21.11.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.

Dokument-Nr. 25908

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Urteil15.05.2018BundesgerichtshofVI ZR 233/17
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NJW 2018, 2883Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2018, Seite: 2883
  • r+s 2018, 438Zeitschrift: recht und schaden (r+s), Jahrgang: 2018, Seite: 438
Für Details Fundstelle bitte Anklicken!
Vorinstanzen:
  • Amtsgericht Magdeburg, Urteil19.12.2016, 104 C 630/15
  • Landgericht Magdeburg, Urteil05.05.2017, 1 S 15/17
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil15.05.2018

BGH zur Verwertbarkeit von Dashcam-Aufnahmen als Beweismittel im Unfall­haftpflicht­prozessUnzulässigkeit oder Rechtwidrigkeit einer Beweiserhebung führt nicht ohne Weiteres zu Beweis­verwertungs­verbot

Der Bundes­ge­richtshof hatte über die Verwertbarkeit von Dashcam-Aufnahmen als Beweismittel im Unfall­haftpflicht­prozess zu entscheiden.

Der Kläger des zugrunde liegenden Verfahrens nahm den Beklagten und seine Haftpflicht­ver­si­cherung nach einem Verkehrsunfall auf restlichen Schadensersatz in Anspruch. Die Fahrzeuge der Parteien waren innerorts beim Linksabbiegen auf zwei nebeneinander verlaufenden Links­ab­bie­ge­spuren seitlich kollidiert. Die Beteiligten stritten darüber, wer von beiden seine Spur verlassen und die Kollision herbeigeführt hatte. Die Fahrt vor der Kollision und die Kollision wurden von einer Dashcam aufgezeichnet, die im Fahrzeug des Klägers angebracht war.

LG: Aufzeichnungen mit Dashcam verstoßen gegen daten­schutz­rechtliche Bestimmungen

Das Amtsgericht hat dem Kläger unter dem Gesichtspunkt der Betriebsgefahr die Hälfte seines Gesamtschadens zugesprochen. Der Kläger habe für seine Behauptung, der Beklagte sei beim Abbiegen mit seinem Fahrzeug auf die vom Kläger genutzte Fahrspur geraten, keinen Beweis erbracht. Der Sachverständige komme in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass aus technischer Sicht die Schilderungen beider Parteien zum Unfallhergang prinzipiell möglich seien. Dem Angebot des Klägers, die von ihm mit einer Dashcam gefertigten Bildaufnahmen zu verwerten, sei nicht nachzukommen. Die Berufung des Klägers hat das Landgericht zurückgewiesen. Die Aufzeichnung verstoße gegen daten­schutz­rechtliche Bestimmungen und unterliege einem Beweisverwertungsverbot. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Permanente anlasslose Aufzeichnung des gesamten Geschehens entlang der Fahrstrecke zur Beweis­si­che­rungs­in­teressen nicht erforderlich

Auf die Revision des Klägers hob der Bundes­ge­richtshof das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurück. Die vorgelegte Video­auf­zeichnung ist nach den geltenden daten­schutz­recht­lichen Bestimmungen unzulässig. Sie verstößt gegen § 4 BDSG, da sie ohne Einwilligung der Betroffenen erfolgt ist und nicht auf § 6 b Abs. 1 BDSG oder § 28 Abs. 1 BDSG gestützt werden kann. Jedenfalls eine permanente anlasslose Aufzeichnung des gesamten Geschehens auf und entlang der Fahrstrecke des Klägers ist zur Wahrnehmung seiner Beweis­si­che­rungs­in­teressen nicht erforderlich, denn es ist technisch möglich, eine kurze, anlassbezogene Aufzeichnung unmittelbar des Unfall­ge­schehens zu gestalten, beispielsweise durch ein dauerndes Überschreiben der Aufzeichnungen in kurzen Abständen und Auslösen der dauerhaften Speicherung erst bei Kollision oder starker Verzögerung des Fahrzeuges.

