werden. Weil sich nunmehr der Unter­halts­bedarf der geschiedenen und der neuen Ehefrau wechselseitig beeinflussen, konnte der Bundes­ge­richtshof diese Rechtsprechung aufgeben. Allerdings darf ein geschiedener Ehegatte nicht mehr Unterhalt erhalten, als ihm ohne Einbeziehung des Split­ting­vorteils zustünde, wenn er allein unter­halts­be­rechtigt wäre.

2. Zum Rang der Unter­halts­ansprüche:

Das Oberlan­des­gericht hatte die geschiedene und die neue Ehefrau des Unter­halts­pflichtigen schon nach dem für Unter­halts­ansprüche bis Ende 2007 geltenden früheren Unterhaltsrecht (§ 1582 BGB a.F.) als gleichrangig angesehen. Dies hat der Bundes­ge­richtshof als rechts­feh­lerhaft gerügt. Der Rang der Unter­halts­ansprüche mehrerer Ehegatten war nach dem bis Ende 2007 geltenden früheren Unterhaltsrecht vornehmlich durch den Priori­täts­ge­danken bestimmt. Nach der Intention des Gesetzes musste sich ein neuer Ehegatte auf die schon bestehenden Unter­halts­pflichten einrichten und konnte im Mangelfall nur den Unterhalt bekommen, der dem Unter­halts­pflichtigen nach Erfüllung der Unter­halts­ansprüche der geschiedenen Ehefrau unter Wahrung seines eigenen Selbstbehalts zur Verfügung stand. Bei diesem Vorrang der geschiedenen Ehefrau, den auch das Bundes­ver­fas­sungs­gericht bestätigt hatte, hat es nach der Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs für die Unter­halts­ansprüche bis Ende 2007 zu verbleiben, so dass die Beklagte der neuen Ehefrau des Klägers vorging.

Für Unter­halts­ansprüche ab Januar 2008 hat das Unter­halts­recht­s­än­de­rungs­gesetz allerdings eine neue Rangfolge festgelegt. Der Gesetzgeber hat dabei den Priori­täts­ge­danken weitgehend aufgegeben und auf das Gewicht der einzelnen Unter­halts­ansprüche abgestellt. Nach den im ersten Rang stehenden Unter­halts­ansprüchen minderjähriger Kinder sind im zweiten Rang stets die Ansprüche Kinder betreuender Eltern auf Betreu­ungs­un­terhalt zu befriedigen. Weil die neue Ehefrau des Beklagten das gemeinsame Kind betreut, das noch keine drei Jahre alt war, ist sie zweitrangig unter­halts­be­rechtigt. Andere Ehegatten oder geschiedene Ehegatten stehen nur dann im gleichen zweiten Rang, wenn eine lange Ehedauer vorliegt. Dabei ist aber nicht allein auf die Dauer der Ehe abzustellen. Vielmehr ist gemäß den §§ 1609 Nr. 2, 1578 b BGB entscheidend darauf abzustellen, ob die unter­halts­be­rechtigte geschiedene Ehefrau ehebedingte Nachteile erlitten hat. Weil die Beklagte in ihrer 24-jährigen und kinderlosen Ehe hier seit 1992 durchgehend vollschichtig berufstätig war und deswegen ehebedingte Nachteile nicht ersichtlich sind, ist ihr Unter­halts­an­spruch für die Zeit ab Januar 2008 gegenüber der neuen Ehefrau nachrangig.

Quelle: ra-online, BGH (pm)

der Leitsatz

BGB §§ 1578 Abs. 1, 1609 Nr. 2 und 3

a) Schuldet der Unter­halts­pflichtige sowohl einem geschiedenen als auch einem neuen Ehegatten Unterhalt, so ist der nach den ehelichen Lebens­ver­hält­nissen (§ 1578 Abs. 1 BGB) zu bemessende Unter­halts­bedarf jedes Berechtigten im Wege der Dreiteilung des Gesam­t­ein­kommens des Unter­halts­pflichtigen und beider Unter­halts­be­rech­tigter zu ermitteln.

b) Ausnahmen von dieser Dreiteilung ergeben sich bei unter­schied­licher Rangfolge der Ansprüche (§ 1609 Nr. 2, 3 BGB) nur im Rahmen der Leistungs­fä­higkeit, wenn ein Mangelfall vorliegt (§ 1581 BGB).

c) Ist der Unter­halts­bedarf eines geschiedenen Ehegatten durch den hinzu gekommenen Unter­halts­bedarf eines neuen Ehegatten herabgesetzt, ist im Rahmen der dann gebotenen Dreiteilung das Gesamteinkommen einschließlich des Split­ting­vorteils aus der neuen Ehe zugrunde zu legen (Aufgabe der Senats­recht­sprechung BGHZ 163, 84, 90 f. = FamRZ 2005, 1817, 1819).

d) Das gilt ebenso für einen Famili­en­zu­schlag der Stufe 1 nach § 40 Abs. 1 BBesG (Aufgabe der Senats­recht­sprechung BGHZ 171, 206, 223 f. = FamRZ 2007, 793, 797 f.).

e) Der Anspruch auf Aufsto­ckungs­un­terhalt nach geschiedener Ehe ist nur dann mit dem Anspruch eines neuen Ehegatten auf Betreu­ungs­un­terhalt gleichrangig, wenn nach langer Ehedauer auch ehebedingte Nachteile i.S. des § 1578 b Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB vorliegen (§ 1609 Nr. 2 BGB). Auch insoweit ist darauf abzustellen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen.

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