18.10.2024
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Sie sehen eine Einbauküche in einer Wohnung.

Dokument-Nr. 33087

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Urteil12.07.2023BundesgerichtshofVIII ZR 375/21, VIII ZR 8/22, VIII ZR 60/22 und VIII ZR 125/22
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Bundesgerichtshof Urteil12.07.2023

Mietpreisbremse: BGH zur Frage der Verjährung des Auskunfts­an­spruchsAuskunfts­an­spruch nach § 556 g Abs. 3 BGB verjährt selbständig

Der Bundes­ge­richtshof hat über die Frage entschieden, ob und gegebenenfalls ab welchem Zeitpunkt der Auskunfts­an­spruch des Mieters gegen den Vermieter nach den Vorschriften zur sogenannten Mietpreisbremse (§ 556 g Abs. 3 BGB) verjährt.

In allen vier Verfahren macht die Klägerin, eine in das Rechts­dienst­leis­tungs­re­gister eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung, aus abgetretenem Recht Ansprüche von Mietern, deren Wohnungen gemäß der Berliner Mieten­be­gren­zungs­ver­ordnung vom 28. April 2015 in einem Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt liegen, wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften zur Begrenzung der Miethöhe (§§ 556 d ff. BGB) gegen die beklagten Vermieter geltend. Sie verlangt gemäß § 556 g Abs. 3 BGB die Erteilung von Auskunft über verschiedene für die Berechnung der zulässigen Miethöhe nach den §§ 556 d ff. BGB maßgebliche Umstände, gemäß § 556 g Abs. 1 Satz 3 BGB die Rückzahlung ihrer Ansicht nach überzahlter Miete und als Schadensersatz die Zahlung vorge­richt­licher Rechts­ver­fol­gungs­kosten. Die Beklagten berufen sich unter anderem auf Verjährung des Auskunfts­an­spruchs (§ 214 Abs. 1 BGB). In drei Verfahren sind die Berufungs­ge­richte - die Zivilkammern 65 und 67 des Landgerichts Berlin - davon ausgegangen, dass der Auskunftsanspruch der Mieter nicht verjährt sei. Ebenso wie der Auskunfts­an­spruch gemäß § 242 BGB könne der Auskunfts­an­spruch des Mieters gemäß § 556 g Abs. 3 BGB als Hilfsanspruch nicht vor dem Anspruch auf Rückzahlung überzahlter Miete aus § 556 g Abs. 1 Satz 3 BGB als Hauptanspruch verjähren. Demgegenüber hat das Berufungs­gericht in einem Verfahren - die Zivilkammer 63 des Landgerichts Berlin - eine Verjährung des Auskunfts­an­spruchs angenommen. Für diesen gelte die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren gemäß §§ 195, 199 BGB, die bereits mit dem Abschluss des Mietvertrags zu laufen beginne. Mit ihren insoweit jeweils von den Berufungs­ge­richten zugelassenen Revisionen wenden sich die Klägerin gegen die Abweisung ihres Auskunfts­antrags und die jeweiligen Beklagten gegen ihre Verurteilung zur Auskunft­s­er­teilung in den Verfahren.

Auskunfts­an­spruch verjährt selbständig und unabhängig vom Rückzah­lungs­an­spruch

