21.11.2024
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Bundesgerichtshof Urteil16.05.2006

"Schrot­tim­mo­bilien" - Bundes­ge­richtshof räumt Käufern Bewei­ser­leich­te­rungen einBundes­ge­richtshof entscheidet zu kredit­fi­nan­zierten Schrot­tim­mo­bilien

Verbraucher, die zur Finanzierung ihrer Eigen­tums­wohnung einen geschlossenen Realkre­dit­vertrag nach den Vorschriften des Haustür­wi­der­rufs­ge­setzes widerrufen haben, haben jetzt mehr Rechte. Der Bundes­ge­richtshof (BGH) in Karlsruhe hat im Nachgang auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs Verbrauchern im Falle eines insti­tu­ti­o­na­li­sierten Zusammenwirkens der kreditgebenden Bank mit dem Verkäufer oder Vertreiber des finanzierten Objekts Bewei­ser­leich­te­rungen eingeräumt. Unter erleichterten Voraussetzungen können sich jetzt Verbraucher auf einen die Aufklä­rungs­pflicht auslösenden konkreten Wissens­vor­sprung der finanzierenden Bank im Zusammenhang mit einer arglistigen Täuschung des Anlegers durch unrichtige Angaben der Vermittler, Verkäufer oder Fonds­i­n­i­ti­atoren bzw. des Fondsprospekts über das Anlageobjekt berufen.

Der Bundes­ge­richtshof hatte darüber zu entscheiden, welche Rechte Verbrauchern zustehen, die ihren zur Finanzierung einer Eigentumswohnung geschlossenen Realkre­dit­vertrag nach den Vorschriften des Haustür­wi­der­rufs­ge­setzes widerrufen haben.

Die Kläger waren 1995 von einem Vermittler in ihrer Privatwohnung geworben worden, zum Zwecke der Steuerersparnis ohne nennenswertes Eigenkapital eine Eigen­tums­wohnung zu kaufen. Sie schlossen deshalb zunächst einen entsprechenden notariellen Kaufvertrag ab und traten einer Mietein­nah­me­ge­sell­schaft bei. Zur Finanzierung des Kaufpreises schloss sodann die beklagte Bausparkasse als Vertreterin einer Bank mit den Käufern einen Darlehensvertrag, wobei das den Käufern gewährte Vorausdarlehen mit Hilfe von zwei bei der Beklagten abgeschlossenen anzusparenden Bauspa­r­ver­trägen getilgt werden sollte. Eine Belehrung der Käufer und Darlehensnehmer nach dem Haustür­wi­der­rufs­gesetz erfolgte nicht. Die Käufer bestellten für die Bausparkasse eine Grundschuld an der gekauften Eigen­tums­wohnung über die Darlehenssumme, übernahmen dafür die persönliche Haftung und unterwarfen sich der Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen. Nachdem die Kläger das aufgenommene Vorausdarlehen einige Jahre bedient hatten, widerriefen sie ihre Darle­hens­ver­trags­er­klä­rungen, da sie über ihr Widerrufsrecht nach dem Haustür­wi­der­rufs­gesetz nicht belehrt worden seien. Mit ihrer Klage wenden sie sich gegen die Zwangs­voll­streckung der beklagten Bausparkasse, an die die darle­hens­gebende Bank ihre Ansprüche abgetreten hat. Sie machen insbesondere geltend, mit Rücksicht auf die unterbliebene Widerrufsbelehrung nach dem Haustür­wi­der­rufs­gesetz könnten sie die Rückzahlung des Darlehens verweigern und die Bausparkasse auf die gekaufte Eigen­tums­wohnung verweisen. Außerdem behaupten sie, über die mit der Eigen­tums­wohnung verbundenen Risiken, insbesondere die tatsächlich zu erzielende Miete und den Wert der Wohnung getäuscht bzw. nicht hinreichend aufgeklärt worden zu sein. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Das Berufungs­gericht hat aber die Revision zugelassen.

