21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.

Dokument-Nr. 34265

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Urteil16.07.2024BundesgerichtshofVI ZR 188/22
Vorinstanzen:
  • Amtsgericht Neu-Ulm, Urteil24.03.2021, 5 C 1111/20
  • Landgericht Memmingen, Urteil25.05.2022, 13 S 691/21
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Bundesgerichtshof Urteil16.07.2024

BGH zur Frage der Schätzung des merkantilen Minderwerts (Wertverlust trotz Instandsetzung) eines UnfallfahrzeugsKeine Bereicherung an der Umsatzsteuer

Der unter anderem für Rechts­streitigkeiten über Ansprüche aus Kfz-Unfällen zuständige VI. Zivilsenat hat entschieden, dass der merkantile Minderwert eines erheblich unfall­be­schä­digten Fahrzeugs in jedem Fall ausgehend von Netto- und nicht von Brutto­verkaufs­preisen zu schätzen ist. Wurde der merkantile Minderwert ausgehend vom Brutto­ver­kauf­spreis geschätzt, ist ein dem "Umsatz­steu­er­anteil" entsprechender Betrag vom Minderwert abzuziehen.

Ein (geleastes) Fahrzeug wurde bei einem Verkehrsunfall erheblich beschädigt. Die volle Haftung des beklagten Haftpflicht­ver­si­cherers stand außer Streit. Die Klägerin ließ das Fahrzeug reparieren und machte einen merkantilen Minderwert von 1.250 € geltend. Die Beklagte bezahlte nur 700 €. Mit der Klage verlangte die Klägerin Zahlung des restlichen Betrags an die Leasing­ge­sell­schaft. Zwischen den Parteien war streitig, ob vom merkantilen Minderwert ein "Umsatz­steu­er­anteil" abzuziehen ist.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das AG hat der Klage überwiegend stattgegeben. Das LG hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Amtsgerichts in Höhe von 300 € aufrecht­er­halten und die Klage im Übrigen ab- und die weitergehende Berufung zurückgewiesen. Es hat ein Sachver­stän­di­gen­gut­achten eingeholt und auf dieser Grundlage angenommen, dass ein merkantiler Minderwert von insgesamt 1.000 € anzusetzen sei, weshalb die Beklagte weitere 300 € zu zahlen habe. Ein "Umsatz­steu­er­anteil" sei vom Minderwert nicht abzuziehen. Mit seiner vom Berufungs­gericht zugelassenen Revision hat die Beklagte ihr Ziel, die Klage in Höhe des ihrer Ansicht nach vom Minderwert abzuziehenden "Umsatz­steu­er­anteils" abzuweisen, weiterverfolgt.

Revision der Beklagten hatte Erfolg

Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungs­gericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Beim merkantilen Minderwert handelt es sich um eine Minderung des Verkaufswerts, die trotz völliger und ordnungsgemäßer Instandsetzung eines bei einem Unfall erheblich beschädigten Kraftfahrzeugs allein deshalb verbleibt, weil Unfallfahrzeuge auf dem Gebraucht­wa­genmarkt einen geringeren Preis als unfallfreie erzielen. Der Ersatz des merkantilen Minderwerts als solcher unterliegt nicht der Umsatzsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, da es sich bei dem zu zahlenden Schadensersatz (§ 251 Abs. 1 BGB) nicht um eine Leistung gegen Entgelt handelt. Entgegen der Ansicht des Berufungs­ge­richts ist vom merkantilen Minderwert für den Fall, dass er ausgehend vom Brutto­ver­kauf­spreis geschätzt wurde, ein dem "Umsatz­steu­er­anteil" entsprechender Betrag abzuziehen. Ob das Berufungs­gericht im Streitfall den Minderwert ausgehend von Brutto- oder Netto­ver­kauf­s­preisen geschätzt hat, stand nicht fest.

Bei der Schätzung des Minderwerts ist auf die jeweiligen Netto­ver­kauf­s­preise abzustellen

Zur Bemessung des Minderwerts wird geschätzt, um wieviel geringer der erzielbare Verkaufspreis bei einem gedachten Verkauf des beschädigten Fahrzeugs nach der Reparatur im Vergleich zum erzielbaren Verkaufspreis ohne den Unfall wäre. Diese Wertdifferenz ist unabhängig davon zu ersetzen, ob der Geschädigte das Fahrzeug nach der Reparatur verkauft oder behält. Bei der Schätzung des Minderwerts ist aus Rechtsgründen auf die jeweiligen Netto­ver­kauf­s­preise abzustellen. Denn wenn es sich bei dem der Schätzung des merkantilen Minderwerts zugrunde zu legenden hypothetischen Verkauf um eine der Umsatzsteuer unterliegende Leistung eines Unternehmers handelt, würde der Geschädigte zwar zusätzlich zum Nettoverkaufspreis die darauf entfallende Umsatzsteuer erhalten, müsste sie aber an das Finanzamt abführen. Sie wäre bei ihm nur ein durchlaufender Posten. Unterliegt der gedachte Verkauf hingegen nicht der Umsatzsteuer (beim Verkauf "von privat"), dürfte dem Käufer schon gar keine Umsatzsteuer in Rechnung gestellt werden.

Ersatz des Minderwerts soll Geschädigten nicht bereichern

Wurde der merkantile Minderwert ausgehend von Brutto­ver­kauf­s­preisen geschätzt, ist er in der Weise nach unten zu korrigieren, dass von ihm ein dem "Umsatz­steu­er­anteil" entsprechender Betrag abgezogen wird. Andernfalls käme es zu einer Bereicherung des Geschädigten. Eine andere - nicht rechtliche, sondern tatsächliche - Frage ist es, welche Preise eine Privatperson bei einem Verkauf erzielen würde, insbesondere, ob diese Preise, obwohl es Nettopreise sind, betragsmäßig an die von Unternehmern erzielbaren Bruttopreise heranreichen würden.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/ab)

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