21.11.2024
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Dokument-Nr. 33895

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Bundesgerichtshof Urteil10.04.2024

BGH zur Reichweite eines vertraglichen Gewährleistungs­ausschlusses beim Kauf eines rund 40 Jahre alten GebrauchtwagensHaftung für Sachmängel auch beim Oldtimer möglich

Der Bundes­ge­richtshof hat sich mit der Frage befasst, ob sich der Verkäufer eines fast 40 Jahre alten Fahrzeugs mit Erfolg auf einen vertraglich vereinbarten allgemeinen Gewährleistungs­ausschluss berufen kann, wenn er mit dem Käufer zugleich vereinbart hat, dass die in dem Fahrzeug befindliche Klimaanlage einwandfrei funktioniere, und der Käufer nunmehr Mängelrechte wegen eines Defekts der Klimaanlage geltend macht.

Der Kläger erwarb im März 2021 im Rahmen eines Privatverkaufs von dem Beklagten zu einem Kaufpreis von 25.000 € einen erstmals im Juli 1981 zugelassenen Mercedes-Benz 380 SL mit einer Laufleistung von rund 150.000 km. In der Verkaufsanzeige des Beklagten auf einer Onlineplattform hieß es unter anderem: "Klimaanlage funktioniert einwandfrei. Der Verkauf erfolgt unter Ausschluss jeglicher Sachmän­gel­haftung". Im Mai 2021 beanstandete der Kläger, dass die Klimaanlage defekt sei. Nachdem der Beklagte etwaige Ansprüche des Klägers zurückgewiesen hatte, ließ dieser die Klimaanlage - im Wesentlichen durch eine Erneuerung des Klima­kom­pressors - instand setzen. Mit der Klage verlangt er von dem Beklagten den Ersatz von Reparaturkosten in Höhe von rund 1.750 €. In der Vorinstanz hatte der Käufer jedoch keinen Erfolg. Das LG war der Ansicht, der Gewährleistungsausschluss erstrecke sich auch auf einen etwaigen Mangel an der Klimaanlage. Bei einem rund 40 Jahre alten Fahrzeug müsse trotz Beschaffenheitsvereinbarung stets mit einem gewissen Instand­set­zungs­bedarf gerechnet werden. Der Käufer habe daher nicht erwarten dürfen, dass die schon lange Zeit über ihre technische Lebensdauer hinaus betriebene Klimaanlage auch weiterhin funktionieren werde. Mit der vom Berufungs­gericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Haftungs­aus­schluss gilt nicht für vereinbarte Beschaffenheit

Die Revision des Klägers hatte Erfolg. Der BGH hat entschieden, dass der Beklagte sich gegenüber dem hier im Streit stehenden Schaden­s­er­satz­an­spruch des Klägers nicht mit Erfolg auf den vereinbarten Gewähr­leis­tungs­aus­schluss berufen kann. Nach gefestigter höchst­rich­ter­licher Rechtsprechung ist in den Fällen einer (ausdrücklich oder stillschweigend) vereinbarten Beschaffenheit im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB aF (nunmehr § 434 Abs. 1, 2 Satz 1 Nr. 1 BGB) ein daneben vereinbarter allgemeiner Haftungs­aus­schluss für Sachmängel dahin auszulegen, dass er nicht für das Fehlen der vereinbarten Beschaffenheit, sondern nur für sonstige Mängel, nämlich solche im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 2 BGB aF, gelten soll. Entgegen der Auffassung des Berufungs­ge­richts - das zwar rechts­feh­lerfrei von einer hinsichtlich der einwandfreien Funkti­o­ns­fä­higkeit der Klimaanlage getroffenen Beschaf­fen­heits­ver­ein­barung ausgegangen ist - kommt eine von diesem Grundsatz abweichende Auslegung des Gewähr­leis­tungs­aus­schlusses nicht in Betracht.

Weder Alter des Autos, noch Verschleiß­an­fäl­ligkeit relevant

Der Umstand, dass der Beklagte nicht erst im schriftlichen Kaufvertrag, sondern bereits in seiner Internetanzeige - unmittelbar im Anschluss an die Angabe "Klimaanlage funktioniert einwandfrei" - erklärt hat, dass der Verkauf "unter Ausschluss jeglicher Sachmän­gel­haftung" erfolge, erlaubt es nicht, den vereinbarten Gewähr­leis­tungs­aus­schluss dahingehend zu verstehen, dass er sich auf die getroffene Beschaf­fen­heits­ver­ein­barung über die (einwandfreie) Funkti­o­ns­fä­higkeit der Klimaanlage erstreckt. Denn gerade das - aus Sicht eines verständigen Käufers - gleichrangige Neben­ein­an­der­stehen einer Beschaf­fen­heits­ver­ein­barung einerseits und eines Ausschlusses der Sachmängelhaftung andererseits gebietet es nach der Rechtsprechung des BGH, den Gewähr­leis­tungs­aus­schluss als beschränkt auf etwaige, hier nicht in Rede stehende Sachmängel nach § 434 Abs. 1 Satz 2 BGB aF aufzufassen, da die Beschaf­fen­heits­ver­ein­barung für den Käufer andernfalls - außer im (hier nicht gegebenen) Fall der Arglist des Verkäufers (§ 444 Alt. 1 BGB) - ohne Sinn und Wert wäre. Insbesondere aber rechtfertigen in einem Fall, in dem - wie hier - die Funkti­o­ns­fä­higkeit eines bestimmten Fahrzeug­bauteils den Gegenstand einer Beschaf­fen­heits­ver­ein­barung bildet, weder das (hohe) Alter des Fahrzeugs beziehungsweise des betreffenden Bauteils, noch der Umstand, dass dieses Bauteil typischerweise dem Verschleiß unterliegt, die Annahme, dass ein zugleich vereinbarter allgemeiner Gewähr­leis­tungs­aus­schluss auch für das Fehlen der vereinbarten Beschaffenheit gelten soll. Diese Umstände (Alter des Fahrzeugs, Verschleiß­an­fäl­ligkeit eines Bauteils) können zwar für die übliche Beschaffenheit eines Gebrauchtwagens von Bedeutung sein. Sie spielen jedoch weder für die Frage einer konkret vereinbarten Beschaffenheit noch für die hier maßgebliche Frage eine Rolle, welche Reichweite ein allgemeiner Gewähr­leis­tungs­aus­schluss im Fall einer vereinbarten Beschaffenheit hat. Vielmehr findet der Grundsatz, dass ein vertraglich vereinbarter allgemeiner Gewähr­leis­tungs­aus­schluss die Haftung des Verkäufers für einen auf dem Fehlen einer vereinbarten Beschaffenheit beruhenden Sachmangel unberührt lässt, auch dann uneingeschränkt Anwendung, wenn der Verkäufer die Funkti­o­ns­fä­higkeit eines Verschleißteils eines Gebrauchtwagens zugesagt hat. Nach alledem hat der Senat das Urteil des Berufungs­ge­richts aufgehoben und zur neuen Verhandlung und Entscheidung an dieses zurückverwiesen.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/ab)

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