21.11.2024
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Bundesgerichtshof Urteil31.05.2011

BGH: Kreditanstalt für Wiederaufbau haftet für Aufwendungen aus Vergleich in Zusammenhang mit drittem Börsengang der Deutschen TelekomMögliche Haftung der Bundesrepublik Deutschland muss noch geklärt werden

Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) muss Aufwendungen der Deutschen Telekom AG (Telekom) ersetzen, die dieser nach dem so genannten "dritten Börsengang" durch den Abschluss eines Vergleichs entstanden sind; die Telekom hatte sich mit Sammelklägern in den USA im Zusammenhang mit diesem Börsengang vergleichsweise geeinigt. Ob auch die Bundesrepublik Deutschland der Telekom zum Ersatz der Aufwendungen verpflichtet ist, muss noch geklärt werden. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs hervor.

Die Aktien der Telekom, die aus der Umwandlung des früheren Sondervermögens der Deutschen Bundespost in ein Unternehmen privater Rechtsform hervorgegangen ist, hielt zunächst vollständig die Bundesrepublik Deutschland. Ende März 2000 war sie direkt noch zu 43,18 % und über die in ihrem Mehrheitsbesitz befindliche KfW zu weiteren 21,6 % beteiligt. Mitte Juni 2000 veräußerte die KfW im Rahmen des so genannten "dritten Börsengangs" aus ihrem Besitz auf dem nationalen und internationalen Kapitalmarkt 200 Millionen Aktien der Telekom an Privatanleger, auch in den USA. Dort wurden in einer Sammelklage Prospekt­haf­tungs­ansprüche gegen die Klägerin wegen angeblicher Fehler des Verkauf­spro­spekts geltend gemacht. Aufgrund eines im Januar 2005 geschlossenen Vergleichs zahlte die Klägerin an die Sammelkläger 120 Mio. US-Dollar. Mit der Klage verlangt sie von den Beklagten Ersatz des Vergleichs­betrags und der für die Rechts­ver­tei­digung aufgewandten Kosten in Höhe von insgesamt 112.585.552,79 Euro.

Übernahme der Prospekt­ver­ant­wortung und des daraus folgenden Haftungsrisikos stellt verbotene Einla­gen­rü­ck­gewähr der Telekom an Aktionärin dar

Das Landgericht hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt, das Oberlan­des­gericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte Erfolg. Der Bundes­ge­richtshof hat in der mit dem öffentlichen Angebot in den USA verbundenen Übernahme der Prospekt­ver­ant­wortung und des daraus folgenden Haftungsrisikos eine nach § 57 AktG* verbotene Einla­gen­rü­ck­gewähr der Telekom an ihre Aktionärin, die KfW, gesehen. Die in der Übernahme des Prospekt­haf­tungs­risikos liegende Leistung der Aktiengesellschaft an ihre Aktionärin ist durch keinen vollwertigen Gegenanspruch ausgeglichen worden. Die KfW war daher nach § 62 Abs. 1 AktG** verpflichtet, die Klägerin wegen der entgegen § 57 AktG erlangten Einla­gen­rü­ck­gewähr von den mit der Sammelklage geltend gemachten Ansprüchen freizustellen. Da sie dieser Freistel­lungs­ver­pflichtung nicht nachgekommen ist, muss sie die Vergleichssumme und die Rechts­ver­fol­gungs­kosten ersetzen. Die Höhe des Anspruchs muss durch das Oberlan­des­gericht, an das die Sache zurückverwiesen worden ist, noch geklärt werden. Ob die Bundesrepublik Deutschland der Klägerin nach § 311 Abs. 1***, § 317 AktG**** zum Ersatz verpflichtet ist, hängt von der gleichfalls noch vom Oberlan­des­gericht zu treffenden Feststellung ab, ob sie die Platzierung der Aktien der KfW in den USA veranlasst hat.

*§ 57 Abs. 1 Satz 1 AktG lautet:

(1) Den Aktionären dürfen die Einlagen nicht zurückgewährt werden.

** § 62 Abs. 1 AktG lautet:

(1) Die Aktionäre haben der Gesellschaft Leistungen, die sie entgegen den Vorschriften dieses Gesetzes von ihr empfangen haben, zurück­zu­ge­währen…

***§ 311 Abs. 1 AktG lautet:

(1) Besteht kein Beherr­schungs­vertrag, so darf ein herrschendes Unternehmen seinen Einfluss nicht dazu benutzen, eine abhängige Aktien­ge­sell­schaft oder Komman­dit­ge­sell­schaft auf Aktien zu veranlassen, ein für sie nachteiliges Rechtsgeschäft vorzunehmen oder Maßnahmen zu ihrem Nachteil zu treffen oder zu unterlassen, es sei denn, dass die Nachteile ausgeglichen werden.

****§ 317 Abs. 1 Satz 1 AktG lautet:

(1) Veranlasst ein herrschendes Unternehmen eine abhängige Gesellschaft, mit der kein Beherr­schungs­vertrag besteht, ein für sie nachteiliges Rechtsgeschäft vorzunehmen oder zu ihrem Nachteil eine Maßnahme zu treffen oder zu unterlassen, ohne dass es den Nachteil bis zum Ende des Geschäftsjahrs tatsächlich ausgleicht oder der abhängigen Gesellschaft einen Rechtsanspruch auf einen zum Ausgleich bestimmten Vorteil gewährt, so ist es der Gesellschaft zum Ersatz des ihr daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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