13.12.2024
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Dokument-Nr. 33310

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Bundesgerichtshof Urteil27.09.2023

Zur Wirksamkeit der geänderten Preis­än­de­rungs­klausel in Fernwärmel­ieferungs­verträgenNeue Preis­än­de­rungs­klausel eines Berliner Fernwär­me­ver­sorgers wirksam

Der Bundes­ge­richtshof hat über die Wirksamkeit der ab Mai 2019 geänderten Preis­anpassungs­klausel in Fernwärmel­ieferungs­verträgen eines Berliner Fernwärme­versorgungs­unternehmens entschieden. Es handelt sich um zwei weitere von zahlreichen beim Bundes­ge­richtshof anhängigen und mittlerweile überwiegend entschiedenen Verfahren, in denen Kunden Ansprüche gegen das Fernwärme­versorgungs­unternehmen geltend machen.

In beiden Verfahren beliefert die Beklagte die jeweiligen Kläger seit dem Jahr 2007 beziehungsweise seit dem Jahr 2013 auf der Grundlage von Allgemeinen Versor­gungs­be­din­gungen im Sinne von § 1 Abs. 1 AVBFernwärmeV mit Fernwärme. Hiernach stellt die Beklagte ihren Kunden einen verbrauch­s­u­n­ab­hängigen Bereit­stel­lungspreis und einen verbrauchs­ab­hängigen Arbeitspreis in Rechnung, die sie nach Maßgabe im Vertrag vorgesehener Preis­än­de­rungs­klauseln jährlich anpasst. Nachdem das Kammergericht Anfang des Jahres 2019 in einem anderen gegen die Beklagte gerichteten Rechtsstreit die auf den Arbeitspreis bezogene Preisänderungsklausel für unwirksam erklärt hatte, legte die Beklagte ab Mai 2019 ihren Abrechnungen eine geänderte Preis­an­pas­sungs­formel zum Arbeitspreis zugrunde, welche sie zuvor öffentlich bekannt gegeben hatte. Hiernach knüpfte die Veränderung des Arbeitspreises - ausgehend von einem Basis­a­r­beitspreis des Jahres 2015 - jeweils hälftig einerseits an die jährlichen Veränderungen eines vom Statistischen Bundesamt herausgegebenen und im Internet abrufbaren Wärme­prei­s­indexes als Marktelement sowie andererseits an die jährlichen Veränderungen eines von der Energie­lie­fe­rantin der Beklagten im Internet veröf­fent­lichten Tarifs als Kostenelement an. Die Preis­än­de­rungs­klausel sieht als Referenzjahre für das Markt- und das Kostenelement jeweils das Jahr 2018 vor.

Bisheriger Prozessverlauf

Die Kläger haben mit den von ihnen erhobenen Klagen unter anderem die Feststellung begehrt, dass die Beklagte zur einseitigen Einführung der (neuen) Preis­än­de­rungs­klausel in den Energie­lie­fe­rungs­vertrag ab Mai 2019 nicht berechtigt gewesen sei; ferner haben die Kläger insoweit Rückzahlung von Fernwär­me­entgelt verlangt. Die Berufungs­ge­richte haben in beiden Verfahren - die Beklagte zwar als grundsätzlich berechtigt angesehen, eine gegenüber den Klägern verwendete - von Vertragsbeginn an unwirksame oder ab einem bestimmten Zeitpunkt danach unwirksam gewordene - Preis­än­de­rungs­klausel auch während des laufenden Versor­gungs­ver­hält­nisses mit Wirkung für die Zukunft einseitig anzupassen, wenn und soweit dadurch sichergestellt wird, dass die Klausel den Anforderungen des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV entspricht. Die Berufungs­ge­richte waren jedoch der Auffassung, auch die neue Preis­än­de­rungs­klausel sei nach § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV in Verbindung mit § 134 BGB unwirksam, da die Beklagte für den Ausgangspreis einerseits sowie für das Markt- und Kostenelement andererseits ohne sachlichen Grund ("willkürlich") unter­schiedliche Referenzjahre gewählt habe. Mit den von den beiden Berufungs­ge­richten jeweils insoweit zugelassenen Revisionen verfolgt die Beklagte die Abweisung der Feststel­lungs­klagen hinsichtlich der von ihr ab Mai 2019 verwendeten Preis­än­de­rungs­klausel und die Abweisung der Zahlungsklagen, soweit diese auf der Annahme der Unwirksamkeit auch dieser Preis­än­de­rungs­klausel beruhen, weiter.

