13.12.2024
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Dokument-Nr. 34568

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Urteil19.11.2024BundesgerichtshofXI ZR 139/23
Vorinstanzen:
  • Amtsgericht Ingolstadt, Urteil11.08.2022, 13 C 1691/21
  • Landgericht Ingolstadt, Urteil23.06.2023, 13 S 1539/22 p
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil19.11.2024

Streit um Kontogebühren: Sparkasse muss Geld zurückzahlenNutzung des Girokontos allein ist kein Ausdruck des Einver­ständ­nisses mit der Änderung von AGBs

Der Bundes­ge­richtshof hat über die Rückzahlung von Bankentgelten entschieden, die aufgrund einer unwirksamen Zustimmungs­fiktions­klausel vereinbart werden sollten.

Der Kläger begehrt Rückzahlung von geleisteten Konto­füh­rungs­ent­gelten und Gebühren für eine Girokarte. Nach einer in den Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen der beklagten Sparkasse enthaltenen unwirksamen Regelung gilt die Zustimmung des Kunden zu angebotenen Änderungen von Vertrags­be­din­gungen oder Entgelten für Bankleistungen als erteilt, wenn der Kunde der Beklagten seine Ablehnung nicht innerhalb einer bestimmten Frist anzeigt (Zustim­mungs­fik­ti­o­ns­klausel). Die Beklagte informierte den Kläger im Oktober 2017 darüber, dass für dessen zwei Girokonten ab dem 1. Januar 2018 Konto­füh­rungs­entgelte und Gebühren für eine Girokarte zu zahlen seien. Daraufhin kündigte der Kläger eines der Girokonten. Die Beklagte erhob ab dem 1. Januar 2018 eine Grundgebühr für die Führung des anderen Girokontos in Höhe von monatlich 3,50 € und eine Gebühr für eine SparkassenCard in Höhe von jährlich 6 €. Der Kläger stimmte diesen Änderungen der Bedingungen nicht aktiv zu. Die Beklagte buchte die Entgelte in der Folgezeit vom Konto des Klägers ab. Im Juli 2021 widersprach dieser der Erhebung der Entgelte. Mit seiner Klage begehrt er die Rückzahlung der in den Jahren 2018 bis 2021 erhobenen Entgelte in Höhe von insgesamt 192 € sowie die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger jeden weiteren künftigen Schaden zu ersetzen, der ihm durch die Einziehung nicht vereinbarter Bankentgelte nach dem Jahr 2021 entstehe. Das AG und das LG haben die Klage jeweils abgewiesen. Mit der - vom Berufungs­gericht zugelassenen - Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Weiternutzung stellt kein Einverständnis dar

Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Er hat entschieden, dass der Kläger Rückzahlung der Konto­füh­rungs­entgelte und des Entgelts für die Girokarte verlangen kann. Der Kläger hat einen Rückzahlungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB, weil die Beklagte die Entgelte ohne Rechtsgrund vereinnahmt hat. Der Kläger hat der von der Beklagten beabsichtigten Änderung der Entgelt­be­din­gungen nicht konkludent durch die fortgesetzte Nutzung des Girokontos zugestimmt. Die fortlaufende Nutzung eines Girokontos hat keinen objektiven Erklärungswert dahin, dass der Wille des Kontoinhabers neben dem Willen, einen konkreten Kontovorgang auszulösen, auch die Zustimmung zu geänderten Konto­be­din­gungen der Sparkasse oder Bank umfasst.

Der Zugang zu einem Girokonto ist in der Regel eine unabdingbare Voraussetzung für die Teilnahme am unbaren Zahlungsverkehr und von essentieller Bedeutung für die unein­ge­schränkte Teilhabe am wirtschaft­lichen und sozialen Leben. Die Nutzung des Girokontos allein ist deshalb kein Ausdruck des Einver­ständ­nisses mit der Änderung von Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen durch die Sparkasse oder Bank, sondern entspricht lediglich den Erfordernissen und Usancen des modernen Geschäfts- und Wirtschafts­verkehrs im Alltag. Die von der Beklagten erhobenen Entgelte sind auch nicht durch eine Fiktion der Zustimmung des Klägers zu den geänderten Konto­be­din­gungen der Beklagten vereinbart worden. Der Senat hat bereits entschieden, dass eine Klausel in den Geschäfts­be­din­gungen von Banken und Sparkassen, die eine solche Fiktion vorsieht, im Verkehr mit Verbrauchern unwirksam ist. Auch der Umstand, dass der Kläger die von der Beklagten erhobenen Entgelte über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren widerspruchslos gezahlt hat, führt nicht dazu, dass die Sparkasse die Entgelte behalten darf.

Dreijah­res­lösung für Energie­lie­fe­rungs­ver­trägen hier nicht anwendbar

Die vom BGH im Zusammenhang mit unwirksamen Preis­an­pas­sungs­klauseln in Energie­lie­fe­rungs­ver­trägen angewandte sogenannte Dreijah­res­lösung ist nicht auf unwirksame Zustim­mungs­fik­ti­o­ns­klauseln von Banken und Sparkassen übertragbar (vgl. Bundes­ge­richtshof, Urteil v. 14.03.2012 - VIII ZR 113/11 -). Nach der Dreijah­res­lösung kann ein Kunde die Unwirksamkeit von Preiserhöhungen, die auf unwirksame Preis­an­pas­sungs­klauseln in Energie­lie­fe­rungs­ver­trägen gestützt sind, nicht mehr mit Erfolg geltend machen, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der Jahres­a­b­rechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat. Die dieser Rechtsprechung zugrun­de­lie­genden Erwägungen tragen vorliegend nicht. Denn der Inhalt eines Vertrags selbst wird durch die unwirksame Zustim­mungs­fik­ti­o­ns­klausel - anders als durch Preis­an­pas­sungs­klauseln - nicht bestimmt.

Die durch den Wegfall der Zustim­mungs­fik­ti­o­ns­klausel entstandene Vertragslücke ist auch nicht wie die mit der unwirksamen Preis­an­pas­sungs­klausel verbundene Vertragslücke im Wege einer ergänzenden Vertrags­aus­legung zu schließen, sondern gemäß § 306 Abs. 2 BGB durch das dispositive Gesetzesrecht, das mit den § 311 Abs. 1, §§ 145 ff. BGB konkrete Regelungen zur konsensualen Änderung eines Vertrags zur Verfügung stellt. Danach hat die Zustimmung zu einer von der Bank oder Sparkasse angetragenen Vertrag­s­än­derung, die durch die unwirksame Zustim­mungs­fik­ti­o­ns­klausel fingiert werden sollte, durch eine Willen­s­er­klärung des Kunden zu erfolgen. Eine dreijährige Frist, binnen derer der Bankkunde die Erhebung von unwirksamen Bankentgelten beanstandet haben muss, um nicht an das von der Bank oder Sparkasse Angetragene gebunden zu sein, sieht das nach § 306 Abs. 2 BGB maßgebende dispositive Gesetzesrecht demgegenüber nicht vor. Sparkassen und Banken werden angesichts der bestehenden gesetzlichen Verjäh­rungs­re­ge­lungen, die eine dreijährige Verjäh­rungsfrist vorsehen (§ 195 BGB), und angesichts der bestehenden Möglichkeit, Verträge zu kündigen, auch nicht unzumutbar belastet.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/ab)

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