03.12.2024
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Dokument-Nr. 33779

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Bundesgerichtshof Urteil27.02.2024

Widerrufs­informationen in mit einem Kfz-Kaufvertrag verbundenem Verbraucher­darlehens­vertrag ordnungsgemäßBank kann sich auf Gesetz­lich­keits­fiktion gem. Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB berufen

Der Bundes­ge­richtshof hat unter Berück­sich­tigung der Maßgaben des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union entschieden, dass der Darlehensnehmer den zur Finanzierung eines Kfz-Erwerbs geschlossenen Darle­hens­vertrag nicht wirksam widerrufen hat, weil die beklagte Bank eine ordnungsgemäße Widerrufs­information und die erforderlichen Pflichtangaben beanstan­dungsfrei erteilt hatte. Im Hinblick auf das Urteil des EuGH hat der Senat sein Vorab­entscheidungs­ersuchen zurückgenommen.

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf Abschluss eines Allgemein-Verbrau­cher­da­r­le­hens­vertrags gerichteten Willen­s­er­klärung der Klägerin. Die Klägerin erwarb im Februar 2017 ein Kraftfahrzeug der Marke Mercedes-Benz. Zugleich schloss sie zur Finanzierung des über die vereinbarte Anzahlung hinausgehenden Kaufpreisteils sowie einer Kaufpreis­schutz­prämie am 13. Februar 2017 mit der beklagten Bank einen Darle­hens­vertrag zu einem gebundenen Sollzinssatz und einer festen Laufzeit. Die Darle­hens­ver­trags­un­terlagen enthielten eine Widerrufsinformation, in der u.a. der Kaufvertrag und der Vertrag über den Kaufpreisschutz als verbundene Verträge genannt sind. Seite 1 des Darle­hens­vertrags enthielt unter der Überschrift "Ausbleibende Zahlungen" folgende Angabe über die Verzugsfolgen: "Für ausbleibende Zahlungen wird Ihnen der gesetzliche Zinssatz für Verzugszinsen berechnet. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz." Ferner enthielt der Darle­hens­vertrag auf Seite 1 unter der Überschrift "Vorzeitige Rückzahlung des Darlehens" folgende Angabe: "Im Falle der vorzeitigen Darle­hens­rü­ck­zahlung kann der Darlehensgeber eine Vorfäl­lig­keits­ent­schä­digung verlangen. Die Vorfäl­lig­keits­ent­schä­digung beträgt 1 Prozent beziehungsweise, wenn der Zeitraum zwischen der vorzeitigen und der vereinbarten Rückzahlung geringer als ein Jahr ist, ,5 Prozent des vorzeitig zurückgezahlten Betrags. Ist die so ermittelte Vorfäl­lig­keits­ent­schä­digung höher als die Summe der noch ausstehenden Zinsen, wird diese Summe als Vorfäl­lig­keits­ent­schä­digung berechnet." Bestandteil des Darle­hens­vertrags waren ferner die auf Seite 10 des Darle­hens­vertrags abgedruckten Allgemeinen Darle­hens­be­din­gungen der Beklagten, die unter anderem folgende Klauseln enthielten: "IX. Allgemeine Bestimmungen 5. Widerruft der Darlehensnehmer seine Vertrags­er­klärung innerhalb der Widerrufsfrist, so hat er für den Zeitraum zwischen Auszahlung und Rückzahlung des Darlehens keine Sollzinsen zu entrichten. X. Erfüllungsort und Gerichtsstand, Verbrau­cher­schlichtung 3. Der Darlehensgeber nimmt am Streit­bei­le­gungs­ver­fahren der Verbrau­cher­schlich­tungs­stelle "Ombudsmann der privaten Banken" (www.banke­nom­budsmann.de) teil. Dort hat der Verbraucher die Möglichkeit, zur Beilegung einer Streitigkeit mit dem Darlehensgeber den Ombudsmann der privaten Banken anzurufen. Näheres regelt die Verfah­rens­ordnung für die Schlichtung von Kunden­be­schwerden im deutschen Bankgewerbe, im Internet unter www.bankenverband.de abrufbar ist. Die Beschwerde ist in Textform (z.B. mittels Brief, Telefax oder E-Mail) an die Kunden­be­schwer­de­stelle beim Bundesverband deutscher Banken e.V."

