18.10.2024
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Dokument-Nr. 8751

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Bundesgerichtshof Urteil11.11.2009

BGH zur Wirksamkeit formularmäßiger Einwilligungen zur Daten­spei­cherung und Zusendung von WerbepostKlauseln hinsichtlich daten­schutz­recht­licher Bestimmungen nicht zu beanstanden

Deutlich gekennzeichnete Vertrags­klauseln zur formularmäßigen Einwilligung zur Daten­spei­cherung und zur Datennutzung für die Zusendung von Werbung per Post sind wirksam. Eine Klausel, die den Verbraucher dazu veranlassen soll, einen Vertrag für ein Kundenbindungs- und Rabattsystem zu unterschreiben, ohne zuvor die Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen einsehen zu können, ist dagegen unwirksam. Dies entschied der Bundes­ge­richtshof.

Der Kläger ist der Bundesverband der Verbrau­cher­zen­tralen und Verbrau­cher­verbände. Die Beklagte organisiert und betreibt das Kundenbindungs- und Rabattsystem "HappyDigits". Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung der Verwendung von Klauseln in Anspruch, die diese in ihren Anmel­de­for­mularen verwendet.

Die erste, in der Mitte des Formulars platzierte und zusätzlich umrandete Klausel, deren Verwendung das Berufungs­gericht untersagt hat, lautet:

Erläuterungen

"Einwilligung in Beratung, Information (Werbung) und Marketing

Ich bin damit einverstanden, dass meine bei HappyDigits erhobenen persönlichen Daten (Name, Anschrift, Geburtsdatum) und meine Programmdaten (Anzahl gesammelte Digits und deren Verwendung; Art der gekauften Waren und Dienst­leis­tungen; freiwillige Angaben) von der D GmbH [...] als Betreiberin des HappyDigits Programms und ihren Partner­un­ter­nehmen zu Marktforschungs- und schriftlichen Beratungs- und Infor­ma­ti­o­ns­zwecken (Werbung) über Produkte und Dienst­leis­tungen der jeweiligen Partner­un­ter­nehmen gespeichert, verarbeitet und genutzt werden. [...] Sind Sie nicht einverstanden, streichen Sie die Klausel [...]"

Klausel hinsichtlich Einwilligung zur Zusendung von Werbepost wirksam

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass die Klausel wirksam ist. Sie betrifft allein die Einwilligung in die Speicherung, Verarbeitung und Nutzung von Daten für die Zusendung von Werbung per Post sowie zu Zwecken der Marktforschung. Wie der Bundes­ge­richtshof nach Erlass des Berufungs­urteils entschieden hat (vgl. Bundes­ge­richtshof, Urteil v. 16.07.2008 - VIII ZR 348/06 -), bilden die Vorschriften des Bundes­da­ten­schutz­ge­setzes (BDSG) insoweit den alleinigen Prüfungsmaßstab für die Frage, ob durch eine solche Einwilligung Regelungen vereinbart worden sind, die im Sinne von § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB von Rechts­vor­schriften abweichen oder diese ergänzen.

Möglichkeit zur Abwahl der Klausel durch Ankreuzfeld nicht zwingend nötig

Unter dem Gesichtspunkt daten­schutz­recht­licher Bestimmungen ist die Klausel nicht zu beanstanden. Danach kann die Einwilligung in die Speicherung, Verarbeitung und Nutzung von Daten zusammen mit anderen Erklärungen schriftlich erteilt werden, sofern sie – wie hier - besonders hervorgehoben wird. Zwar sieht die Klausel – im Gegensatz zu der Klausel, die Gegenstand der "Payback"-Entscheidung vom 16. Juli 2008 war - nicht die Möglichkeit vor, zu ihrer Abwahl ein zusätzliches Kästchen anzukreuzen, sondern weist fettgedruckt auf die Möglichkeit zur Streichung der Klausel hin. Die Möglichkeit zur Abwahl durch Ankreuzen ist aber nicht zwingend, wenn die Klausel eine andere Abwahl­mög­lichkeit enthält und dem Hervor­he­bungs­er­for­dernis des § 4 a Abs. 1 BDSG* gerecht wird. Das ist hier der Fall. Die Klausel 1 ist in der Mitte des eine Druckseite umfassenden Formulars platziert und als einziger Absatz der Seite mit einer zusätzlichen Umrahmung versehen, so dass sie schon deshalb Aufmerksamkeit auf sich zieht. Der fettgedruckten Überschrift lässt sich schon aufgrund des verwendeten Worts "Einwilligung" unmittelbar entnehmen, dass sie ein rechtlich relevantes Einverständnis des Verbrauchers mit Werbungs- und Marke­ting­maß­nahmen enthält, die – was einem durch­schnittlich verständigen Verbraucher bekannt ist – in aller Regel mit einer Speicherung und Nutzung von Daten einhergehen.