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass der Auskunfts­an­spruch nach § 556 g Abs. 3 BGB selbständig und unabhängig von dem Anspruch des Mieters auf Rückzahlung überzahlter Miete gemäß § 556 g Abs. 1 Satz 3 BGB innerhalb der regelmäßigen Verjäh­rungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB) verjährt. Die Verjäh­rungsfrist beginnt dabei nicht - wie die Zivilkammer 63 des Landgerichts Berlin angenommen hat - mit der Entstehung des Auskunfts­an­spruchs im Zeitpunkt des Mietver­trags­schlusses, sondern erst mit dem Auskunftsverlangen des Mieters. Der Auskunfts­an­spruch kann damit - anders als die Zivilkammern 65 und 67 des Landgerichts Berlin gemeint haben - vor dem Rückzah­lungs­an­spruch verjähren. Bei dem Auskunfts­an­spruch handelt es sich zwar um einen Hilfsanspruch zu dem auf Rückzahlung überzahlter Miete gerichteten Hauptanspruch des Mieters. Er unterscheidet sich aber von dem - seitens der Zivilkammern 65 und 67 als Vergleichs­maßstab herangezogenen - Auskunfts­an­spruch gemäß § 242 BGB (Treu und Glauben), welcher grundsätzlich nicht vor dem Hauptanspruch verjährt, dem er dient, maßgeblich dadurch, dass der Gläubiger (Mieter) nicht erst auf der Grundlage der Auskunft in die Lage versetzt wird, seinen Zahlungs­an­spruch zu verfolgen und durchzusetzen. Der Mieter hat in einem Rückfor­de­rungs­prozess neben einer ordnungsgemäßen Rüge gemäß § 556 g Abs. 2 BGB lediglich die Anwendbarkeit und die Voraussetzungen des Grund­tat­be­standes des § 556 d Abs. 1 BGB - das Überschreiten der ortsüblichen Vergleichsmiete um mehr als 10 % bei Mietbeginn - darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Hierfür benötigt er die Auskunft des Vermieters, welche nur die nicht allgemein zugänglichen preisbildenden Faktoren, vor allem aber die vom Vermieter in einem Rückzah­lungs­prozess darzulegenden und gegebenenfalls zu beweisenden, eine höhere Miete erlaubenden Ausnah­me­tat­be­stände der §§ 556e, 556f BGB umfasst, in der Regel nicht.

Verjäh­rungsfrist beginnt erst mit Auskunfts­ver­langen des Mieters

Die für den Auskunfts­an­spruch geltende regelmäßige Verjäh­rungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB) beginnt nicht bereits mit dessen Entstehung (Zeitpunkt des Mietver­trags­schlusses), sondern erst mit dem Auskunfts­ver­langen des Mieters. Der Gesetzgeber hat diesen Anspruch als sogenannten verhaltenen Anspruch ausgestaltet, bei dem der Gläubiger (hier der Mieter) die Leistung jederzeit verlangen kann, der Schuldner (hier der Vermieter) die Leistung jedoch nicht von sich aus erbringen muss. Für diese Einordnung sprechen der Wortlaut der gesetzlichen Regelung ("auf Verlangen des Mieters") sowie der Sinn und Zweck des Auskunfts­an­spruchs, welcher darin besteht, ein durch die strukturelle Unterlegenheit auf angespannten Wohnungsmärkten bedingtes Infor­ma­ti­o­ns­defizit des Mieters auszugleichen, und schließlich die für verhaltene Ansprüche charak­te­ris­tische und bei einer Abwägung der beiderseitigen Interessen von Vermieter und Mieter als unbillig empfundene Gefahr einer Anspruchs­ver­jährung infolge des zeitlichen Ausein­an­der­fallens von Entstehung und Geltendmachung des Anspruchs. Vor diesem Hintergrund hat die Revision in dem Verfahren VIII ZR 375/21 keinen Erfolg und die Verurteilung der Beklagten zur Auskunft­s­er­teilung Bestand; das Berufungs­gericht hat im Ergebnis zu Recht eine Verjährung des Auskunfts­an­spruchs abgelehnt. Demgegenüber hat die Revision in dem Verfahren VIII ZR 8/22 Erfolg und führt zur Aufhebung des Berufungs­urteils und Zurück­ver­weisung an das Berufungs­gericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung über die inhaltliche Berechtigung des Auskunfts­an­spruchs. Im Verfahren VIII ZR 125/22 hat die Revision ebenfalls Erfolg; das Berufungsurteil ist aufzuheben und die Auskunftsklage in vollem Umfang abzuweisen, da dem Auskunfts­an­spruch des Mieters - entgegen der Ansicht des Berufungs­ge­richts - die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung entgegensteht, weil die Verjäh­rungsfrist bereits mit dem ersten Auskunfts­ver­langen des Mieters zu laufen begonnen hat. Im Verfahren VIII ZR 60/22 hat das Berufungs­gericht zwar im Ergebnis zutreffend entschieden, dass der Auskunfts­an­spruch nicht verjährt ist. Die Revision rügt jedoch zu Recht, dass das Berufungs­gericht die Behauptung der Klägerin, die Mieterin habe den Auskunfts­an­spruch an sie abgetreten, in rechts­feh­ler­hafter Anwendung von § 138 Abs. 2 ZPO als unstreitig behandelt hat. Dies führt auf die Revision der Beklagten insoweit zur Aufhebung des Berufungs­urteils und Zurück­ver­weisung an das Berufungs­gericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung über die erfolgte Abtretung dieses Anspruchs.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/ab)

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