Nach Erbringung von Zins- und Tilgungs­leis­tungen erklärte die Klägerin im August 2018 den Widerruf ihrer auf den Abschluss des Darle­hens­vertrags gerichteten Willen­s­er­klärung. Sie hält die Angaben in der Wider­rufs­in­for­mation in Bezug auf den sogenannten Tageszins sowie die Pflichtangaben u.a. über die Art des Darlehens, über den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung, zur Berech­nungs­methode des Anspruchs auf Vorfäl­lig­keits­ent­schä­digung und über den Zugang des Darle­hens­nehmers zu einem außer­ge­richt­lichen Beschwerde- und Rechts­be­helfs­ver­fahren und gegebenenfalls die Voraussetzungen für diesen Zugang für fehlerhaft. Aufgrund des wirksamen Widerrufs des Darle­hens­vertrags sei sie auch an den Kaufvertrag über das Kraftfahrzeug und den Vertrag über den Kaufpreisschutz nicht mehr gebunden. Im Mai 2019 veräußerte die Klägerin das Fahrzeug an einen Dritten und löste das Darlehen vorzeitig ab. Die unter Anrechnung des Verkaufserlöses auf Zahlung der erbrachten Zins- und Tilgungs­leis­tungen gerichtete Klage hat das Landgericht abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungs­gericht der Klage in Höhe von 763,20 € stattgegeben. Mit der vom Berufungs­gericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage.

Gesetz­lich­keits­fiktion greift

Der BGH hat entschieden, dass die Wider­rufs­in­for­mation kraft Gesetz­lich­keits­fiktion ordnungsgemäß ist und auch die erforderlichen Pflichtangaben in einer Weise erteilt worden sind, dass die zweiwöchige Widerrufsfrist mit Vertrags­ab­schluss in Lauf gesetzt worden ist und die Klägerin ihr Widerrufsrecht nicht fristgerecht ausgeübt hat. Die Revision der Beklagten hatte deshalb Erfolg. Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben, soweit darin zum Nachteil der Beklagten erkannt worden war, und die Klage insgesamt abgewiesen. Zur Begründung hat der BGH im Wesentlichen ausgeführt: Die beklagte Bank hat der Klägerin nach § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB eine ordnungsgemäße Wider­rufs­in­for­mation erteilt. Insoweit kann sie sich auf die in Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB angeordnete Gesetz­lich­keits­fiktion berufen. Der Anwendung der Gesetz­lich­keits­fiktion steht das Urteil des EuGH vom 21. Dezember 2023 nicht entgegen. Eine richt­li­ni­en­konforme Auslegung der nationalen Vorschriften scheidet angesichts des eindeutigen Geset­zes­wortlauts aus. Für den Erhalt der Gesetz­lich­keits­fiktion ist es unschädlich, dass die Beklagte in Nummer IX. 5 der Darle­hens­be­din­gungen auf den nach der Wider­rufs­in­for­mation pro Tag zu zahlenden Zinsbetrag verzichtet hat. Dies lässt nicht nur die Ordnungs­ge­mäßheit der Wider­rufs­in­for­mation, sondern auch die Gesetz­lich­keits­fiktion nach Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB unberührt, weil sie den Verbraucher lediglich begünstigt und das vom Gesetzgeber mit der Gesetz­lich­keits­fiktion verfolgte Ziel der Schaffung von Rechtsklarheit und Rechts­si­cherheit bei den Anwendern nicht beeinträchtigt. Eine Irreführung des Verbrauchers ist damit nicht verbunden.

