18.10.2024
18.10.2024  
Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.
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Bundesgerichtshof Urteil12.12.2023

Verstoß gegen die Straßen­verkehrs­ordnung bei Vorbeifahrt an einem Müllab­fuhr­fahrzeugBGH sah Verschulden auf beiden Seiten

Der Bundes­ge­richtshof hat über einen Fall entschieden, in dem eine Pkw-Fahrerin an einem Müllab­fuhr­fahrzeug vorbeifuhr und mit einem gerade entleerten Müllcontainer kollidierte. Der Senat hat in diesem Fall einen Verstoß der Fahrerin gegen die Straßen­verkehrs­ordnung bejaht.

Die Klägerin, ein Pflegedienst, macht gegen einen für die Abfall­wirt­schaft zuständigen kommunalen Zweckverband Schaden­s­er­satz­ansprüche nach einem Verkehrsunfall geltend, bei dem eines ihrer Pflege­dienst­fahrzeuge beschädigt wurde. Eine Mitarbeiterin der Klägerin fuhr mit diesem Fahrzeug aus der Gegenrichtung kommend an einem Müllab­fuhr­fahrzeug des beklagten Zweckverbandes vorbei, das mit laufendem Motor, laufender Schüttung und eingeschalteten gelben Rundumleuchten sowie Warnblinkanlage in der Straße stand. Dabei kam es zu einer Kollision des klägerischen Fahrzeugs mit einem Müllcontainer, den ein bei dem Beklagten angestellter Müllwerker hinter dem Müllab­fuhr­fahrzeug quer über die Straße schob. Mit der Klage hat die Klägerin Erstattung der Fahrzeu­gre­pa­ra­tur­kosten verlangt. Das Landgericht hat der Klage gegen den Beklagten unter Zugrundelegung einer Haftungsquote von 50 zu 50 teilweise stattgegeben. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlan­des­gericht das Urteil des Landgerichts teilweise abgeändert und den Beklagten unter Zugrundelegung einer Haftungsquote von 75 (Beklagter) zu 25 (Klägerin) zu weiterem Schadensersatz verurteilt. Es ist dabei davon ausgegangen, dass der Fahrerin des Pkw kein Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung anzulasten sei.

Gefahr dem Müllfahrzeug zuzurechnen

Die Revision des Beklagten hatte Erfolg. Das Urteil des Berufungs­ge­richts wurde aufgehoben und die Sache an das Berufungs­gericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Der Klägerin steht gegen den Beklagten als Halter des Müllab­fuhr­fahrzeugs ein Schaden­s­er­satz­an­spruch aus § 7 StVG zu, da das Fahrzeug der Klägerin "bei dem Betrieb" des Müllab­fuhr­fahrzeugs beschädigt worden ist. Die Gefahr, die von einer gerade entleerten Mülltonne auf der Straße für andere Verkehrs­teil­nehmer ausgeht, ist dem Betrieb des Müllab­fuhr­fahrzeugs zuzurechnen. Bei der Entscheidung über die Haftungsverteilung hat das Berufungs­gericht zu Recht dem Müllwerker einen schuldhaften Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO vorgeworfen, weil er hinter dem Müllab­fuhr­fahrzeug einen Müllcontainer quer über die Straße schob, ohne auf den Verkehr und das Fahrzeug der Klägerin zu achten, welches für ihn - hätte er den Müllcontainer nicht vor sich hergeschoben - erkennbar gewesen wäre.

Nicht uneingeschränkt auf verkehrs­ge­rechtes Verhalten vertrauen

Allerdings ist entgegen der Ansicht des Berufungs­ge­richts auch der Mitarbeiterin der Klägerin als Fahrerin des Pkw ein Verstoß gegen die Straßen­ver­kehrs­ordnung vorzuwerfen. Wer an einem Müllab­fuhr­fahrzeug vorbeifährt, das erkennbar im Einsatz ist, darf daher nicht uneingeschränkt auf ein verkehrs­ge­rechtes Verhalten der Müllwerker vertrauen. Er muss damit rechnen, dass Müllwerker plötzlich vor oder hinter dem Müllab­fuhr­fahrzeug hervortreten und unachtsam einige Schritte weiter in den Verkehrsraum tun, bevor sie sich über den Verkehr vergewissern. Auf diese typischerweise mit dem Einsatz von Müllab­fuhr­fahr­zeugen verbundenen Gefahren hat der vorbeifahrende Verkehrs­teil­nehmer sein Fahrverhalten einzurichten. Lässt sich ein ausreichender Seitenabstand zum Müllab­fuhr­fahrzeug, durch den die Gefährdung eines plötzlich vor oder hinter dem Müllab­fuhr­fahrzeug hervortretenden Müllwerkers vermieden werden kann, nicht einhalten, so ist die Geschwindigkeit gemäß § 1, § 3 Abs. 1 Satz 2 StVO so weit zu drosseln, dass der Verkehrs­teil­nehmer sein Fahrzeug notfalls sofort zum Stehen bringen kann. Den dargelegten Anforderungen genügte die vom Berufungs­gericht festgestellte Fahrweise der Fahrerin des klägerischen Fahrzeugs nicht. Bei einem Seitenabstand von maximal 50 cm zum Müllab­fuhr­fahrzeug war die Ausgangs­ge­schwin­digkeit von 13 km/h zu hoch, als dass die Fahrerin das Fahrzeug notfalls sofort zum Stehen hätte bringen können.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/ab)

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