21.11.2024
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Dokument-Nr. 31134

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Bundesgerichtshof Urteil29.11.2021

BGH-Urteil: Keine Entschädigung für Kohls Witwe

Der Bundes­ge­richtshof hat in zwei Verfahren um das Buch "VERMÄCHTNIS - DIE KOHL-PROTOKOLLE" Urteile verkündet. Die Revision der Klägerin gegen das den von ihr geltend gemachten Geld­entschädigungs­anspruch verneinende Urteil des Oberlan­des­ge­richts Köln hat er zurückgewiesen. Zum Teil erfolgreich waren die Revisionen der Klägerin und des beklagten Verlags ("Drittbeklagte") hinsichtlich des sich mit den Unterla­ssungs­ansprüchen befassenden Urteils des Oberlan­des­ge­richts Köln.

Im Oktober 2014 erschien im H.-Verlag, einer Verlagsmarke der Drittbeklagten, ein vom Erstbeklagten, einem Historiker und Journalisten, zusammen mit dem inzwischen verstorbenen Zweitbeklagten, ebenfalls Journalist, verfasstes Buch mit dem Titel "VERMÄCHTNIS - DIE KOHL-PROTOKOLLE". Das Buch enthält eine Vielzahl angeblicher Äußerungen des vormaligen Klägers Bundeskanzler a. D. Dr. Helmut Kohl. Hinsichtlich sämtlicher Äußerungen machen die Beklagten geltend, dass sie anlässlich von Gesprächen gefallen sind, die der Erstbeklagte mit dem vormaligen Kläger zur Erstellung von dessen Memoiren geführt hatte. Der vormalige Kläger hat geltend gemacht, das Buch verletze ihn in insgesamt 116 Passagen in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Er hat die Beklagten deshalb zum einen auf Unterlassung der wörtlichen oder sinngemäßen Verbreitung dieser Passagen (VI ZR 248/18) und zum anderen auf Zahlung einer Geldentschädigung in einer Größenordnung von mindestens 5 Mio. € nebst Zinsen (VI ZR 258/18) in Anspruch genommen. Bei der nunmehrigen Klägerin handelt es sich um die Witwe und Alleinerbin des am 16. Juni 2017 und damit während der Berufungs­ver­fahren verstorbenen vormaligen Klägers, die den Rechtsstreit fortführt.

OLG: Keine Geldent­schä­digung, aber Anspruch auf Unterlassung

Das Landgericht hat die drei Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 1 Mio. € verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlan­des­gericht die Klage vollumfänglich abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Anspruch auf Geldent­schä­digung wegen Verletzung des allgemeinen Persön­lich­keits­rechts sei nicht vererblich, weshalb der Klageanspruch jedenfalls mit dem Tod des vormaligen Klägers erloschen sei. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Berufungs­gericht zugelassenen Revision. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des Erstbeklagten hat das Oberlan­des­gericht zurückgewiesen. Die Berufungen des Zweitbeklagten und der Drittbeklagten hatten in Bezug auf eine der 116 Textpassagen voll und in Bezug auf weitere 40 Textpassagen zum Teil Erfolg. Mit ihrer vom Berufungs­gericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wieder­her­stellung des landge­richt­lichen Urteils; der Zweitbeklagte und die Drittbeklagte begehren mit ihren Revisionen weiterhin die Abweisung der Klage. Nach dem Tod des Zweitbeklagten ist auch dieses Verfahren ihm bzw. seinen Erben gegenüber unterbrochen. Gegenstand des nun verkündeten Urteils (Teilurteil) ist deshalb alleine noch der gegen die Drittbeklagte gerichtete Unter­las­sungs­an­spruch.

