23.11.2024
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Dokument-Nr. 22693

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Beschluss30.09.2015BundesgerichtshofXII ZB 1/15
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • MDR 2015, 1366Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2015, Seite: 1366
  • NJW 2015, 3715Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2015, Seite: 3715
  • NJW-Spezial 2016, 5Zeitschrift: NJW-Spezial, Jahrgang: 2016, Seite: 5
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Vorinstanzen:
  • Amtsgericht Wuppertal, Beschluss10.04.2014, 67 F 120/12
  • Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil05.12.2014, II-3 UF 141/14
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Beschluss30.09.2015

BGH: Unwirksamer Verzicht auf Trennungs­un­terhalt bei Abweichung des rechnerisch zustehenden Unterhalts vom vereinbarten Unterhalt um ein DrittelFrage der Sozialhilfe­bedürftigkeit oder anderweitigen Vorteile für unterhalts­berechtigten Ehegatten für Wirksamkeit des Unter­halts­ver­zichts unerheblich

Wird durch einen Ehevertrag die Höhe des Trennungs­un­terhalts vereinbart, so ist dies jedenfalls dann als unwirksamer Unter­halts­verzicht anzusehen, wenn der rechnerisch zustehende Unterhalt um ein Drittel vom vereinbarten Unterhalt abweicht. In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob der unterhalts­berechtigte Ehegatte durch den vereinbarten Unterhalt sozialhilfe­bedürftig wird oder ob durch den Ehevertrag andere Vorteile hinsichtlich des Unterhalts gewährt werden. Dies hat der Bundes­ge­richtshof entschieden.

In dem zugrunde liegenden Fall trennte sich ein Ehepaar im Dezember 2011. Im Mai 2013 wurde die Ehe schließlich geschieden. Die Ehefrau verlangte nachfolgend für den Zeitraum Januar 2012 bis Mai 2013 Trennungsunterhalt. Nach einem Ehevertrag war der Trennungs­un­terhalt auf einen bestimmten Höchstbetrag begrenzt. Darauf verwies der Ehemann. Die Ehefrau sah in der Vereinbarung einen unwirksamen Unterhaltsverzicht und begehrte daher einen höheren Unterhalt als im Ehevertrag vereinbart. Der Fall kam schließlich vor Gericht.

Amtsgericht bejahte Anspruch auf höheren Trennungs­un­terhalt, Oberlan­des­gericht verneinte ihn

Während das Amtsgericht Wuppertal die ehevertragliche Vereinbarung für unwirksam hielt und der Ehefrau somit einen höheren Trennungs­un­terhalt zuerkannte, verneinte dies das Oberlan­des­gericht Düsseldorf. Seiner Auffassung nach sei die Vereinbarung zur Begrenzung des Trennungs­un­terhalts wirksam gewesen. Es sei zu beachten, dass die Vereinbarung, abgesehen von der Höhe, von Vorteil für die Ehefrau gewesen sei. Ihr habe nämlich auch dann ein Trennungs­un­terhalt zugestanden, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht gegeben seien. Der Ehefrau habe ein garantiertes Minde­st­un­terhalt zugestanden. Aufgrund dieser Vorteile sei die Vereinbarung insgesamt als wirksam anzusehen gewesen. Gegen diese Entscheidung erhob die Ehefrau Rechts­be­schwerde.

Bundes­ge­richtshof hält Verzicht auf Trennungs­un­terhalt für unwirksam

Der Bundes­ge­richtshof entschied zu Gunsten der Ehefrau und hob daher die Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts auf. Es sei zunächst zu beachten, dass ein Verzicht auf künftigen Trennungs­un­terhalt unwirksam sei (vgl. §§ 1361 Abs. 4 Satz 4, 1360a Abs. 3 in Verbindung mit § 1614 BGB). Dabei spiele es keine Rolle, ob die Beteiligten einen Verzicht gewollt haben. Es komme allein darauf an, ob der dem Unter­halts­be­rech­tigten von Gesetzes wegen zustehende Unterhalt verkürzt worden sei. Eventuell aufgrund des Verzichts gewährte gleichwertige Gegenleistungen seien unerheblich.

Unwirksamer Unter­halts­verzicht bei Abweichung des rechnerisch zustehenden Unterhalts vom vereinbarten Unterhalt um ein Drittel

Nach Ansicht des Bundes­ge­richtshofs stelle jedoch nicht jeder Unter­halts­verzicht eine unzulässige Unterschreitung des angemessenen Unterhalts dar. Dies sei vielmehr erst dann anzunehmen, wenn der vereinbarte Unterhalt unter Berück­sich­tigung aller Umstände so erheblich vom rechnerisch zustehenden Unterhalt abweicht, dass er nicht mehr als angemessen angesehen werden könne. Zur groben Einschätzung sei eine Unterschreitung von 20 % grundsätzlich als noch angemessen und damit zulässig anzusehen, eine solche von einem Drittel in der Regel jedoch nicht mehr. Um die Zulässigkeit der Unterschreitung überprüfen zu können, müsse die Höhe des angemessenen Unterhalts festgestellt werden. Dem sei das Oberlan­des­gericht nicht nachgekommen.

Vorteilhafte Regelungen im Ehevertrag unbeachtlich

Ob sich ein Ehevertrag durch anderweitige Regelungen als vorteilhaft für den Unter­halts­be­rech­tigten erweist, sei nach Ansicht des Bundes­ge­richtshofs unbeachtlich. Denn die Wirksamkeit der Regelung des Trennungs­un­terhalts sei isoliert zu betrachten und werde nicht durch Vereinbarungen zu anderen Punkten beeinflusst.

Kein wirksamer Unter­halts­verzicht bei fehlender Sozia­l­hil­fe­be­dürf­tigkeit des Unter­halts­be­rech­tigten

Soweit die Meinung vertreten werde, dass ein Unter­halts­verzicht bis zu der Grenze zulässig sei, von der an die Hilfs­be­dürf­tigkeit des Unter­halts­be­rech­tigten zu einem Anspruch auf Sozialhilfe führe, folgte dem der Bundes­ge­richtshof nicht. Zwar habe § 1614 BGB auch öffentliche Interessen im Blick, er diene aber gleichermaßen den Interessen des Unter­halts­be­rech­tigten.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)

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