18.10.2024
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Urteil05.11.2019BundesgerichtshofXI ZR 650/18 und IX ZR 11/19
Vorinstanz:
  • Vorinstanzen zu XI ZR 650/18: LG Bonn - Urteil vom 7. März 2018 - 19 O 364/17 OLG Köln- Urteil vom 29. November 2018 - 24 U 56/18 und Vorinstanzen zu XI ZR 11/19: LG Köln - Urteil vom 12. Juli 2018 - 22 O 110/18 OLG Köln - Urteil vom 6. Dezember 2018 - 24 U 112/18
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil05.11.2019

Widerrufs­informationen in Verbraucher­darlehens­verträgen zur Finanzierung eines Kfz-Erwerbs ordnungsgemäßBank hat ordnungsgemäße Wider­rufs­information und erforderliche Pflichtangaben beanstan­dungsfrei erteilt

Der Bundes­ge­richtshof hat in zwei Fällen entschieden, dass der jeweilige Darlehensnehmer den zur Finanzierung eines Kfz-Erwerbs geschlossenen Darle­hens­vertrag nicht wirksam widerrufen hat, weil die jeweils beklagte Bank eine ordnungsgemäße Wider­rufs­information und die erforderlichen Pflichtangaben beanstan­dungsfrei erteilt hatte.

Die Parteien des zugrunde liegenden Falls stritten jeweils um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf Abschluss von Verbrau­cher­da­r­le­hens­ver­trägen gerichteten Willen­s­er­klä­rungen der Kläger.

Sachverhalt

Die Kläger beider Verfahren erwarben jeweils ein Kraftfahrzeug, nämlich in dem einen Fall einen BMW und in dem anderen Fall einen Ford. Zugleich schlossen sie zur Finanzierung des über die vereinbarten Anzahlungen hinausgehenden Kaufpreisteils im Mai 2016 (XI ZR 650/18) bzw. Juli 2013 (XI ZR 11/19) mit den jeweiligen Banken Darle­hens­verträge zu einem gebundenen Sollzinssatz von 3,92 % p.a. und einer festen Laufzeit. Die Darle­hens­ver­trags­un­terlagen enthielten eine Wider­rufs­in­for­mation, in der u.a. für den Fall des Widerrufs über dessen Folgen informiert wird. Dort heißt es (nachfolgend die Formulierung in der Sache XI ZR 650/18; die in der Sache XI ZR 11/19 ist inhaltsgleich):

Erläuterungen
"Soweit das Darlehen bereits ausbezahlt wurde, haben Sie es spätestens innerhalb von 30 Tagen zurückzuzahlen und für den Zeitraum zwischen der Auszahlung und der Rückzahlung des Darlehens den vereinbarten Sollzins zu entrichten. Die Frist beginnt mit der Absendung der Wider­rufs­er­klärung. Für den Zeitraum zwischen Auszahlung und Rückzahlung ist bei vollständiger Inanspruchnahme des Darlehens pro Tag ein Zinsbetrag in Höhe von ,00 Euro zu zahlen. Dieser Betrag verringert sich entsprechend, wenn das Darlehen nur teilweise in Anspruch genommen wurde."

Kein ausdrücklicher Hinweis auf Möglichkeit der außer­or­dent­lichen Kündigung der Darle­hens­verträge unter bestimmten Voraussetzungen

Die jeweiligen Vertrags­un­terlagen enthalten keinen ausdrücklichen Hinweis darauf, dass der Darlehensvertrag außerordentlich unter den in § 314 BGB genannten Voraussetzungen gekündigt werden kann. Hinsichtlich einer der Bank zu zahlenden Vorfäl­lig­keits­ent­schä­digung im Falle der vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens heißt es in den Vertrags­un­terlagen, dass sich diese nach den vom Bundes­ge­richtshof "vorge­schriebenen finanz­ma­the­ma­tischen Rahmen­be­din­gungen" berechne, wobei einzelne bei der Berechnung zu berück­sich­tigende Parameter aufgeführt werden. Dargestellt sind ferner die gesetzlichen Höchstgrenzen der Vorfäl­lig­keits­ent­schä­digung.

