21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen einen Schreibtisch mit einem Tablet, einer Kaffeetasse und einem Urteil.

Dokument-Nr. 22941

Drucken
Beschluss03.02.2016BundesgerichtshofXII ZB 317/15
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • FamRZ 2016, 807Zeitschrift für das gesamte Familienrecht mit Betreuungsrecht (FamRZ), Jahrgang: 2016, Seite: 807
  • NJW-RR 2016, 513Zeitschrift: NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (NJW-RR), Jahrgang: 2016, Seite: 513
Für Details Fundstelle bitte Anklicken!
Vorinstanzen:
  • Amtsgericht Hannover, Beschluss20.02.2015, 662 XVII G 4242
  • Landgericht Hannover, Beschluss01.07.2015, 2 T 15/15
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Beschluss03.02.2016

BGH: Psychische Krankheit oder geistige Behinderung durch Alkoho­l­ab­hän­gigkeit rechtfertigt Unterbringung des BetroffenenFreie Willen­s­ent­scheidung des Betroffenen aufgrund Alkoho­l­ab­hän­gigkeit ausgeschlossen

Zwar rechtfertigt Alkohol­miss­brauch allein keine Unterbringung des Betroffenen in eine geschlossene Anstalt. Führt die Alkoho­l­ab­hän­gigkeit jedoch zu einer psychischen Krankheit oder einer geistigen Behinderung, so ist die gerichtliche Genehmigung einer Unterbringung gemäß § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB zulässig, wenn die freie Willen­s­ent­scheidung des Betroffenen aufgrund der Alkohol­krankheit ausgeschlossen ist. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs hervor.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Februar 2015 ordnete das Amtsgericht Hannover auf Antrag des Betreuers die Unterbringung einer alkoholkranken Frau für die Dauer von zwei Jahren an. Die Frau war bereits in der zweiten Jahreshälfte des Jahres 2014 dreimal mit gerichtlicher Genehmigung stationär behandelt worden. Nach ihrer Entlassung Ende Dezember 2014 wurde sie am 8. Januar 2015 erneut schwer­sta­l­ko­ho­lisiert mit einem Promillewert von 4,6 in eine Klinik eingeliefert. Nach Angaben eines Sachver­ständigen habe die Betroffene an einer alkohol­be­dingten Neuropathie und einem alkohol­be­dingten Klein­hirn­schaden mit Einschränkungen der Auffassungsgabe, Konzentrations- und Merkfähigkeit gelitten. Ohne Unterbringung sei krank­heits­bedingt ein Rückfall zu erwarten gewesen, was zu einem lebens­be­droh­lichen Zustand habe führen können. Die Betroffene habe ihre Nahrungs­aufnahme einstellen und unkontrolliert exzessiv Alkohol konsumieren können. Die gegen die gerichtlich genehmigte Unterbringung eingelegte Beschwerde blieb vor dem Landgericht Hannover ohne Erfolg, so dass der Bundes­ge­richtshof entscheiden musste.

Gerichtlich genehmigte Unterbringung aufgrund Alkohol­krankheit zulässig

Der Bundes­ge­richtshof bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz. Die gerichtliche Genehmigung der Unterbringung der Betroffenen sei gemäß § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB zulässig gewesen. Nach dieser Vorschrift sei eine durch den Betreuer beantragte Unterbringung, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, nur zulässig, wenn sie zum Wohle des Betreuten erforderlich sei, weil aufgrund einer psychischen Krankheit oder geistigen Behinderung des Betreuten die Gefahr bestehe, dass er sich selbst töte oder erheblichen gesund­heit­lichen Schaden zufüge. So habe der Fall hier gelegen.

Psychische Krankheit bzw. geistige Behinderung durch Alkoho­l­ab­hän­gigkeit

Zwar sei es richtig, so der Bundes­ge­richtshof, dass Alkoholismus für sich gesehen keine psychische Krankheit bzw. geistige Behinderung sei, so dass allein darauf keine Unterbringung genehmigt werden dürfe. Etwas anderes gelte aber, wenn der Alkoholismus im ursächlichen Zusammenhang mit einer psychischen Erkrankung stehe oder ein auf den Alkoholmissbrauch zurück­zu­füh­render Zustand eingetreten sei, der das Ausmaß einer psychischen Erkrankung erreiche. Letzteres sei hier der Fall gewesen.

Freie Willen­s­ent­scheidung des Betroffenen aufgrund Alkoho­l­ab­hän­gigkeit ausgeschlossen

Eine Unterbringung zur Verhinderung einer Selbst­ge­fährdung infolge einer psychischen Erkrankung setze aber weiter voraus, so der Bundes­ge­richtshof, dass der Betroffene aufgrund der Krankheit seinen Willen nicht frei bestimmen könne. Dies sei hier der Fall gewesen. Der Betroffenen habe es an der Krank­heits­einsicht gefehlt. Ohne eine solche sei aber eine freie Willen­s­ent­scheidung bezüglich einer Unterbringung nicht möglich.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Beschluss22941

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI