21.11.2024
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Dokument-Nr. 14200

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Beschluss27.06.2012BundesgerichtshofXII ZB 24/12
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • JuS 2013, 260Zeitschrift: Juristische Schulung (JuS), Jahrgang: 2013, Seite: 260
  • MDR 2012, 970Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2012, Seite: 970
  • NJW-RR 2012, 1281Zeitschrift: NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (NJW-RR), Jahrgang: 2012, Seite: 1281
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Vorinstanzen:
  • Amtsgericht Heilbronn, Beschluss23.09.2011, 5 XVII 362/11
  • Landgericht Heilbronn, Beschluss15.12.2011, 1 T 437/11 Ri
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Beschluss27.06.2012

Fixierung eines Betreuten bedarf richterlicher GenehmigungDiesbezügliche Genera­l­vollmacht für Betreuer unbeachtlich

Das Anbringen von Bettgittern sowie die Fixierung im Stuhl mittels Beckengurts, stellen freihei­t­ent­ziehende Maßnahmen im Sinne des § 1906 Abs. 4 BGB dar. Das Selbst­be­stimmungs­recht des Betroffenen wird nicht dadurch verletzt, dass die Einwilligung eines von ihm Bevoll­mäch­tigten in eine freiheits­entziehende Maßnahme der gerichtlichen Entscheidung bedarf. Dies hat der Bundes­ge­richtshof entschieden.

Im zugrunde liegenden Fall erteilte die 1922 geborene Betroffene ihrem Sohn und ihrer Tochter eine Generalvollmacht. Diese enthielt unter anderem folgenden Passus: "Die Genera­l­vollmacht umfasst auch die Befugnis zu Unter­brin­gungs­maß­nahmen im Sinne von § 1906 BGB, insbesondere zu einer Unterbringung, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist […] sowie zur Vornahme von sonstigen Freiheits­ent­zie­hungs­maß­nahmen durch mechanische Vorrichtungen, Medikamente o.a. auch über einen längeren Zeitraum." In Ausübung der Vollmacht willigte der Sohn ein, Bettgitter am Bett der Betroffenen anzubringen und sie tagsüber im Stuhl mittels eines Beckengurts zu fixieren. Die Betroffene war mehrfach gestürzt und hatte sich ein Kieferbruch zugezogen. Das Betreu­ungs­gericht genehmigte die Einwilligung befristet. Dagegen wendete sich der Sohn mit seiner Beschwerde. Nach seiner Meinung, sei eine betreu­ungs­ge­richtliche Genehmigung entbehrlich und das durchgeführte Geneh­mi­gungs­ver­fahren habe das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen verletzt.

Freiheits­ent­ziehung lag vor

Der Bundes­ge­richtshof entschied gegen den Beschwer­de­führer.

Zunächst lag eine freiheits­ent­ziehende Maßnahme vor. § 1906 Abs. 4 BGB schützt die körperliche Bewegungs­freiheit und die Entschlie­ßungs­freiheit zur Fortbewegung im Sinne der Aufent­halts­freiheit. Das Anbringen von Bettgittern sowie die Fixierung im Stuhl mittels Beckengurt stellen einer Freiheits­ent­ziehung dar. Denn es konnte nicht ausgeschlossen werden, dass die Betroffene in der Lage war, das Bett durch ihren natürlichen Willen gesteuert zu verlassen. Die Betroffene war nach Angaben des Pflegepersonals noch in der Lage, selbständig sowohl aus dem Bett als auch aus dem Stuhl aufzustehen.

Geneh­mi­gungs­vor­behalt des Betreu­ungs­ge­richts

Nach § 1906 Abs. 5 in Verbindung mit Abs. 2 BGB sind solche Maßnahmen nur mit Genehmigung des Betreu­ungs­ge­richts zulässig. Der Genehmigungsvorbehalt dient dem Schutz des Betroffenen. Das Betreu­ungs­gericht hat daher, nach Auffassung des BGH, nicht nur zu prüfen, ob die Vorsorgevollmacht rechtswirksam erteilt worden ist, ob sie die Einwilligung in freiheits­ent­ziehende Maßnahmen umfasste und auch nicht zwischen­zeitlich widerrufen worden ist. Es soll insbesondere prüfen, ob eine Gefährdungslage nach § 1906 Abs. 1 BGB vorlag. Das Betreu­ungs­gericht kontrolliert daher nicht die in Ausübung des Selbst­be­stim­mungs­rechts erfolgte Entscheidung des Betroffenen, sondern die gesetzesgemäße Handhabung der Vorsor­ge­vollmacht durch den Bevoll­mäch­tigten. Diese Kontrolle dient der Sicherung des artikulierten Willens des Betroffenen (BVerfG FamRZ 2009, 945).

Beschränkung des Selbst­be­stim­mungs­rechts gerechtfertigt

Der BGH führte weiter aus, dass die gerichtliche Kontrolle durchaus eine Beschränkung des Selbst­be­stim­mungs­rechts des Betroffenen darstellt. Ihm wird die Möglichkeit genommen, eine Vorsor­ge­vollmacht über freihei­t­ent­ziehende Maßnahmen frei von gerichtlicher Kontrolle zu erteilen. Diese Beschränkung war jedoch verfas­sungs­rechtlich gerechtfertigt. Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistet das Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit nicht schrankenlos, sondern nur im Rahmen der verfas­sungs­mäßigen Ordnung. Diese sieht ein Geneh­mi­gungs­ver­fahren nach § 1906 Abs. 2 BGB zwingend vor.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)

der Leitsatz

BGB § 1906

a) Das Anbringen von Bettgittern sowie die Fixierung im Stuhl mittels eines Beckengurts stellen freiheits­ent­ziehende Maßnahmen im Sinne des § 1906 Abs. 4 BGB dar, wenn der Betroffene durch sie in seiner körperlichen Bewegungs­freiheit eingeschränkt wird. Dieses ist dann der Fall, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Betroffene zu einer willens­ge­steuerten Aufent­halts­ver­än­derung in der Lage wäre, an der er durch die Maßnahmen gehindert wird.

b) Das Selbst­be­stim­mungsrecht des Betroffenen wird nicht dadurch verletzt, dass die Einwilligung eines von ihm Bevoll­mäch­tigten in eine freiheits­ent­ziehende Maßnahme der gerichtlichen Genehmigung bedarf.

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