03.12.2024
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Dokument-Nr. 27490

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Urteil04.06.2019BundesgerichtshofX ZB 2/19
Vorinstanz:
  • Bundespatentgericht, Urteil06.09.2018, 3 LiQ 1/18 (EP)
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil04.06.2019

Keine vorläufige Zwangslizenz für Choles­te­r­in­senkerKeine ausreichenden Bemühungen um vertragliche Patentlizenz begründen Zurückweiseung einer vorläufigen Zwangslizenz

Der Bundes­ge­richtshof hat die Zurückweisung des Antrags auf vorläufige Zwangslizenz für Choles­te­r­in­senker bestätigt.

Im hier vorliegenden Fall vertreibt die Antrag­stel­le­rinnen in Deutschland das Arzneimittel Praluent, das den Wirkstoff Alirocumab enthält. Dabei handelt es sich um einen monoklonalen Antikörper, der gegen das Proprotein Convertase-Subtilisin-Kexin Typ 9 (PCSK9) gerichtet ist. Dieses Protein beeinträchtigt den Abbau zu hoher Spiegel von Lipoproteinen niedriger Dichte (LDL-Choles­te­r­in­spiegeln); Alirocumab hemmt das PCSK9-Protein und bewirkt damit eine Verringerung des LDL-Choles­te­rinwerts im Blut.

Antraggegnerin ist Inhaberin des Patents für Alirocumab

Die Antragsgegnerin ist Inhaberin des europäischen Patents 2 215 124, das antigenbindende Proteine gegen das Protein PCSK9 betrifft. Das Europäische Patentamt hat das Patent nach Einspruch in geänderter Fassung aufrecht­er­halten; über die gegen diese Entscheidung eingelegten Beschwerden ist noch nicht entschieden worden. Die Antragsgegnerin vertreibt unter der Bezeichnung Repatha ein Arzneimittel, das den ebenfalls gegen das Protein PCSK9 gerichteten Antikörper Evolocumab enthält. Die Antragsgegnerin hat die Antrag­stel­le­rinnen wegen Verletzung ihres Patents vor dem Landgericht Düsseldorf u.a. auf Unterlassung in Anspruch genommen.

Antrag­stel­le­rinnen klagten auf Erteilung einer Zwangslizenz

Im Juli 2018 haben die Antrag­stel­le­rinnen vor dem Bunde­s­pa­tent­gericht Klage auf Erteilung einer Zwangslizenz nach § 24 PatG erhoben und zugleich beantragt, ihnen die Benutzung der Erfindung durch das Arzneimittel Praluent in vier näher bezeichneten Abgabeformen im Wege einer einstweiligen Verfügung nach § 85 PatG vorläufig zu gestatten.

Erlass einer einstweiligen Verfügung durch Patentamt zurückgewiesen

Das Patentgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen, da die Antrag­stel­le­rinnen sich nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraums erfolglos bemüht hätten, von der Antragsgegnerin eine vertragliche Lizenz für Praluent zu erhalten, und auch nicht glaubhaft gemacht hätten, dass das öffentliche Interesse die Erteilung einer Zwangslizenz wegen dem Arzneimittel Repatha überlegener therapeutischer Eigenschaften von Praluent, insbesondere wegen einer Senkung des Morta­li­täts­risikos, gebiete (Urteil veröffentlicht in Mitteilungen der Deutschen Patentanwälte 2019, 117). Mit der Beschwerde verfolgen die Antrag­stel­le­rinnen den Antrag auf vorläufige Gestattung der Benutzung der patent­ge­schützten Erfindung weiter.

BGH bestätigt Entscheidung des Bunde­s­pa­tent­ge­richts

Er sieht wie die Vorinstanz keine ausreichenden Bemühungen der Antrag­stel­le­rinnen während eines angemessenen Zeitraums um die vertragliche Einräumung einer Lizenz an dem Patent. Welche Bemühungen nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 PatG erforderlich sind und über welchen Zeitraum sie sich erstrecken müssen, ist eine Frage des Einzelfalls. Im Streitfall haben die Antrag­stel­le­rinnen erst spät überhaupt ihr Interesse an einer Lizenz bekundet und lediglich einen sehr niedrigen Lizenzsatz angeboten. Auf das Antwort­s­chreiben der Antragsgegnerin, die eine Lizenzvergabe nicht schlechthin abgelehnt hat, haben sie bis zur Entscheidung des Patentgerichts nicht reagiert. Weitere, während des Beschwer­de­ver­fahrens übersandte Schreiben hat der Bundes­ge­richtshof ebenfalls nicht als ernsthaftes Bemühen um eine vertragliche Einigung angesehen.

Therapeutische Vorteile nicht glaubhaft gemacht

Der Bundes­ge­richtshof hat ferner wie das Patentgericht ein die Erteilung einer Zwangslizenz gebietendes öffentliches Interesse verneint. Maßgeblich hierfür war die Erwägung, dass nicht glaubhaft gemacht ist, dass Praluent gegenüber dem Medikaments Repatha der Antragsgegnerin greifbare therapeutische Vorteile bietet.

Wirkungs­me­cha­nismus von Praluent und Repatha identisch

Praluent und Repatha beruhen auf dem gleichen Wirkungs­me­cha­nismus. Dieser begünstigt den Choles­te­ri­nabbau und ermöglicht eine deutliche Absenkung des Choles­te­r­in­spiegels, die nach den Ergebnissen der dazu durchgeführten Studien dazu führt, dass das Risiko eines schweren kardio­vas­kulären Vorfalls wie eines koronaren Herztods, eines Herzinfarkts, eines Schlaganfalls oder einer instabilen Angina um etwa 15 % gesenkt wird. Da diese bedeutsame pharma­ko­lo­gische Wirkung von beiden Antikörpern erzielt wird, kann sie allein das öffentliche Interesse an der begehrten Zwangslizenz nicht begründen.

BGH: Kein Nachweis über Senkung der Mortalitätsrate durch Gabe von Praluent

Wie das Patentgericht sieht auch der Bundes­ge­richtshof nicht als glaubhaft gemacht an, dass die Gabe von Praluent die Mortalitätsrate mit diesem Wirkstoff behandelter Hyper­cho­les­te­rinämie-Patienten senkt. Nach den Ergebnissen der zu Praluent durchgeführten klinischen Studie haben zwar in der Praluent-Gruppe weniger Patienten einen koronaren Herztod erlitten oder sind wegen eines kardio­vas­kulären Krankheitsbilds verstorben als in der Kontrollgruppe. Nach anerkannten biosta­tis­tischen Grundsätzen sind diese Ergebnisse aber statistisch ebenso wenig signifikant wie die unter­schied­lichen (nicht nach Todesursache unter­schei­denden) Gesamtzahlen der Todesfälle, sondern können auch auf Zufall beruhen.

Keine weiteren Anhaltspunkte für Vorteile erkennbar

Es gibt auch sonst keinen Anhalt dafür, dass Praluent im Vergleich zu Repatha trotz überein­stim­mendem Wirkungs­me­cha­nismus und trotz gleicher Wirksamkeit hinsichtlich des Risikos eines schweren kardio­vas­kulären Vorfalls - der wiederum das Risiko eines weiteren, tödlichen Infarkts oder Schlaganfalls erhöht - die Mortalitätsrate von Patienten senkt, die mit einem PCSK9-Hemmer behandelt werden. Schließlich hat der Bundes­ge­richtshof auch nicht als glaubhaft gemacht angesehen, dass die Möglichkeit, Praluent niedriger als Repatha zu dosieren, die Erteilung einer Zwangslizenz gebietet.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online (pm)

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