18.10.2024
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Sie sehen einen Gerichtshammer, der auf verschiedenen Geldscheinen liegt.

Dokument-Nr. 23892

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Urteil21.02.2017BundesgerichtshofXI ZR 381/16
Vorinstanzen:
  • Amtsgericht Krefeld, Urteil24.09.2015, 12a C 120/14
  • Landgericht Krefeld, Urteil01.07.2016, 1 S 89/15
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil21.02.2017

BGH: Wirksamkeit einer Wider­rufs­be­lehrung bei einem PräsenzgeschäftAufhe­bungs­vertrag hindert anschließenden Widerruf nicht

Zur Frage, welche Bedeutung den besonderen Umständen der konkreten Vertrags­si­tuation bei der Bewertung von Wider­rufs­be­leh­rungen zukommt, musste der Bundes­ge­richtshof nunmehr Stellung nehmen.

Im hier zu entscheidenden Fall verlangen die Kläger nach Widerruf ihrer auf Abschluss eines Darle­hens­vertrags gerichteten Willenserklärung die Erstattung der von ihnen gezahlten Vorfälligkeitsentschädigung. Sie schlossen mit der Beklagten am 15. Februar 2006 zur Finanzierung einer Immobilie einen Verbrau­cher­da­r­le­hens­vertrag über nominal 106.000 € mit einer Laufzeit von zehn Jahren. Der Vertrags­ab­schluss gestaltete sich so, dass ein Mitarbeiter der Beklagten und die Kläger - alle drei zeitgleich an einem Ort anwesend - die den Klägern erstmals vorgelegten schriftlichen Vertrags­un­terlagen unterzeichneten. Dem Darlehensvertrag war eine Widerrufsbelehrung beigefügt, die unter anderem folgenden Passus enthielt:

"Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag[,] nachdem Ihnen

- eine Ausfertigung dieser Wider­rufs­be­lehrung und

- die Vertragsurkunde, der schriftliche Vertragsantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Vertragsantrags

zur Verfügung gestellt wurden".

Nach Leistung der Vorfäl­lig­keits­ent­schä­digung Widerruf der Willen­s­er­klärung

Im Herbst 2014 wollten die Kläger die finanzierte Immobilie verkaufen. Deshalb traten sie an die Beklagte heran, um das Darlehen vorzeitig abzulösen. Die Beklagte machte den Abschluss einer "Aufhe­bungs­ver­ein­barung" von der Zahlung einer Vorfäl­lig­keits­ent­schä­digung in Höhe von 4.569,82 € abhängig. Die Kläger gaben eine darauf gerichtete Willen­s­er­klärung am 21. Oktober 2014 "unter dem Vorbehalt einer Überprüfung des geschlossenen Darle­hens­ver­trages einschließlich der Wider­rufs­be­lehrung" ab. Sie entrichteten die von der Beklagten beanspruchte Vorfäl­lig­keits­ent­schä­digung. Unter dem 21. November 2014 widerriefen sie ihre auf Abschluss des Darle­hens­vertrags gerichtete Willen­s­er­klärung.

Kläger scheitern mit Zahlungs­be­gehren in Vorinstanzen

Das Amtsgericht hat die Klage auf Erstattung der Vorfäl­lig­keits­ent­schä­digung und vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit ihrer vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr Zahlungs­be­gehren weiter.

BGH: Neuverhandlung durch LG

Der Bundes­ge­richtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Dabei waren im Wesentlichen folgende Überlegungen leitend:

Wider­rufs­be­lehrung unzureichend formuliert

Die von der Beklagten erteilte Wider­rufs­be­lehrung ist als vorformulierte Erklärung gemäß den im Recht der Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen geltenden Grundsätzen objektiv auszulegen. Nach dieser Maßgabe ist sie unzureichend deutlich formuliert, weil sie entgegen der für die Vertrags­be­zie­hungen der Parteien maßgebenden Rechtslage so verstanden werden kann, die Widerrufsfrist laufe unabhängig von der Abgabe der Vertrags­er­klärung des Verbrauchers an.

Keine Korrektur der Wider­rufs­be­lehrung durch konkludentes gemeinsames Verständnis

Ob die Kläger die anlässlich eines Präsenz­ge­schäfts erteilte Belehrung in Übereinstimmung mit der Beklagten stillschweigend richtig dahin verstanden haben, das Anlaufen der Frist setze die Abgabe ihrer Vertrags­er­klärung voraus, ist unerheblich. Denn der Verbraucher war hier zu seinen Gunsten zwingend in Textform zu belehren, so dass die Wider­rufs­be­lehrung nicht anhand eines konkludenten gemeinsamen Verständnisses der Vertrags­parteien korrigiert werden kann. Auf die Kausalität des Beleh­rungs­fehlers kommt es nicht an.

Verstoß gegen Treu und Glauben durch Ausübung des Widerrufsrecht

Der Bundes­ge­richtshof hat außerdem seine Rechts­auf­fassung bestätigt, dass eine Aufhe­bungs­ver­ein­barung einen anschließenden Widerruf nicht hindert.

Das Landgericht wird nach Zurück­ver­weisung der Sache nunmehr anhand der vom Bundes­ge­richtshof in seinen Entscheidungen vom 12. Juli 2016 (vgl. Presse­mit­teilung Nr. 118/2016 und Nr. 119/2016) niedergelegten und vom Landgericht, das vorher entschieden hat, noch nicht berück­sich­tigten Grundsätze der Frage nachzugehen haben, ob die Kläger mit der Ausübung des Widerrufsrechts gegen Treu und Glauben verstoßen haben.

Quelle: Bundesgerichtshof/ ra-online

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