Der XI. Zivilsenat hatte die Verhandlung zunächst zurückgestellt, um die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) auf die Vorlage des Landgerichts Bochum in einer Sache abzuwarten, an der die beklagte Bausparkasse beteiligt ist. Nachdem die Entscheidung des EuGH am 25. Oktober 2005 ergangen ist, hatte der XI. Zivilsenat nun unter anderem zu entscheiden, welche Konsequenzen aus dem Urteil des EuGH zu ziehen sind. Er ist hierbei zu folgendem Ergebnis gelangt:

Es besteht auch im Hinblick auf die Europäische Haustür­ge­schäf­te­richtlinie kein Anlass, die ständige Rechtsprechung des Senats zu ändern, nach welcher der Verbraucher nach dem Widerruf des Darle­hens­ver­trages gemäß § 3 Haustür­wi­der­rufs­gesetz (HWiG) zur sofortigen Rückzahlung der Darlehensvaluta zuzüglich marktüblicher Zinsen verpflichtet ist. Der EuGH hat ausdrücklich betont, dass dies auch in Fällen, in denen die Darlehensvaluta nach dem für die Kapitalanlage entwickelten Konzept unmittelbar an den Verkäufer zum Erwerb der Immobilie ausgezahlt wird, der Haustür­ge­schäf­te­richtlinie entspricht. Auch soweit der EuGH gemeint hat, Art. 4 der Haustür­ge­schäf­te­richtlinie verpflichte die Mitgliedstaaten, dafür zu sorgen, den Verbraucher vor den Risiken einer kredit­fi­nan­zierten Kapitalanlage zu schützen, die er im Falle einer Wider­rufs­be­lehrung der kreditgebenden Bank hätte vermeiden können, bestehen weder Grund noch Möglichkeit zu einer anderslautenden richt­li­ni­en­kon­formen Auslegung des § 3 HWiG.

Die Frage, ob im Hinblick auf die genannte Vorgabe des EuGH aus der unterbliebenen Wider­rufs­be­lehrung – wie in Literatur und Rechtsprechung zum Teil vertreten - ein Schaden­s­er­satz­an­spruch der Kläger folgen könnte, hat der Senat offen gelassen. Ein derartiger Schaden­s­er­satz­an­spruch wegen unterbliebener Wider­rufs­be­lehrung scheidet hier nämlich schon wegen Fehlens der erforderlichen Kausalität aus, weil die Kläger den Kaufvertrag bereits geschlossen hatten, bevor es zum Abschluss des Darle­hens­ver­trages kam. Die Erteilung einer Wider­rufs­be­lehrung konnte sie daher vor den Risiken ihres Immobilienkaufs nicht mehr schützen.

Der XI. Zivilsenat hat aber im Interesse der Effektivierung des Verbrau­cher­schutzes bei realkre­dit­fi­nan­zierten Wohnungskäufen und Immobi­li­en­fonds­be­tei­li­gungen, die nicht als verbundene Geschäfte behandelt werden können, und um dem in den Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 25. Oktober 2005 zum Ausdruck kommenden Gedanken des Verbrau­cher­schutzes vor Risiken von Kapita­l­an­la­ge­mo­dellen im nationalen Recht Rechnung zu tragen, seine Rechtsprechung zum Bestehen von eigenen Aufklä­rungs­pflichten der kreditgebenden Bank in diesen Fällen ergänzt. Danach können sich die Anleger in Fällen eines insti­tu­ti­o­na­li­sierten Zusammenwirkens der kreditgebenden Bank mit dem Verkäufer oder Vertreiber des finanzierten Objekts unter erleichterten Voraussetzungen mit Erfolg auf einen die Aufklä­rungs­pflicht auslösenden konkreten Wissens­vor­sprung der finanzierenden Bank im Zusammenhang mit einer arglistigen Täuschung des Anlegers durch unrichtige Angaben der Vermittler, Verkäufer oder Fonds­i­n­i­ti­atoren bzw. des Fondsprospekts über das Anlageobjekt berufen. Die eine eigene Aufklä­rungs­pflicht auslösende Kenntnis der Bank von einer solchen arglistigen Täuschung wird widerleglich vermutet, wenn Verkäufer oder Fonds­i­n­i­ti­atoren, die von ihnen beauftragten Vermittler und die finanzierende Bank in insti­tu­ti­o­na­li­sierter Art und Weise zusammenwirken, auch die Finanzierung der Kapitalanlage vom Verkäufer oder Vermittler angeboten wurde und die Unrichtigkeit der Angaben des Verkäufers, Fondsinitiators oder der für sie tätigen Vermittler bzw. des Verkaufs- oder Fondsprospekts nach den Umständen des Falles evident ist, so dass sich aufdrängt, die Bank habe sich der Kenntnis der arglistigen Täuschung geradezu verschlossen.