Kläger erklären Widerruf der Darle­hens­verträge

Nach Erbringung von Zins- und Tilgungs­leis­tungen erklärten die jeweiligen Kläger im Jahr 2017 den Widerruf ihrer auf den Abschluss der Darle­hens­verträge gerichteten Willen­s­er­klä­rungen. Sie meinen, die Vertrags­un­terlagen enthielten nicht alle für das Anlaufen der 14-tägigen Widerrufsfrist vorge­schriebenen Angaben, weil nicht bzw. nicht hinreichend klar und verständlich über die Widerrufsfolgen, die Methode zur Berechnung der Vorfäl­lig­keits­ent­schä­digung und das außer­or­dentliche Kündigungsrecht nach § 314 BGB informiert worden sei. Aufgrund des wirksamen Widerrufs des Darle­hens­vertrags seien sie auch an den Kaufvertrag über das Kraftfahrzeug nicht mehr gebunden.

Klagen in den Vorinstanzen erfolglos

Die Landgerichte wiesen die unter anderem auf Rückzahlung von Zins- und Tilgungs­leis­tungen gerichteten Klagen ab. Die dagegen gerichteten Berufungen der Kläger wies das Berufungs­gericht zurück. Mit den vom Oberlan­des­gericht zugelassenen Revisionen verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter.

Zweiwöchige Widerrufsfrist wurde ordnungsgemäß in Lauf gesetzt

Der Bundes­ge­richtshof entschied, dass die Wider­rufs­in­for­ma­tionen ordnungsgemäß seien und auch die erforderlichen Pflichtangaben erteilt worden seien, so dass in beiden Verfahren die zweiwöchige Widerrufsfrist in Lauf gesetzt worden sei und die jeweiligen Kläger ihr Widerrufsrecht nicht fristgerecht ausgeübt haben. Der Bundes­ge­richtshof wies deshalb die Revisionen der beiden Kläger zurück. Zur Begründung führte das Gericht im Wesentlichen aus, dass die nach Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 2 EGBGB mitzuteilende Angabe eines zu zahlenden Zinsbetrags in der Information über die Widerrufsfolgen auch dann klar und verständlich sei, wenn sie mit ,00 Euro angegeben werde. Dies werde von einem normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher, auf den abzustellen sei, dahin verstanden, dass im Falle des Widerrufs keine Zinsen zu zahlen seien. Eine solche Regelung begegne keinen rechtlichen Bedenken. Nach § 361 Abs. 2 Satz 1 BGB dürfe von den halbzwingenden gesetzlichen Regelungen über die Widerrufsfolgen zu Gunsten des Verbrauchers abgewichen werden.

Über außer­or­dent­liches Kündigungsrecht muss nicht informiert werden

Über das außer­or­dentliche Kündigungsrecht nach § 314 BGB müsse nicht informiert werden. Dies gehöre nicht zu den Angaben über das einzuhaltende Verfahren bei der Kündigung des Vertrags nach Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EGBGB. Vielmehr beziehe sich diese Vorschrift nur auf das - in der Verbrau­cher­kre­di­t­richtlinie 2008/48/EG vorgesehene - Kündigungsrecht nach § 500 Abs. 1 BGB.

Informationen zu Voraussetzungen und Berech­nungs­methode für Anspruch auf Vorfäl­lig­keits­ent­schä­digung wurden ordnungsgemäß erteilt

Die nach Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB erforderlichen Informationen zu den Voraussetzungen und der Berech­nungs­methode für den Anspruch auf Vorfäl­lig­keits­ent­schä­digung seien ordnungsgemäß erteilt worden. Im Hinblick auf eine hinreichende Transparenz und Nachvoll­zieh­barkeit der Berech­nungs­methode genüge es, wenn der Darlehensgeber die für die Berechnung der Vorfäl­lig­keits­ent­schä­digung wesentlichen Parameter in groben Zügen benennt. Demgegenüber bedürfe es nicht der Darstellung einer finanz­ma­the­ma­tischen Berech­nungs­formel, weil eine solche zu Klarheit und Verständ­lichkeit nichts beitrüge.