BGH: Geldent­schä­di­gungs­an­spruch grundsätzlich nicht vererblich

Der BGH hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Die Annahme des Oberlan­des­ge­richts, der Geldent­schä­di­gungs­an­spruch wegen Verletzung des allgemeinen Persön­lich­keits­rechts sei grundsätzlich nicht vererblich und deshalb jedenfalls mit dem Tod des vormaligen Klägers untergegangen, trifft zu. Die grundsätzliche Unver­erb­lichkeit eines solchen Anspruchs entspricht der gefestigten höchst­rich­ter­lichen Rechtsprechung. Begründet wird sie mit der Funktion des Geldent­schä­di­gungs­an­spruchs, bei der der Genug­tu­ungs­gedanke im Vordergrund steht; einem Verstorbenen kann Genugtuung aber nicht mehr verschafft werden. Durchgreifende Gründe, diese Rechtsprechung aufzugeben, sah der VI. Zivilsenat nicht. Schließlich lagen im Streitfall auch keine besonderen Umstände vor, die (ausnahmsweise) zur Vererblichkeit geführt hätten. Insbesondere wird der Geldent­schä­di­gungs­an­spruch nicht dadurch vererblich, dass er dem Erblasser noch zu dessen Lebzeiten zugesprochen wird, wenn das entsprechende Urteil bei Eintritt des Todes - wie hier - noch nicht rechtskräftig ist.

Unter­las­sungs­an­spruch auf Veröf­fent­lichung und Verbreitung von Fehlzitaten beschränkt

Hinsichtlich der Unterlassung hatten die Revisionen beider Parteien teilweise Erfolg. Der von der Klägerin geltend gemachte, deliktische Unter­las­sungs­an­spruch gegenüber der Drittbeklagten, mit der der vormalige Kläger anders als mit dem Erstbeklagten keine (konkludente) Verschwie­gen­heits­ver­ein­barung über den Tod hinaus getroffen hatte, beschränkt sich auf die Veröf­fent­lichung und Verbreitung von im Buch vorhandenen Fehlzitaten. Nur insoweit verletzen Veröf­fent­lichung und Verbreitung der angegriffenen Buchpassagen das von der Klägerin wahrgenommene postmortale Persön­lich­keitsrecht ihres verstorbenen Ehemannes. Soweit keine Fehlzitate vorliegen, besteht keine Unter­las­sungs­pflicht der Drittbeklagten. Eine solche folgt - anders als das Oberlan­des­gericht meinte - insbesondere nicht daraus, dass der vormalige Kläger einer Veröf­fent­lichung einiger Aussagen schon im Rahmen der Memoi­ren­ge­spräche ausdrücklich widersprochen hatte ("Sperr­ver­merks­zitate"), noch daraus, dass die Wiedergabe wörtlicher Zitate eine unzulässige "bildnisgleiche" bzw. "intensive" Verdinglichung seiner Person darstellte.

Verlag darf Fehlzitate auch nicht sinngemäß veröffentlichen oder verbreiten

Soweit sich die Zitate auf der Grundlage der Feststellungen des Oberlan­des­ge­richts abschließend als Fehlzitate einordnen lassen, hat der BGH deshalb die Revision der Drittbeklagten zurückgewiesen, soweit sie sich abschließend als zutreffend beurteilen lassen, hat er das Berufungsurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Soweit sich auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen nicht beurteilen lässt, ob das jeweilige Zitat richtig oder falsch ist, hat der Senat die Sache an das Oberlan­des­gericht zurückverwiesen, damit die noch fehlenden Feststellungen dort getroffen werden können. Die Revision der Klägerin hatte insoweit Erfolg, als das Oberlan­des­gericht die Unter­las­sungs­ver­pflichtung der Drittbeklagten auch hinsichtlich der (möglichen) Fehlzitate auf die wörtliche Wiedergabe der im Buch als wörtliche Zitate gekenn­zeichneten Aussagen beschränkt hatte. Denn das postmortale Persön­lich­keitsrecht eines Verstorbenen verletzende Fehlzitate dürfen auch nicht sinngemäß veröffentlicht oder verbreitet werden.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/ab)

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