Die nach Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB erforderliche Information über die Art des Darlehens hat die Beklagte ordnungsgemäß erteilt. Bei einem Allgemein-Verbrau­cher­da­r­le­hens­vertrag im Anwen­dungs­bereich der Verbrau­cher­kre­di­t­richtlinie 2008/48/EG muss gegebenenfalls klar und verständlich angegeben werden, dass es sich um einen verbundenen Darle­hens­vertrag handelt und dass dieser Vertrag als befristeter Vertrag geschlossen worden ist. Diese Anforderungen hat die Beklagte erfüllt. Aus den Angaben auf Seite 1 des Darle­hens­vertrags ergibt sich für den normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher, dass es sich bei dem streit­ge­gen­ständ­lichen Darle­hens­vertrag um einen befristeten Vertrag handelt. Denn dort ist die Laufzeit des Vertrags ausdrücklich angegeben. Dass es sich bei dem streit­ge­gen­ständ­lichen Darle­hens­vertrag um einen - mit dem Kaufvertrag und dem vereinbarten Kaufpreisschutz - verbundenen Darle­hens­vertrag handelt, folgt für den normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher hinreichend klar und verständlich aus der Wider­rufs­in­for­mation.

Die Information über den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung nach Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB ist zwar unvollständig, weil der Klägerin der zum Zeitpunkt des Vertrags­schlusses geltende konkrete Prozentsatz des Verzugszinses nicht mitgeteilt worden ist. Dies hindert aber das Anlaufen der Widerrufsfrist nicht. Im Hinblick auf das Urteil des EuGH vom 21. Dezember beginnt die Widerrufsfrist im Falle einer unvollständigen oder fehlerhaften Information nach § 356 b Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 492 Abs. 2 BGB nur zu laufen, wenn die Unvoll­stän­digkeit oder Fehler­haf­tigkeit dieser Information nicht geeignet ist, sich auf die Befähigung des Verbrauchers, den Umfang seiner aus dem Darle­hens­vertrag herrührenden Rechte und Pflichten einzuschätzen, oder auf seine Entscheidung, den Vertrag zu schließen, auszuwirken und ihm gegebenenfalls die Möglichkeit zu nehmen, seine Rechte unter im Wesentlichen denselben Bedingungen wie denen auszuüben, die vorgelegen hätten, sofern die Information vollständig und zutreffend erteilt worden wäre. Dies hat der Senat hier bejaht, weil ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Verbraucher in der Lage der Klägerin den streit­ge­gen­ständ­lichen Darle­hens­vertrag auch abgeschlossen hätte, wenn ihm bei Vertragsschluss über die im Vertrag enthaltenen Angaben hinaus auch der zu diesem Zeitpunkt geltende konkrete Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner Anpassung mitgeteilt worden wären.