Einwil­li­gungs­er­klärung muss drucktechnisch deutliche hervorgehoben werden

Daran hat sich auch durch die Änderung des Bundes­da­ten­schutz­ge­setzes mit Wirkung vom 1. September 2009 nichts geändert. Nach § 28 Abs. 3 Satz 1 BDSG nF** ist die Verarbeitung oder Nutzung perso­nen­be­zogener Daten für Zwecke des Adresshandels oder der Werbung zulässig, soweit der Betroffene eingewilligt hat. Soll die Einwilligung zusammen mit anderen Erklärungen schriftlich erteilt werden, ist sie nach § 28 Abs. 3a Satz 2 BDSG nF*** in drucktechnisch deutlicher Gestaltung besonders hervorzuheben. Die in der Regelung enthaltenen Anforderungen sollen nach der Geset­zes­be­gründung denen entsprechen, die der Bundes­ge­richtshof in der Entscheidung vom 16. Juli 2008 an die Hervorhebung der Einwilligungserklärung gestellt hat. Auch nach der neuen Fassung des Bundes­da­ten­schutz­ge­setzes ist somit eine "opt-out"-Regelung zur Erteilung der Einwilligung in die Verarbeitung und Nutzung perso­nen­be­zogener Daten für Zwecke der Werbung per Post zulässig. Eine darüber hinausgehende Einwilligung in die Verwendung solcher Daten für Werbung im Wege elektronischer Post (SMS, E-Mail), die nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG**** wirksam nur durch eine gesondert abzugebende Erklärung ("opt-in") erteilt werden kann, ist – anders als im "Payback"-Fall – nicht Gegenstand der von der Beklagten verwendeten Klausel.

Die zweite, vor der Unter­schrif­tenzeile platzierte Klausel, die das Berufungs­gericht nicht beanstandet hat, lautet:

"Die Teilnahme an HappyDigits erfolgt auf Grundlage der Allgemeinen Teilnah­me­be­din­gungen, die Sie mit Ihrer Karte erhalten und die Sie dann mit Ihrer ersten Aktivität, z.B. Sammeln, anerkennen."

Vertrags­un­ter­zeichnung ohne Einsicht in die AGBs stellt unangemessene Benachteiligung der Verbraucher dar

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass diese Klausel unwirksam ist (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 305 Abs. 2, § 308 Nr. 5 BGB). Sie soll die Einbeziehung der von der Beklagten verwendeten Allgemeinen Teilnah­me­be­din­gungen in die zu schließenden Verträge bewirken, ohne dass die dafür erforderlichen Voraussetzungen eingehalten sind (§ 305 Abs. 2 BGB). Voraussetzung für die wirksame Einbeziehung ist unter anderem, dass der Verwender der anderen Vertragspartei bei Vertrags­ab­schluss die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise von dem Inhalt Allgemeiner Geschäfts­be­din­gungen Kenntnis zu nehmen (§ 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Die Klausel geht aber davon aus, dass die Allgemeinen Teilnah­me­be­din­gungen den Teilnehmern bei Abgabe des Teilnah­meantrags nicht vorliegen, sondern erst später mit der Karte übersandt werden. In den somit ohne Einbeziehung der Allgemeinen Teilnah­me­be­din­gungen zustande gekommenen Vertrag sollen diese sodann nachträglich dadurch einbezogen werden, dass das Einverständnis der Teilnehmer mit der darin liegenden Vertrag­s­än­derung durch die erste Verwendung der Karte unter Verstoß gegen § 308 Nr. 5 BGB fingiert wird. Darin liegt eine unangemessene Benachteiligung der Verbraucher.

*§ 4 a Abs. 1 Satz 4 BDSG lautet: "Soll die Einwilligung zusammen mit anderen Erklärungen schriftlich erteilt werden, ist sie besonders hervorzuheben".

** § 28 Abs. 3 Satz 1 BDSG nF lautet: "Die Verarbeitung oder Nutzung perso­nen­be­zogener Daten für Zwecke des Adresshandels oder der Werbung ist zulässig, soweit der Betroffene eingewilligt hat (…)".

***§ 28 Abs. 3a Satz 2 BDSG nF lautet: "Soll die Einwilligung zusammen mit anderen Erklärungen schriftlich erteilt werden, ist sie in drucktechnisch deutlicher Gestaltung besonders hervorzuheben".

**** § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG lautet: "Eine unzumutbare Belästigung ist stets anzunehmen bei Werbung unter Verwendung einer automatischen Anrufmaschine, eines Faxgeräts oder elektronischer Post, ohne dass eine vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten vorliegt, (...)."

Quelle: ra-online, BGH

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