21.11.2024
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Dokument-Nr. 2263

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Bundesgerichtshof Urteil25.04.2006

Bankensenat des BGH setzt sich durch - weniger Anlegerschutz bei Schrot­tim­mo­bilienBGH legt internen Streit zwischen dem II. und XI. Senat bei

Die Meinungs­ver­schie­den­heiten zwischen dem II. und XI. Zivilsenat des Bundes­ge­richtshofs in Fällen kredit­fi­nan­zierten Erwerbs von Anteilen an geschlossenen Immobilienfonds sind beigelegt. Der Bankensenat gewann die Oberhand.

Der Bundes­ge­richtshof hatte über verschiedene Klagen zu entscheiden, in denen es um kredit­fi­nan­zierte Beteiligungen von Verbrauchern an geschlossenen Immobilienfonds ging. Die Fonds waren in der Rechtsform von Gesellschaften bürgerlichen Rechts gegründet worden. Geschäfts­ge­genstand war die Errichtung und Vermietung von Gebäuden. Die Anleger waren jeweils von Vermittlern geworben worden, sich zu Steuer­spa­r­z­wecken an den Fonds zu beteiligen. Der Beitritt sollte über Bankkredite finanziert werden.

In zwei Fällen erfolgten der Fondsbeitritt und die Aufnahme der Finan­zie­rungs­kredite, die durch Grundschulden an Grundstücken des Fonds gesichert waren, durch Treuhänder, denen die Anleger umfassende notarielle Vollmachten erteilt hatten. Außerdem hatten sie die Treuhänder zusätzlich in einem von ihnen selbst unterzeichneten Zeich­nungs­schein beauftragt, den Beitritt zu dem Immobilienfonds zu bewirken und die erforderlichen Finan­zie­rungs­kredite aufzunehmen. Die Treuhänder verfügten nicht über eine Erlaubnis nach dem Rechts­be­ra­tungs­gesetz, soweit diese erforderlich war.

In zwei Fällen wurden die Darle­hens­verträge durch die Anleger selbst abgeschlossen. Bei diesen Darlehen handelte es sich nicht um durch Grundschulden gesicherte Kredite. Nur in einem Fall erfolgte der Abschluss durch den Anleger in einer Haustür­si­tuation.

In den zur Entscheidung stehenden Fällen haben sich Rechtsfragen gestellt, die der XI. Zivilsenat des Bundes­ge­richtshofs aus seiner Zuständigkeit für das Darlehens- und Verbrau­cher­kre­ditrecht und der II. Zivilsenat als der für das Gesell­schaftsrecht zuständige Senat des Bundes­ge­richtshofs in der Vergangenheit unterschiedlich gesehen haben. Beide Senate haben die dadurch hervorgerufenen Differenzen und Lösungs­mög­lich­keiten miteinander eingehend erörtert. Dabei hat sich erwiesen, dass die spezifisch gesell­schafts­recht­lichen Fragen, die nach Meinung beider Senate in der Vergangenheit zu der Befassung des II. Zivilsenats mit Fällen der kredit­fi­nan­zierten Fonds­be­tei­li­gungen geführt haben, zwischen­zeitlich geklärt worden sind (BGHZ 156, 46 ff.) und nunmehr – auch in den heute entschiedenen Fällen – die die Primä­r­zu­stän­digkeit des XI. Zivilsenats begründenden darlehens- und verbrau­cher­kre­dit­recht­lichen Probleme im Vordergrund stehen. Den hierzu von dem XI. Zivilsenat entwickelten Lösungen widerspricht der II. Zivilsenat vor allem im Hinblick auf die Ausführungen des XI. Zivilsenats in dem Rechtsstreit XI ZR 106/05 (unter IV 3. – 5.), die die mögliche Haftung der Bank für bestimmte Fallkon­stel­la­tionen betreffen, nicht.

Dementsprechend werden die in den entschiedenen Fällen aufgetretenen einschlägigen Fragen von dem XI. Zivilsenat wie folgt beantwortet:

1. Der Erwerb eines Immobi­li­en­fond­s­anteils und das Darlehen, das zur Finanzierung dieses Erwerbes dient und nicht von der Sicherung durch ein Grundpfandrecht abhängig ist, sind ein verbundenes Geschäft im Sinne von § 9 Abs. 1 VerbrKrG, wenn zwischen beiden Verträgen eine wirtschaftliche Einheit besteht. Eine wirtschaftliche Einheit wird unwiderleglich vermutet, wenn der Kreditvertrag nicht aufgrund eigener Initiative des Kreditnehmers zustande kommt, der von sich aus die Bank um Finanzierung seines Anlagegeschäfts ersucht, sondern deshalb, weil der Vertrie­bs­be­auf­tragte des Anlage­ver­treibers dem Interessenten zugleich mit den Anlage­un­terlagen einen Kreditantrag des Finan­zie­rungs­in­stituts vorgelegt hat, das sich zuvor dem Anlage­ver­treiber gegenüber zur Finanzierung bereit erklärt hatte (Bestätigung von BGHZ 156, 46 ff. (II. Zivilsenat) und Senatsurteil vom 23. September 2003 XI ZR 135/02, WM 2003, 2232 f.).