Anlaufen der 14-tägigen Widerrufsfrist nicht gehindert

Die nach Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB erforderlichen Informationen zur Berech­nungs­methode des Anspruchs auf Vorfäl­lig­keits­ent­schä­digung haben das Anlaufen der 14-tägigen Widerrufsfrist nach § 495 Abs. 1 BGB i.V.m. § 355 Abs. 2, § 356 b BGB nicht gehindert. Die von der Beklagten verwendete Klausel verstößt zwar nach der Rechtsprechung des Senats gegen § 502 Abs. 1 BGB und ist damit gemäß § 134 BGB nichtig, weil sie entgegen § 511 BGB zum Nachteil des Verbrauchers von der Vorschrift des § 502 Abs. 1 BGB abweicht (vgl. Senatsurteil vom 28. Juli 2020 - XI ZR 288/19, BGHZ 226, 310 Rn. 24). Die fehlerhafte Angabe zur Berechnung der Vorfäl­lig­keits­ent­schä­digung führt aber nach dem Regelungs­konzept des deutschen Gesetzgebers lediglich zum Ausschluss des Anspruchs auf eine Vorfäl­lig­keits­ent­schä­digung nach § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB, ohne das Anlaufen der 14-tägigen Widerrufsfrist nach § 495 Abs. 1 BGB i.V.m. § 355 Abs. 2, § 356 b BGB zu berühren. Daran hat der Senat auch im Hinblick auf das Urteil des EuGH vom 21. Dezember 2023 festgehalten. Danach muss zwar in einem Kreditvertrag grundsätzlich für die Berechnung der bei vorzeitiger Rückzahlung des Kredits anfallenden Vorfäl­lig­keits­ent­schä­digung die Berech­nungsweise dieser Entschädigung in konkreter und für einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durch­schnitts­ver­braucher leicht verständlicher Weise angegeben werden, damit er den Betrag der bei vorzeitiger Rückzahlung anfallenden Entschädigung auf der Grundlage der in diesem Vertrag enthaltenen Angaben ermitteln kann. Auch wenn konkrete und leicht verständliche Angaben zur Berech­nungsweise fehlen, kann ein solcher Vertrag aber der in dieser Bestimmung aufgestellten Verpflichtung genügen, sofern er andere Elemente enthält, die es dem Verbraucher ermöglichen, die Höhe der betreffenden Entschädigung und insbesondere den Betrag, den er im Fall der vorzeitigen Rückzahlung des Kredits höchstens zu zahlen haben wird, leicht zu ermitteln. Die Angaben der Beklagten genügen diesen Anforderungen, weil ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Durch­schnitts­ver­braucher die zu zahlende Vorfäl­lig­keits­ent­schä­digung leicht berechnen kann. Dass die Angabe der Beklagten aufgrund der Umsetzung in das nationale Recht einer Klausel­kon­trolle nicht standhält, ist unbeachtlich. Bei richt­li­ni­en­kon­former Auslegung hindert dies das Anlaufen der 14-tägigen Widerrufsfrist nach § 495 Abs. 1 BGB i.V.m. § 355 Abs. 2, § 356 b BGB nicht.

Schließlich sind auch die nach Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB erforderlichen Informationen über den Zugang des Verbrauchers zu einem außer­ge­richt­lichen Beschwerde- und Rechts­be­helfs­ver­fahren und gegebenenfalls zu den Voraussetzungen für diesen Zugang ordnungsgemäß erteilt worden. Im Hinblick auf das Urteil des EuGH vom 21. Dezember 2023 erfordert dies, dass der Verbraucher über alle ihm seitens des Darlehensgebers zur Verfügung stehenden außer­ge­richt­lichen Beschwerde- oder Rechts­be­helfs­ver­fahren und gegebenenfalls die mit ihnen jeweils verbundenen Kosten informiert wird; ferner muss er im Kreditvertrag darüber belehrt werden, ob die Beschwerde oder der Rechtsbehelf auf Papier oder elektronisch einzureichen ist, des Weiteren über die physische oder elektronische Adresse, an die die Beschwerde oder der Rechtsbehelf zu senden ist, und schließlich über die sonstigen formalen Voraussetzungen, denen die Beschwerde oder der Rechtsbehelf unterliegt. Diese Informationen hat die Beklagte der Klägerin erteilt. Sie hat in Nummer X. 3 der Darle­hens­be­din­gungen angegeben, dass die Beschwerde in Textform übermittelt werden kann und hierfür ihre Postadresse, ihre Telefaxnummer und ihre E-Mail-Adresse mitgeteilt. Einer Angabe von sonstigen formalen Voraussetzungen bedurfte es nicht. Darunter sind nur solche zu verstehen, die bei Nichtvorliegen ohne weiteres zur Zurückweisung des Schlich­tungs­antrags führen. Dies ist nach der Verfah­rens­ordnung des Ombudsmanns der privaten Banken nicht der Fall. Eine Angabe zu den mit dem Schlich­tungs­ver­fahren verbundenen Kosten war entbehrlich, weil das Schlich­tungs­ver­fahren beim Ombudsmann der privaten Banken für den Verbraucher kostenfrei ist.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/ab)

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