Information über Verzugszinssatz und dessen Anpassung nicht zu beanstanden

Schließlich sei auch die Information über den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung nach Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB nicht zu beanstanden. Soweit den Klägern der zum Zeitpunkt des Vertrags­schlusses geltende konkrete Prozentsatz des Verzugszinses nicht mitgeteilt worden sei, sei dies unschädlich gewesen. Wegen der halbjährlichen Veränderbarkeit des Basiszinssatzes und der damit verbundenen Bedeu­tungs­lo­sigkeit des Verzugs­zins­satzes bei Vertragsschluss habe es dessen nicht bedurft.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten (nach dem in der Sache XI ZR 650/18 maßgeblichen geltenden Rechtsstand):

§ 355 BGB

(1) Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so sind der Verbraucher und der Unternehmer an ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willen­s­er­klä­rungen nicht mehr gebunden, wenn der Verbraucher seine Willen­s­er­klärung fristgerecht widerrufen hat. Der Widerruf erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer. Aus der Erklärung muss der Entschluss des Verbrauchers zum Widerruf des Vertrags eindeutig hervorgehen. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.

(2) Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage. Sie beginnt mit Vertragsschluss, soweit nichts anderes bestimmt ist.

[...]

§ 358 Abs. 2 BGB

(2) Hat der Verbraucher seine auf den Abschluss eines Darle­hens­vertrags gerichtete Willen­s­er­klärung auf Grund des § 495 Absatz 1 oder des § 514 Absatz 2 Satz 1 wirksam widerrufen, so ist er auch nicht mehr an diejenige Willen­s­er­klärung gebunden, die auf den Abschluss eines mit diesem Darle­hens­vertrag verbundenen Vertrags über die Lieferung einer Ware oder die Erbringung einer anderen Leistung gerichtet ist.

§ 492 Abs. 2 BGB

(2) Der Vertrag muss die für den Verbrau­cher­da­r­le­hens­vertrag vorge­schriebenen Angaben nach Artikel 247 §§ 6 bis 13 des Einfüh­rungs­ge­setzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche enthalten.

§ 495 Abs. 1 BGB

(1) Dem Darlehensnehmer steht bei einem Verbrau­cher­da­r­le­hens­vertrag ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB zu.

Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB

(1) Die Unterrichtung vor Vertragsschluss muss folgende Informationen enthalten:

[...]

11.den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung sowie gegebenenfalls anfallende Verzugskosten,

[...]

Art. 247 § 6 Abs. 1 und Abs. 2 EGBGB

(1) Der Verbrau­cher­da­r­le­hens­vertrag muss klar und verständlich folgende Angaben enthalten:

1.die in § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 14 und Abs. 4 genannten Angaben,

[...]

5.das einzuhaltende Verfahren bei der Kündigung des Vertrags,

[...]

(2) Besteht ein Widerrufsrecht nach § 495 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, müssen im Vertrag Angaben zur Frist und zu anderen Umständen für die Erklärung des Widerrufs sowie ein Hinweis auf die Verpflichtung des Darle­hens­nehmers enthalten sein, ein bereits ausbezahltes Darlehen zurückzuzahlen und Zinsen zu vergüten. Der pro Tag zu zahlende Zinsbetrag ist anzugeben. [...]

Art. 247 § 7 Abs. 1 EGBGB

(1) Der Allgemein-Verbrau­cher­da­r­le­hens­vertrag muss folgende klar und verständlich formulierte weitere Angaben enthalten, soweit sie für den Vertrag bedeutsam sind:

[...]

3.die Berech­nungs­methode des Anspruchs auf Vorfäl­lig­keits­ent­schä­digung, soweit der Darlehensgeber beabsichtigt, diesen Anspruch geltend zu machen, falls der Darlehensnehmer das Darlehen vorzeitig zurückzahlt,

[...]

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online (pm/kg)

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