Gestal­tungs­spielraum für Energie­ver­sorger

Die beiden Revisionen der Beklagten hatten jeweils Erfolg. Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass die von der Beklagten ab Mai 2019 verwendete Preis­än­de­rungs­klausel wirksam ist. Um den gesetzlichen Anforderungen nach § 24 Abs. 4 Satz 1 AVBFernwärmeV zu genügen, müssen Preis­än­de­rungs­klauseln in Fernw­är­me­lie­fe­rungs­ver­trägen so ausgestaltet sein, dass sie sowohl die Kosten­ent­wicklung bei der Erzeugung und Bereitstellung von Fernwärme durch das Unternehmen (Kostenelement) als auch die jeweiligen Verhältnisse auf dem Wärmemarkt (Marktelement) angemessen berücksichtigen. Dabei kommt dem Fernwärmeversorger, der - wie hier - während des laufenden Fernw­är­me­lie­fe­rungs­ver­hält­nisses eine unwirksame Preis­än­de­rungs­klausel für die Zukunft in - nach Maßgabe der Rechtsprechung des Senats - zulässiger Weise einseitig durch eine angepasste Preis­än­de­rungs­klausel ersetzt, ein eigener Gestal­tungs­spielraum zu. Die Grenzen des ihr hiernach zustehenden Gestal­tungs­spielraums hat die Beklagte bei der angepassten Preis­än­de­rungs­klausel zum Arbeitspreis nicht überschritten. Anders als die beiden Berufungs­ge­richte gemeint haben, hat sie sachliche und nachvoll­ziehbare Anknüp­fungs­punkte für die jeweiligen Preis­än­de­rungs­pa­rameter gewählt. Die Klausel enthält mit dem Wärmepreisindex des Statistischen Bundesamts ein geeignetes Marktelement. Ferner nimmt sie hinsichtlich des Kostenelements unmittelbar auf die eigenen Wärme­be­zugs­kosten der Beklagten Bezug und stellt beide Parameter in ein angemessenes Verhältnis. Dabei ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn der Versorger als Bezugsjahr für das Markt- und das Kostenelement das der Einführung der angepassten Klausel vorausgehende Jahr - hier das Jahr 2018 - festlegt.

Orientierung an Dreijah­res­lösung zulässig

Auch die Wahl des Arbeitspreises des Jahres 2015 als Ausgangspreis in der angepassten Preis­än­de­rungs­klausel ist nicht zu beanstanden. Der Fernwär­me­ver­sorger hält sich grundsätzlich innerhalb des ihm zustehenden Gestal­tungs­spielraums, wenn er - mit Rücksicht darauf, dass es sich bei der Energieversorgung, auch im Fernwär­me­bereich, um ein Massengeschäft handelt - im Fall der zulässigen einseitigen Anpassung einer unwirksamen Preis­än­de­rungs­klausel den Ausgangspreis - wie hier - pauschalierend unter Orientierung an der Dreijahreslösung des Senats bestimmt. (Danach können Kunden eines Energie­ver­sor­gungs­un­ter­nehmens die Unwirksamkeit auf einer Preis­än­de­rungs­klausel beruhender Preiserhöhungen nur insoweit geltend machen, als sie diese innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahres­a­b­rechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet haben). Die von der Beklagten hier vorgenommene Orientierung des Arbeitspreises an der Dreijah­res­lösung eröffnet ihr keine unangemessenen Preis­ge­stal­tungs­spielräume. Denn die Dreijah­res­lösung bezweckt gerade, das bei Vertragsschluss (hier in den Jahren 2007 beziehungsweise 2013) bestehende Verhältnis von Leistung und Gegenleistung bei langfristigen Energie­ver­sor­gungs­ver­trägen über die gesamte Vertragsdauer im Gleichgewicht zu halten und ein gravierendes Ungleichgewicht von Leistung und Gegenleistung zu vermeiden. Unschädlich ist dabei, dass die Beklagte die Parameter der angepassten Preis­än­de­rungs­klausel auch dergestalt hätte wählen können, dass sich für die jeweiligen Kläger ein günstigerer Preis ergeben hätte. Denn es ist nicht erforderlich, eine im laufenden Vertrags­ver­hältnis einseitig angepasste Preis­än­de­rungs­klausel so auszugestalten, dass sich bei ihrer Anwendung für einzelne oder alle Fernwärmekunden stets der denkbar günstigste Preis ergibt, sofern der Fernwär­me­ver­sorger - wie hier - sachliche und nachvoll­ziehbare Anknüp­fungs­punkte für die jeweiligen Preis­än­de­rungs­pa­rameter zur Wahrung des Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung gewählt hat und nicht greifbare Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die vom Versorger gewählte Pauschalierung einseitig der Wahrung seiner eigenen wirtschaft­lichen Interessen dient.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/ab)

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