18.10.2024
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Sie sehen einen Gerichtshammer, der auf verschiedenen Geldscheinen liegt.
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Bundesgerichtshof Urteil19.03.2013

BGH zur Anwendbarkeit des Kredit­we­sen­ge­setzes auf Verbind­lich­keiten aus WinzergeldernSchuldnerin nahm Gelder von Winzern mit einer Rückzah­lungs­ver­pflichtung entgegen, um damit in ihrem Aktivgeschäft zu wirtschaften

Es besteht eine Erlaub­nis­pflicht nach dem Kredit­we­sen­gesetz für überjährige Zinsgeschäfte der Winzer­ge­nos­sen­schaften und vergleichbaren Betriebe mit Winzergeldern. Dies hat der Bundes­ge­richtshof entschieden.

Dem vorzuliegenden Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger, ein in der Pfalz ansässiger Winzer, nimmt die Beklagten als ehemalige Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der zwischen­zeitlich insolventen L. GmbH & Co. KG wegen des von ihm über mehrere Jahre bei der Schuldnerin belassenen und aufgrund der Insolvenz nicht zurück­er­haltenen "Winzergelds" auf Schadensersatz in Anspruch. Bei der Schuldnerin war es bereits seit den 1970er Jahren ständige Geschäftspraxis, dass eine Vielzahl von Erzeugern aus der Winzergemeinschaft (im Durchschnitt 160 bis 300 Winzer) jeweils einen Teil des Entgelts für die Ablieferung ihrer Trauben als jederzeit abrufbare "Einlage" gegen Verzinsung stehen ließen, damit die Schuldnerin mit dem Kapital wirtschaften konnte. Im Jahre 2007 hatten mindestens 50 Erzeuger "Winzergelder" in Höhe von insgesamt etwa 2.500.000 Euro ohne bankübliche Sicherheiten bei der Schuldnerin einbezahlt. Eine Erlaubnis nach dem Kreditwesengesetz besaßen die Schuldnerin beziehungsweise ihre Komplementär-GmbH nicht.

Kläger verlangte Ersatz des Restbetrags Zug um Zug gegen Abtretung seiner Ansprüche

Die Winzer­ge­mein­schaft, der auch der Kläger angehört, verpflichtete sich mit Liefer- und Abnahmevertrag vom 1. September 1983 zur Lieferung von Weintrauben an die Schuldnerin. Der Vertrag wurde mit Vereinbarung vom 6. Oktober 1989 unter anderem um die Regelung ergänzt, dass für den Fall, dass ein Mitglied der Winzer­ge­mein­schaft (Erzeuger) einen Teil oder den Gesamterlös seiner Ernte bei der Schuldnerin stehen lässt, dieser Betrag mit 5 % verzinst wird und der Zinssatz mit steigendem und fallendem Kreditzins gleitend sein soll. Nachdem der Kläger auf seine ursprünglich getätigten Einzahlungen in Höhe von zuletzt 81.447,67 Euro nach der Insolvenz der Schuldnerin teilweise Entschä­di­gungs­leis­tungen von dritter Seite erhalten hat, verlangte er von den Beklagten Ersatz des Restbetrags Zug um Zug gegen Abtretung seiner im Insol­venz­ver­fahren der Schuldnerin festgestellten Ansprüche. In diesem Umfang hatte die Klage in den Vorinstanzen Erfolg. Nach Auffassung des Berufungs­ge­richts handelt es sich bei den vom Kläger eingezahlten Geldern um Einlagen im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG, so dass die Beklagten durch die Annahme der Gelder ohne die dafür erforderliche Erlaubnis gegen § 32 Abs. 1 Satz 1, § 54 Abs. 1 Nr. 2 Fall 1, Abs. 2 KWG verstoßen hätten und dem Kläger deswegen deliktisch zum Schadensersatz verpflichtet seien. Das Berufungs­gericht hat die Revision zugelassen.