Ist ein Darlehensnehmer durch falsche Angaben zum Erwerb einer Fonds­be­tei­ligung bewogen worden, kann er bei Vorliegen eines verbundenen Geschäfts im Sinne von § 9 Abs. 1 VerbrKrG auch der die Fonds­be­tei­ligung finanzierenden Bank seine Ansprüche gegen die Fonds­ge­sell­schaft entgegenhalten und gemäß § 9 Abs. 3 VerbrKrG die Rückzahlung des Kredits verweigern, soweit ihm gegen die Fonds­ge­sell­schaft ein Abfin­dungs­an­spruch zusteht (Bestätigung von BGHZ 156, 46 ff. (II. Zivilsenat) und Senatsurteil vom 23. September 2003 XI ZR 135/02, WM 2003, 2232 f.).

Darüber hinaus kann er den mit dem Anlagevertrag gemäß § 9 Abs. 1 VerbrKrG verbundenen Darlehensvertrag nach § 123 BGB anfechten, wenn die Täuschung auch für dessen Abschluss kausal war. Den daneben bestehenden Anspruch aus Verschulden bei Vertragsschluss gegen den Vermittler kann der Darlehensnehmer ebenfalls gegen die kreditgebende Bank geltend machen, da der Vermittler bei einem verbundenen Geschäft nicht Dritter im Sinne von § 123 Abs. 2 BGB ist.

Dagegen kann er Ansprüche gegen Gründungs­ge­sell­schafter, Fonds­i­n­i­ti­atoren, maßgebliche Betreiber, Manager und Prospekt­her­ausgeber dem Rückzah­lungs­ver­langen der Bank nicht gemäß § 9 Abs. 3 VerbrKrG entgegensetzen (Abweichung von BGHZ 159, 280 ff.; 159, 294 ff., II. Zivilsenat).

Wird ein Darle­hens­vertrag nach § 1 Abs. 1 HWiG widerrufen und bildet er mit dem finanzierten Fondsbeitritt ein verbundenes Geschäft im Sinne von § 9 Abs. 1 VerbrKrG, erfordert der Zweck der gesetzlichen Wider­rufs­re­gelung, dass dem Darlehensgeber nach Widerruf kein Zahlungs­an­spruch gegen den Darlehensnehmer zusteht. Die Rückabwicklung hat in diesem Falle unmittelbar zwischen dem Kreditgeber und dem Partner des finanzierten Geschäfts zu erfolgen (Bestätigung von BGHZ 133, 254 ff., XI. Zivilsenat). Der Kreditnehmer kann die von ihm selbst auf das Darlehen gezahlten Beträge vom Kreditgeber zurückverlangen, nicht aber die ihm zugeflossenen Fonds­aus­schüt­tungen.

2. Die Annahme eines verbundenen Geschäfts im Sinne des § 9 Abs. 1 VerbrKrG scheidet aus, wenn es sich bei dem Darle­hens­vertrag um einen Realkre­dit­vertrag im Sinne des § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG handelt. Ein solcher liegt auch dann vor, wenn nicht der Erwerber, sondern der Fonds das Grundpfandrecht bestellt hat (Abweichung von BGHZ 159, 294 ff., II. Zivilsenat; Fortsetzung von BGHZ 161, 15 ff., XI. Zivilsenat).

3. Für den Empfang eines Darlehens im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 1 VerbrKrG ist es unerheblich, ob ein verbundenes Geschäft vorliegt. Daher wird auch in Fällen, in denen Darle­hens­vertrag und Fondsbeitritt ein verbundenes Geschäft gemäß § 9 Abs. 1 VerbrKrG darstellen, ein wegen fehlender Gesamt­be­trags­angabe nichtiger Darle­hens­vertrag gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 VerbrKrG gültig, wenn dem Kreditnehmer die Darlehensvaluta nicht direkt zugeflossen, sondern vertragsgemäß unmittelbar an einen Treuhänder zum Erwerb des Fondsanteils ausgezahlt worden ist (Abweichung von BGHZ 159, 294 ff., II. Zivilsenat)

Auch für die Frage, ob in den Fällen nichtiger Vollmacht des gegen das Rechts­be­ra­tungs­gesetz verstoßenden Treuhänders zugunsten der kreditgebenden Bank eine Rechts­schein­haftung nach §§ 171, 172 BGB eingreift, kommt es nicht darauf an, ob Kreditvertrag und Fondsbeitritt ein verbundenes Geschäft im Sinne des § 9 VerbrKrG sind (Abweichung von BGHZ 159, 294 ff., II. Zivilsenat; Fortsetzung von BGHZ 161, 15 ff., XI. Zivilsenat).

