18.10.2024
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Sie sehen eine Einbauküche in einer Wohnung.

Dokument-Nr. 34177

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Bundesgerichtshof Urteil10.07.2024

Aufrechnung mit verjährten Schadens­ersatz­forderungen wegen Beschädigung der Mietsache gegen Kautions­rückzahlungs­anspruchVermieter dürfen mit verjährten Schadens­ersatz­forderungen aufrechnen

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass eine Aufrechnung des Vermieters mit verjährten Schadens­ersatz­forderungen wegen Beschädigung der Mietsache gegen den Kautions­rückzahlungs­anspruch des Mieters im Rahmen der Kauti­o­ns­a­b­rechnung regelmäßig auch dann möglich ist, wenn der Vermieter die ihm zustehende Erset­zungs­be­fugnis (Verlangen von Schadensersatz in Geld statt einer Wieder­her­stellung der beschädigten Sache) nicht in unverjährter Zeit ausgeübt hat.

Die Klägerin begehrt nach Beendigung des Wohnungs­miet­vertrags und Rückgabe der Wohnung am 8. November 2019 die Rückzahlung der von ihr geleisteten Barkaution in Höhe von rund 780 €. Der beklagte Vermieter rechnete mit Schreiben vom 20. Mai 2020 über die Kaution ab und erklärte die Aufrechnung mit - streitigen - Schaden­s­er­satz­ansprüchen wegen Beschädigung der Mietsache in einer das Kauti­o­ns­guthaben übersteigenden Höhe. Die Klägerin hat sich insoweit auf Verjährung berufen.

Vorinstanzen: Kein Anspruch wegen Verjährung

Die Klage hat in den Vorinstanzen Erfolg gehabt. Nach Auffassung des Berufungs­ge­richts scheitert die vom Beklagten erklärte Aufrechnung mit Schaden­s­er­satz­ansprüchen wegen Beschädigung der Mietsache daran, dass diese im Zeitpunkt der Aufrech­nungs­er­klärung bereits verjährt gewesen waren. Zwar stehe die Verjährung der Aufrechnung gemäß § 215 Alt. 1 BGB nicht entgegen, wenn die Forderung in dem Zeitpunkt, in dem erstmals aufgerechnet werden konnte, noch nicht verjährt gewesen sei. Diese Ausnahme greife vorliegend jedoch nicht ein, da eine Aufrech­nungslage in unverjährter Zeit mangels Gleichartigkeit der zur Aufrechnung gestellten Forderungen nicht bestanden habe. Der Anspruch auf Rückzahlung einer Barkaution als Geldforderung und der auf Natura­l­re­sti­tution gerichtete Anspruch auf Schadensersatz wegen Beschädigung der Mietsache seien nicht gleichartig. Zwar könne der Gläubiger eines Schaden­s­er­satz­an­spruchs wegen Beschädigung einer Sache nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB statt der Natura­l­re­sti­tution den hierfür erforderlichen Geldbetrag verlangen und so die Gleichartigkeit der Forderungen herstellen. Dies erfordere jedoch die Ausübung der dem Gläubiger diesbezüglich zustehenden Erset­zungs­be­fugnis noch innerhalb der Verjäh­rungsfrist. Mit der vom Berufungs­gericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Klage­ab­wei­sungs­be­gehren weiter.

BGH: Verrechnung auch nach Fristablauf möglich

Die Revision des Beklagten hatte Erfolg. Der BGH hat entschieden, dass eine von den Parteien im Wohnraum­miet­ver­hältnis getroffene Barkau­ti­o­ns­abrede typischerweise dahingehend auszulegen ist, dass die Möglichkeit des Vermieters, sich nach Beendigung des Mietver­hält­nisses im Rahmen der Kauti­o­ns­a­b­rechnung hinsichtlich etwaiger Schaden­s­er­satz­ansprüche wegen Beschädigung der Mietsache durch Aufrechnung befriedigen zu können, nicht an einer fehlenden Ausübung der Erset­zungs­be­fugnis in unverjährter Zeit scheitern soll. Das Berufungs­gericht hat bei seiner Beurteilung maßgeblich auf die für Schaden­s­er­satz­ansprüche wegen Beschädigung der Mietsache gesetzlich vorgesehene kurze Verjäh­rungsfrist von sechs Monaten (§ 548 Abs. 1 BGB) abgestellt, innerhalb derer eine Gleichartigkeit der zur Aufrechnung gestellten Forderungen noch nicht bestanden hat. Dabei hat das Berufungs­gericht jedoch die beiderseitigen Interessen der Parteien eines Wohnraum­miet­ver­hält­nisses im Falle der Vereinbarung einer Barkaution nicht hinreichend berücksichtigt. Eine vom Mieter gestellte Barkaution dient gerade der Sicherung der Ansprüche des Vermieters; dieser soll sich nach Beendigung des Mietver­hält­nisses auf einfache Weise durch Aufrechnung gegen den Kauti­o­ns­rü­ck­zah­lungs­an­spruch befriedigen können.

Soweit die Aufrechnung im Hinblick auf das bestehende Erfordernis der Gleichartigkeit der beiden Forderungen voraussetzt, dass der Vermieter die ihm bezüglich etwaiger Schaden­s­er­satz­ansprüche wegen Beschädigung der Mietsache zustehende Erset­zungs­be­fugnis ausübt, um Schadensersatz in Form eines Geldbetrags verlangen zu können, hat der Mieter regelmäßig kein Interesse daran, dass dies noch in unverjährter Zeit erfolgt. Die isolierte Ausübung der Erset­zungs­be­fugnis innerhalb der Verjäh­rungsfrist wäre insofern ein lediglich formaler Schritt im Vorfeld zu der für beide Parteien letztlich maßgeblichen Abrechnung des Vermieters über die Barkaution, die ihrerseits nach der Rechtsprechung des Senats nicht in jedem Fall innerhalb der kurzen Verjäh­rungsfrist zu erfolgen hat. Da die Aufrechnung des Vermieters hiernach nicht an der Verjährung scheitert, hat der Senat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungs­gericht zurückverwiesen, damit dieses die erforderlichen Feststellungen dazu treffen kann, ob die von dem beklagten Vermieter behaupteten Schaden­s­er­satz­ansprüche bestehen.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/ab)

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