21.11.2024
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Dokument-Nr. 32577

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Urteil24.01.2023BundesgerichtshofXI ZR 257/21
Vorinstanz:
  • Oberlandesgericht Dresden, Urteil31.03.2021, 5 MK 2/20
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Bundesgerichtshof Urteil24.01.2023

Bundes­ge­richtshof entscheidet erneut über Revisionen im Muster­feststellungs­verfahren zu Prämien­spar­verträgenBGH bestätigt seine bisherige Rechtsprechung und hat das vorinstanzliche Muster­feststellungs­urteil aufgehoben

Der Bundes­ge­richtshof hat mit Urteil erneut über Revisionen des Musterklägers, eines Verbraucher­schutz­verbands, und der Musterbeklagten, einer Sparkasse, gegen ein Muster­feststellungs­urteil des Oberlan­des­ge­richts Dresden über die Wirksamkeit von Zinsänderungs­klauseln in Prämien­spar­verträgen entschieden.

Die beklagte Sparkasse schloss seit Anfang der 1990er-Jahre mit Verbrauchern sogenannte Prämi­en­spa­r­verträge ab, die eine variable Verzinsung der Spareinlage und ab dem dritten Sparjahr eine der Höhe nach - bis zu 50 % der jährlichen Spareinlage ab dem 15. Sparjahr - gestaffelte verzinsliche Prämie vorsehen. In den Vertrags­for­mularen heißt es u.a.: "Die Spareinlage wird variabel, z.Zt. mit …% p.a. verzinst." oder "Die Sparkasse zahlt neben dem jeweils gültigen Zinssatz, z.Zt. ...%, am Ende eines Kalender-/Sparjahres […]." In den in die Sparverträge einbezogenen "Bedingungen für den Sparverkehr" heißt es weiter: "Soweit nichts anderes vereinbart ist, vergütet die Sparkasse dem Kunden den von ihr jeweils durch Aushang im Kassenraum bekannt gegebenen Zinssatz. Für bestehende Spareinlagen tritt eine Änderung des Zinssatzes, unabhängig von einer Kündigungsfrist, mit der Änderung des Aushangs in Kraft, sofern nichts anderes vereinbart ist." Der Musterkläger hält die Regelungen zur Änderung des variablen Zinssatzes für unwirksam und die während der Laufzeit der Sparverträge von der Musterbeklagten vorgenommene Verzinsung der Spareinlagen für zu niedrig.

Verbrau­cher­schutz­verband verfolgt mit seiner Muster­fest­stel­lungsklage sieben Feststel­lungsziele

Er verfolgt mit seiner Musterfeststellungsklage sieben Feststel­lungsziele. Mit diesen macht er die Unwirksamkeit der Zinsän­de­rungs­klausel, die Bestimmung eines Referenz­zins­satzes und eines monatlichen Zinsan­pas­sungs­in­tervalls sowie die Verpflichtung der Beklagten geltend, die Zinsanpassungen nach der Verhält­nis­methode vorzunehmen. Darüber hinaus möchte er festgestellt wissen, dass die Ansprüche der Verbraucher auf Zahlung von weiteren Zinsbeträgen frühestens ab der wirksamen Beendigung der Sparverträge fällig werden, dass mit der Kenntnis der Höhe der tatsächlich vorgenommenen Zinsgut­schriften im Sparbuch keine den Verjährungslauf in Gang setzende Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der den Anspruch auf Zahlung von weiteren Zinsbeträgen begründenden Umstände verbunden ist und dass die wider­spruchslose Hinnahme der Zinsgut­schriften im Sparbuch nicht dazu führt, dass das Umstandsmoment für eine Verwirkung der Ansprüche der Verbraucher auf Zahlung von weiteren Zinsbeträgen gegeben ist.