Frage der Verwertbarkeit der Aufnahmen ist aufgrund einer Interessen- und Güterabwägung im Einzelfall zu klären

Dennoch ist die vorgelegte Video­auf­zeichnung als Beweismittel im Unfall­haft­pflicht­prozess verwertbar. Die Unzulässigkeit oder Rechtwidrigkeit einer Beweiserhebung führt im Zivilprozess nicht ohne Weiteres zu einem Beweis­ver­wer­tungs­verbot. Über die Frage der Verwertbarkeit ist vielmehr aufgrund einer Interessen- und Güterabwägung nach den im Einzelfall gegebenen Umständen zu entscheiden. Die Abwägung zwischen dem Interesse des Beweisführers an der Durchsetzung seiner zivil­recht­lichen Ansprüche, seinem im Grundgesetz verankerten Anspruch auf rechtliches Gehör in Verbindung mit dem Interesse an einer funkti­o­nie­renden Zivil­rechts­pflege einerseits und dem allgemeinen Persön­lich­keitsrecht des Beweisgegners in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbst­be­stimmung und ggf. als Recht am eigenen Bild andererseits führt zu einem Überwiegen der Interessen des Klägers.

Das Geschehen ereignete sich im öffentlichen Straßenraum, in den sich der Beklagte freiwillig begeben hat. Er hat sich durch seine Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr selbst der Wahrnehmung und Beobachtung durch andere Verkehrs­teil­nehmer ausgesetzt. Es wurden nur Vorgänge auf öffentlichen Straßen aufgezeichnet, die grundsätzlich für jedermann wahrnehmbar sind. Rechnung zu tragen ist auch der häufigen besonderen Beweisnot, die der Schnelligkeit des Verkehrs­ge­schehens geschuldet ist. Unfal­l­a­na­ly­tische Gutachten setzen verlässliche Anknüp­fung­s­tat­sachen voraus, an denen es häufig fehlt.

Verstöße gegen daten­schutz­rechtliche Bestimmungen können mit hohen Geldbußen geahndet werden

Der mögliche Eingriff in die allgemeinen Persön­lich­keits­rechte anderer (mitgefilmter) Verkehrs­teil­nehmer führt nicht zu einer anderen Gewichtung. Denn ihrem Schutz ist vor allem durch die Regelungen des Daten­schutz­rechts Rechnung zu tragen, der nicht auf ein Beweis­ver­wer­tungs­verbot abzielen. Verstöße gegen die daten­schutz­recht­lichen Bestimmungen können mit hohen Geldbußen geahndet werden und vorsätzliche Handlungen gegen Entgelt oder in Bereicherungs- oder Schädi­gungs­absicht sind mit Freiheitsstrafe bedroht. Im Übrigen kann die Aufsichts­behörde mit Maßnahmen zur Beseitigung von Daten­schutz­ver­stößen steuernd eingreifen.

Bewei­s­in­teressen des Unfall­ge­schä­digten kommt besonderes Gewicht zu

Schließlich ist im Unfall­haft­pflicht­prozess zu beachten, dass das Gesetz den Bewei­s­in­teressen des Unfall­ge­schä­digten durch die Regelung des § 142 StGB (Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort) ein besonderes Gewicht zugewiesen hat. Danach muss ein Unfall­be­tei­ligter die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und die Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit und durch die Angabe, dass er an dem Unfall beteiligt ist, ermöglichen. Nach § 34 StVO sind auf Verlangen der eigene Name und die eigene Anschrift anzugeben, der Führerschein und der Fahrzeugschein vorzuweisen sowie Angaben über die Haftpflicht­ver­si­cherung zu machen.

§ 4 Abs. 1 BDSG:

(1) Die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung perso­nen­be­zogener Daten sind nur zulässig, soweit dieses Gesetz oder eine andere Rechts­vor­schrift dies erlaubt oder anordnet oder der Betroffene eingewilligt hat.

§ 6 b Abs. 1 BDSG:

(1) Die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen (Video­über­wachung) ist nur zulässig, soweit sie [...].

3. zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen. [...].

§ 28 Abs. 1 BDSG:

(1) Das Erheben, Speichern, Verändern oder Übermitteln perso­nen­be­zogener Daten oder ihre Nutzung als Mittel für die Erfüllung eigener Geschäftszwecke ist zulässig

[...]

2. soweit es zur Wahrung berechtigter Interessen der verant­wort­lichen Stelle erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Verarbeitung oder Nutzung überwiegt. [...]

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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