18.10.2024
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Dokument-Nr. 14182

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Bundesgerichtshof Urteil18.09.2012

Bundes­ge­richtshof zur Haftung für fehlerhaften Prospekt für außerbörslich gehandelte WertpapiereMöglichkeit der Erteilung nachteiliger Weisungen durch beherrschende Konzern­mut­ter­ge­sell­schaft an beherrschte Konzern­toch­ter­ge­sell­schaft sind in Wertpapier-Verkauf­sprospekt vollständig darzustellen

Der Bundes­ge­richtshof hat grundlegend zu den Voraussetzungen einer Haftung nach der seit dem 1. Januar 1991 in § 13 VerkProspG* und seit dem 1. Juni 2012 inhaltsgleich in § 22 des Wertpa­pier­pro­spekt­ge­setzes (WpPG) kodifizierten Prospekthaftung für außerbörslich gehandelte Wertpapiere Stellung genommen.

In dem der Entscheidung zugrun­de­lie­genden Fall begehrt der Kläger Rückabwicklung des Erwerbs von Inhaber­schuld­ver­schrei­bungen einer mittlerweile insolventen Aktien­ge­sell­schaft. Die Wohnungsbau Leipzig-West AG (nachfolgend: WBL) legte in den Jahren 1999 bis 2006 insgesamt 25 Inhaber­schuld­ver­schrei­bungen ohne Börsenzulassung mit einem rechnerischen Gesamtvolumen von 565 Mio. Euro auf. Dazu gehörte auch die mit dem Prospekt "Ausgewogene Konditionen" beworbene und vom Kläger im April 2005 in Höhe von 5.000 Euro gezeichnete Anleihe. Der Beklagte war unter der Firma J.S. Immobi­li­en­be­tei­li­gungen e.K. zu 73 % Mehrheits­ak­tionär der WBL und auf Grundlage eines Gewin­n­ab­führungs- und Beherr­schungs­ver­trages herrschender Unternehmer. Auf Grund von Einzelweisungen des Beklagten erfolgten hohe Zahlungen von der WBL an ihn. Mit seiner Klage begehrt der Kläger im Wesentlichen Rückzahlung des Anlagebetrages nebst Zinsen.

BGH gibt Klage statt

Das Landgericht Frankfurt am Main hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers hatte Erfolg. Der Bundes­ge­richtshof hat das der Klage stattgebende Urteil des Berufungs­ge­richts bestätigt und die dagegen gerichtete Revision des Beklagten zurückgewiesen.

Prospekt im Sinne von § 13 Abs. 1 VerkProspG aF unvollständig

Der Prospekt "Ausgewogene Konditionen" ist unvollständig im Sinne von § 13 Abs. 1 VerkProspG aF, weil aus ihm nicht ersichtlich ist, dass der Beklagte als Begünstigter des Gewin­n­ab­führungs- und Beherr­schungs­ver­trages dem Vorstand der WBL nachteilige Weisungen erteilen konnte, die nur dem Beklagten oder anderen Konzern­ge­sell­schaften dienten. Zu den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, die für die Beurteilung der angebotenen Wertpapiere notwendig und daher richtig und vollständig in einem Wertpapier-Verkauf­sprospekt darzustellen sind, gehört auch die Möglichkeit der Erteilung derartiger nachteiliger Weisungen durch eine beherrschende Konzern­mut­ter­ge­sell­schaft an eine beherrschte Konzern­toch­ter­ge­sell­schaft und die damit verbundene - erhöhte - Gefahr für die Rückzahlung der an die Konzern­toch­ter­ge­sell­schaft gezahlten Anlegergelder. Wendet sich der Emittent - wie hier - ausdrücklich auch an das unkundige und börse­n­u­ner­fahrene Publikum, so bestimmt sich der Empfän­ger­ho­rizont für Prospek­t­er­klä­rungen nach den Fähigkeiten und Erkennt­nis­mög­lich­keiten eines durch­schnitt­lichen (Klein-)Anlegers, der sich allein anhand der Prospektangaben über die Kapitalanlage informiert und über keinerlei Spezi­a­l­kenntnisse verfügt. Nach diesen Maßstäben war selbst bei sorgfältiger und eingehender Lektüre des Prospekts nicht zu erkennen, dass der Beklagte aufgrund seines Weisungsrechts der WBL unabhängig von deren Ertragslage zu seinem Vorteil und zu ihrem Nachteil Kapital entziehen konnte.

Beklagte Prospekt­ver­an­lasser für fehlerhaften Prospekt verantwortlich

Der Beklagte ist für den fehlerhaften Prospekt auch verantwortlich. Prospekt­ver­an­lasser gem. § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BörsG** in der vom 1. Juli 2002 bis zum 31. Oktober 2007 geltenden Fassung (aF) sind Personen, die ein eigenes wirtschaft­liches Interesse an der Emission der Wertpapiere haben und darauf hinwirken, dass ein unrichtiger oder unvollständiger Prospekt veröffentlicht wird. Durch diese Regelung soll eine Lücke bei den Haftungs­ver­pflichteten geschlossen werden und sollen insbesondere auch Konzern­mut­ter­ge­sell­schaften in die Haftung einbezogen werden, wenn eine Konzern­toch­ter­ge­sell­schaft Wertpapiere emittiert. Der Beklagte hatte als Mehrheits­ge­sell­schafter der WBL und unmittelbar Begünstigter des Gewin­n­ab­führungs- und Beherr­schungs­ver­trages einerseits ein erhebliches wirtschaft­liches Eigeninteresse an der Einwerbung weiterer Anlegergelder durch die Ausgabe der Inhaber­schuld­ver­schrei­bungen und andererseits nach den rechts­feh­ler­freien Feststellungen des Berufungs­ge­richts durch Erteilung von Weisungen zu Zahlungsflüssen tatsächlich in das Geschäft der Emittentin eingegriffen. Rechts­feh­lerfrei hat das Berufungs­gericht aus diesen Umständen geschluss­folgert, dass der Beklagte einen beherrschenden Einfluss auf die streit­ge­gen­ständliche Emission ausübte und Kenntnis vom Inver­kehr­bringen des Prospekts hatte.

In den Instanzen sind zahlreiche gleich gelagerte Fälle anhängig, für die diese Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs richtungs­weisend ist.

* § 13 VerkProspG (Haftung bei fehlerhaftem Prospekt) [in der vom 1. Juli 2002 bis zum 30. Juni 2005 geltenden Fassung]

(1) Sind für die Beurteilung der Wertpapiere wesentliche Angaben in einem Verkauf­sprospekt unrichtig oder unvollständig, so sind die Vorschriften der §§ 44** bis 47 des Börsengesetzes mit folgender Maßgabe entsprechend anzuwenden: […]

** § 44 BörsG (Unrichtiger Börsenprospekt) [in der vom 1. Juli 2002 bis zum 31. Oktober 2007 geltenden Fassung]

(1) Der Erwerber von Wertpapieren, die auf Grund eines Prospekts zum Börsenhandel zugelassen sind, in dem für die Beurteilung der Wertpapiere wesentliche Angaben unrichtig oder unvollständig sind, kann

1. von denjenigen, die für den Prospekt die Verantwortung übernommen haben und

2. von denjenigen, von denen der Erlass des Prospekts ausgeht,

als Gesamt­s­chuldnern die Übernahme der Wertpapiere gegen Erstattung des Erwerbspreises, soweit dieser den ersten Ausgabepreis der Wertpapiere nicht überschreitet, und der mit dem Erwerb verbundenen üblichen Kosten verlangen, […]

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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