4. Sofern die dem Treuhänder erteilte umfassende Vollmacht wegen Verstoßes gegen das Rechts­be­ra­tungs­gesetz unwirksam ist, kann der Treuhänder zum Abschluss des Darle­hens­ver­trages für den Anleger gleichwohl befugt sein, wenn ihm in einem Zeich­nungs­schein gesondert Vollmacht erteilt ist und dieser Zeich­nungs­schein der Bank vorgelegt worden ist.

Die Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 25. Oktober 2005 (NJW 2005, 3551 ff. – Schulte und NJW 2005, 3555 ff. – Crailsheimer Volksbank) zu den Folgen einer unterbliebenen Wider­rufs­be­lehrung nach der Haustür­ge­schäf­te­richtlinie waren für die ergangenen Urteile nicht von Bedeutung, weil es sich in drei Fällen nicht um Haustür­ge­schäfte gehandelt hat und weil der Anleger im vierten Fall bereits nach der Securenta-Rechtsprechung des XI. Zivilsenats (BGHZ 133, 254 ff.) vor den Risiken eines kredit­fi­nan­zierten verbundenen Geschäfts geschützt wird.

Erläuterungen

Vorinstanzen zum Az. XI ZR 193/04

LG Ravensburg, Urteil vom 29. Januar 2004 – 2 O 328/03

OLG Stuttgart, Urteil vom 18. Mai 2004 – 6 U 30/04

Vorinstanzen zum Az. XI ZR 29/05

Amtsgericht Hamburg-Altona, Urteil vom 27. Juni 2002 – 317 C 90/02

Landgericht Hamburg, Urteil vom 20. Januar 2005 – 327 S 112/02

Vorinstanzen zum Az. XI ZR 106/05

LG Mosbach, Urteil vom 26. Oktober 2004 – 2 O 155/04

OLG Karlsruhe, Urteil vom 23. Mai 2005 – 6 U 244/04

Vorinstanzen zum Az. XI ZR 219/04

Landgericht München I, Urteil vom 23. September 2003 – 28 O 11074/03

OLG München, Urteil vom 17. Juni 2004 – 19 U 5236/03

siehe auch

Schrot­tim­mo­bilien: Bundes­ge­richtshof stärkt Widerrufsrecht bei Haustür­ge­schäften

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 62/06 des BGH vom 25.04.2006

der Leitsatz

HWiG §§ 1, 3

VerbrKrG § 6 Abs. 2, § 9 Abs. 1

(jeweils in der bis zum 30. September 2000 geltenden Fassung)

a) Wenn der nach § 1 Abs. 1 HWiG widerrufene Darle­hens­vertrag und der finanzierte Fondsbeitritt ein verbundenes Geschäft im Sinne von § 9 Abs. 1 VerbrKrG bilden, erfordert der Zweck der gesetzlichen Wider­rufs­re­gelung, dass dem Darlehensgeber nach Widerruf kein Zahlungs­an­spruch gegen den Darlehensnehmer zusteht. Die Rückabwicklung hat in diesem Falle unmittelbar zwischen dem Kreditgeber und dem Partner des finanzierten Geschäfts zu erfolgen (Bestätigung von BGHZ 133, 254 ff.).

b) Eine wirtschaftliche Einheit im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 2 VerbrKrG wird unwiderleglich vermutet, wenn der Kreditvertrag nicht aufgrund eigener Initiative des Kreditnehmers zustande kommt, der von sich aus die Bank um Finanzierung seines Anlagegeschäfts ersucht, sondern deshalb, weil der Vertrie­bs­be­auf­tragte des Anlage­ver­treibers dem Interessenten zugleich mit den Anlage­un­terlagen einen Kreditantrag des Finan­zie­rungs­in­stituts vorgelegt hat, das sich zuvor dem Anlage­ver­treiber gegenüber zur Finanzierung bereit erklärt hatte (Bestätigung von BGHZ 156, 46 ff. und Senatsurteil vom 23. September 2003 - XI ZR 135/02, WM 2003, 2232 f.).

c) Auch bei notarieller Beurkundung des finanzierten Geschäfts kann aufgrund der Verbundenheit der beiden Verträge eine Befreiung des Kreditnehmers von der Pflicht zur Darle­hens­rü­ck­zahlung nach § 3 HWiG geboten sein.

d) Der Kreditnehmer kann nur die von ihm selbst auf das Darlehen gezahlten Beträge vom Kreditgeber zurückverlangen, nicht aber die ihm zugeflossenen Fonds­aus­schüt­tungen.

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