Beklagte führten Bankgeschäfte ohne aufsichts­be­hördliche Erlaubnis

Der Bundes­ge­richtshof hat die Beurteilung des Berufungs­ge­richts gebilligt. Die Geschäftspraxis der Schuldnerin erfüllte alle Merkmale eines Einla­gen­ge­schäfts im Sinne des Kredit­we­sen­ge­setzes. Ein solches setzt voraus, dass fremde Gelder von Unternehmen von mehreren Geldgebern, die keine Kreditinstitute im Sinne des § 1 Abs. 1 KWG sind, zur unregelmäßigen Verwahrung, als Darlehen oder in ähnlicher Weise ohne Bestellung banküblicher Sicherheiten und ohne schriftliche Vereinbarung im Einzelfall laufend zur Finanzierung eines auf Gewinnerzielung gerichteten Aktivgeschäfts entge­gen­ge­nommen werden. Die Schuldnerin nahm Gelder von einer Vielzahl von Winzern mit einer Rückzah­lungs­ver­pflichtung und ohne bankübliche Besicherung laufend entgegen, um damit in ihrem Aktivgeschäft zu wirtschaften. Indem die Beklagten als Organe der Komplementär-GmbH der Schuldnerin Einla­gen­ge­schäfte und damit Bankgeschäfte ohne aufsichts­be­hördliche Erlaubnis führten, verstießen sie gegen das Kredit­we­sen­gesetz. Sie handelten dabei jedenfalls fahrlässig, denn sie hätten sich über etwaige Erlaub­ni­ser­for­dernisse unterrichten müssen.

Trauben­geld­ver­pflichtung wird mit Endabrechnung fällig

Bereits im Jahr 1974 hatte das Bundes­auf­sichtsamt für das Kreditwesen in einem amtlichen Schreiben zum Einlagenbegriff im Zusammenhang mit "Winzergeldern" Stellung genommen. Danach stellen die im Verlauf einer Abrech­nungs­periode geleisteten Zahlungen oder erteilten Zwische­n­a­b­rech­nungen der Winzer­ge­nos­sen­schaften bis zur endgültigen Jahrgangs­a­b­rechnung nur Vorschüsse auf den endgültigen Traubenpreis dar. Mit der Endabrechnung wird die Trauben­geld­ver­pflichtung fällig. Wenn ein Winzer gemäß den Zwische­n­a­b­rech­nungen keine Vorauszahlung verlangt, können die nicht in Anspruch genommenen Beträge bis zur Endabrechnung verzinst werden, ohne dass es sich bei den derart entstandenen "Guthaben" der Winzer um Einlagen im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG handelt. Werden die mit der Endabrechnung fällig gewordenen Beträge einschließlich der hinsichtlich des jeweiligen Jahrgangs nicht in Anspruch genommenen Vorschüsse nicht unverzüglich an die Mitglieder ausgezahlt, ist die Verbindlichkeit einer Winzer­ge­nos­sen­schaft gegenüber ihren Mitgliedern insoweit als Einlage anzusehen.

Hinweise zur Rechtslage

Erläuterungen
§ 1 des Gesetzes über das Kreditwesen (KWG)

Begriffsbestimmung

(1) Kreditinstitute sind Unternehmen, die Bankgeschäfte gewerbsmäßig oder in einem Umfang betreiben, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäfts­betrieb erfordert. Bankgeschäfte sind

1. die Annahme fremder Gelder als Einlagen oder anderer unbedingt rückzahlbarer Gelder des Publikums, sofern der Rückzah­lungs­an­spruch nicht in Inhaber- oder Order­schuld­ver­schrei­bungen verbrieft wird, ohne Rücksicht darauf, ob Zinsen vergütet werden (Einla­gen­ge­schäft), …

§ 32 des Gesetzes über das Kreditwesen (KWG)

Erlaubnis

(1) Wer im Inland gewerbsmäßig oder in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäfts­betrieb erfordert, Bankgeschäfte betreiben oder Finanz­dienst­leis­tungen erbringen will, bedarf der schriftlichen Erlaubnis der Bundesanstalt …

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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