Der Bundes­ge­richtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungs­gericht zurückverwiesen, damit dieses Feststellungen zu der von den Klägern behaupteten arglistigen Täuschung und der Frage eines insti­tu­ti­o­na­li­sierten Zusammenwirkens der beklagten Bausparkasse mit den Vermittlern treffen kann.

Vorinstanzen

OLG Hamm, Urteil vom 1. Dezember 2003 – 5 U 125/03

LG Dortmund, Urteil vom 4. April 2003 – 6 O 504/02

Siehe auch:

BGH, Urt. v. 25.04.2006: Bankensenat des BGH setzt sich durch - weniger Anlegerschutz bei Schrot­tim­mo­bilien

BGH, Urt. v. 12.12.2005 Schrot­tim­mo­bilien: Bundes­ge­richtshof stärkt Widerrufsrecht bei Haustür­ge­schäften

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 77/06 des BGH vom 16.05.2006

der Leitsatz

HWiG §§ 1, 3 (Fassung bis 30. September 2000); BGB a.F. §§ 123, 276 (Fb)

a) Auch angesichts der Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaf-ten vom 25. Oktober 2005 (Rs. C-350/03, WM 2005, 2079 ff. Schulte und Rs. C-229/04, WM 2005, 2086 ff. Crailsheimer Volksbank) verbleibt es dabei, dass der Darlehensgeber im Fall des wirksamen Widerrufs (§ 1 Abs. 1 HWiG) eines Realkre­dit­ver­trages gemäß § 3 Abs. 1 HWiG Anspruch auf Erstattung des ausgezahlten Netto­kre­dit­be­trages sowie auf dessen marktübliche Verzinsung hat (Fortsetzung von BGHZ 152, 331).

b) Der im Anschluss an die Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 25. Oktober 2005 (Rs. C-350/03, WM 2005, 2079 ff. Schulte und Rs. C-229/04, WM 2005, 2086 ff. Crailsheimer Volksbank) in Rechtsprechung und Literatur erwogene Schaden­s­er­satz­an­spruch des Verbrauchers wegen unterbliebener Wider­rufs­er­klärung scheidet jedenfalls in all den Fällen aus, in denen der Verbraucher bei Abschluss des Darle­hens­ver­trages bereits an seine Erklärung zum Abschluss des Immobi­li­en­kauf­vertrags gebunden ist.

c) In Fällen eines insti­tu­ti­o­na­li­sierten Zusammenwirkens der kreditgebenden Bank mit dem Verkäufer oder Vertreiber eines finanzierten Objekts können sich Anleger unter erleichterten Voraussetzungen mit Erfolg auf einen die Aufklä­rungs­pflicht auslösenden konkreten Wissens­vor­sprung der finanzierenden Bank im Zusammenhang mit einer arglistigen Täuschung des Anlegers durch unrichtige Angaben der Vermittler, Verkäufer oder Fonds­i­n­i­ti­atoren bzw. des Fondsprospekts über das Anlageobjekt berufen. Die eine eigene Aufklä­rungs­pflicht auslösende Kenntnis der Bank von einer solchen arglistigen Täuschung wird widerleglich vermutet, wenn Verkäufer oder Fonds­i­n­i­ti­atoren, die von ihnen beauftragten Vermittler und die finanzierende Bank in insti­tu­ti­o­na­li­sierter Art und Weise zusammenwirken, auch die Finanzierung der Kapitalanlage vom Verkäufer oder Vermittler angeboten wurde und die Unrichtigkeit der Angaben des Verkäufers, Fondsinitiators oder der für sie tätigen Vermittler bzw. des Verkaufs- oder Fondsprospekts nach den Umständen des Falles evident ist, so dass sich aufdrängt, die Bank habe sich der Kenntnis der arglistigen Täuschung geradezu verschlossen.

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