BGH: OLG hat keinen für die Höhe der variablen Verzinsung maßgebenden Referenz­zinssatz bestimmt

Das Oberlan­des­gericht hat der Muster­fest­stel­lungsklage teilweise stattgegeben. Der Musterkläger verfolgt seine Feststel­lungsziele mit der Revision weiter, soweit das Oberlan­des­gericht die Klage betreffend die Bestimmung eines Referenz­zins­satzes und die Vornahme der Zinsanpassungen nach der Verhält­nis­methode abgewiesen hat. Die Musterbeklagte verfolgt mit der Revision ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage betreffend die Bestimmung eines Referenz­zins­satzes weiter. Der Bundes­ge­richtshof hat seine - nach Erlass des hier angefochtenen Muster­fest­stel­lungs­urteils des Oberlan­des­ge­richts - mit Urteil vom 6. Oktober 2021 (XI ZR 234/20) ergangene Rechtsprechung in dem Urteil bestätigt. Dementsprechend hat er auf die Revision des Musterklägers das Muster­fest­stel­lungs­urteil des Oberlan­des­ge­richts aufgehoben, soweit dieses keinen für die Höhe der variablen Verzinsung maßgebenden Referenz­zinssatz bestimmt hat. Insoweit hat er die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Oberlan­des­gericht zurückverwiesen. Darüber hinaus hat er entschieden, dass die Zinsanpassungen von der Musterbeklagten unter Beibehaltung des anfänglichen relativen Abstands des Vertrags­zins­satzes zum Referenz­zinssatz (Verhält­nis­methode) vorzunehmen sind.

OLG muss Referenz­zinssatz festlegen

Das Oberlan­des­gericht ist rechts­feh­lerhaft davon ausgegangen, es könne einen Referenz­zinssatz deswegen nicht im Wege der ergänzenden Vertrags­aus­legung bestimmen, weil im Verfahren über die Muster­fest­stel­lungsklage nicht auszuschließen sei, dass einzelne Sparverträge individuelle Vereinbarungen enthielten. Solche Indivi­du­a­l­ver­ein­ba­rungen sind nur in den Klageverfahren zwischen den Verbrauchern und der Musterbeklagten zu berücksichtigen und schließen die Bindungswirkung des Muster­fest­stel­lungs­urteils nach § 613 Abs. 1 ZPO, nicht aber die Vornahme einer ergänzenden Vertrags­aus­legung im Muster­fest­stel­lungs­ver­fahren aus. Da das Oberlan­des­gericht - von seinem rechtlichen Standpunkt aus folgerichtig - bislang keine Feststellungen zu einem geeigneten Referenz­zinssatz getroffen hat, wird es dies nach Zurück­ver­weisung des Muster­ver­fahrens nachzuholen haben.

Ergänzende Vertrags­aus­legung notwendig

Nach dem Konzept der auf ein langfristiges Sparen angelegten Sparverträge ist es inter­es­sen­gerecht, als Referenz für die Verzinsung der Spareinlagen einen Zinssatz oder eine Umlaufrendite mit langer Fristigkeit heranzuziehen. Bei der Bestimmung des Referenz­zins­satzes wird das Oberlan­des­gericht außerdem zu berücksichtigen haben, dass es sich bei den Sparverträgen um eine risikolose Anlageform handelt. Nach der vom Senat vorgenommenen ergänzenden Vertrags­aus­legung ist bei den Zinsanpassungen der anfängliche relative Abstand des Vertrags­zins­satzes zum Referenz­zinssatz beizubehalten. Nur eine solche Auslegung gewährleistet, dass das Grundgefüge der Vertrags­kon­di­tionen über die gesamte Laufzeit der Sparverträge erhalten bleibt, so dass günstige Zinskonditionen günstig und ungünstige Zinskonditionen ungünstig bleiben. Dass sich die absolute Zinsmarge der Musterbeklagten bei Anwendung der Verhält­nis­methode im Fall eines Anstiegs des Referenz­zins­satzes erhöht und im Fall eines Absinkens des Referenz­zins­satzes reduziert, verstößt nicht gegen die Grundsätze des Preis­an­pas­sungs­rechts, weil die Musterbeklagte keinen Einfluss auf die Höhe der Zinsanpassungen hat. Das Oberlan­des­gericht wird erneut über die in einem Eventu­a­l­ver­hältnis stehenden Anträge des Musterklägers betreffend den Referenz­zinssatz zu entscheiden und dabei mit sachver­ständiger Hilfe im Wege der ergänzenden Vertrags­aus­legung einen Referenz­zinssatz zu bestimmen haben. Dabei wird es zu bedenken haben, dass zur Verfah­rens­be­schleu­nigung gemäß § 411 a ZPO ein bereits erstelltes Sachver­stän­di­gen­gut­achten dann verwertet werden kann, wenn es in einem anderen Gerichts­ver­fahren eingeholt worden ist.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/ab)

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