23.11.2024
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Dokument-Nr. 19068

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Urteil28.10.2014BundesgerichtshofVI ZR 135/13
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • GRUR 2015, 192Zeitschrift: Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (GRUR), Jahrgang: 2015, Seite: 192
  • MDR 2015, 26Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2015, Seite: 26
  • MMR 2015, 131Zeitschrift: Multimedia und Recht (MMR), Jahrgang: 2015, Seite: 131
  • NJW 2015, 368Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2015, Seite: 368
  • WRP 2015, 215Zeitschrift: Wettbewerb in Recht und Praxis (WRP), Jahrgang: 2015, Seite: 215
  • ZD 2015, 80Zeitschrift für Datenschutz (ZD), Jahrgang: 2015, Seite: 80
Für Details Fundstelle bitte Anklicken!
Vorinstanzen:
  • Amtsgericht Tiergarten, Urteil13.08.2008, 2 C 6/08
  • Landgericht Berlin, Urteil31.01.2013, 57 S 87/08
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil28.10.2014

Bundes­ge­richtshof erbittet Vorab­ent­scheidung des EuGH zur Zulässigkeit der Speicherung von dynamischen IP-AdressenDürfen zugewiesene IP-Adressen über das Ende des jeweiligen Nutzungs­vorgangs hinaus gespeichert werden?

Der Bundes­ge­richtshof hat ein Verfahren in Sachen "Speicherung von dynamischen IP- Adressen" ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union zwei Fragen zur Auslegung der EG-Datenschutz-Richtlinie zur Vorab­ent­scheidung vorlegt.

Der Kläger des zugrunde liegenden Verfahrens verlangt von der beklagten Bundesrepublik Deutschland Unterlassung der Speicherung von dynamischen IP-Adressen. Dies sind Ziffernfolgen, die bei jeder Einwahl vernetzten Computern zugewiesen werden, um deren Kommunikation im Internet zu ermöglichen. Bei den meisten allgemein zugänglichen Inter­net­portalen des Bundes werden alle Zugriffe in Proto­koll­dateien festgehalten mit dem Ziel, Angriffe abzuwehren und die strafrechtliche Verfolgung von Angreifern zu ermöglichen. Dabei werden unter anderem der Name der abgerufenen Seite, der Zeitpunkt des Abrufs und die IP-Adresse des zugreifenden Rechners über das Ende des jeweiligen Nutzungs­vorgangs hinaus gespeichert. Der Kläger rief in der Vergangenheit verschiedene solcher Internetseiten auf.

Kläger verlangt Speicherung der zugewiesenen IP-Adressen zu unterlassen

Mit seiner Klage begehrt er, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, ihm zugewiesene IP-Adressen über das Ende des jeweiligen Nutzungs­vorgangs hinaus zu speichern. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landgericht dem Kläger den Unter­las­sungs­an­spruch nur insoweit zuerkannt, als er Speicherungen von IP-Adressen in Verbindung mit dem Zeitpunkt des jeweiligen Nutzungs­vorgangs betrifft und der Kläger während eines Nutzungs­vorgangs seine Personalien angibt. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien die vom Berufungs­gericht zugelassene Revision eingelegt.

BGH setzt Verfahren aus und erbittet Vorab­ent­scheidung des EuGH

Der Bundes­ge­richtshof hat beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Europäischen Gerichtshof zwei Fragen zur Auslegung der EG-Datenschutz-Richtlinie zur Vorab­ent­scheidung vorzulegen.

1. Der Unter­las­sungs­an­spruch setzt voraus, dass es sich bei den dynamischen IP-Adressen für die verant­wort­lichen Stellen der Beklagten, die die Adressen speichern, um "perso­nen­be­zogene Daten" handelt, die von dem durch die Richtlinie harmonisierten Daten­schutzrecht geschützt werden. Das könnte in den Fällen, in denen der Kläger während eines Nutzungs­vorgangs seine Personalien nicht angegeben hat, fraglich sein. Denn nach den getroffenen Feststellungen lagen den verant­wort­lichen Stellen keine Informationen vor, die eine Identifizierung des Klägers anhand der IP-Adressen ermöglicht hätten. Auch durfte der Zugangsanbieter des Klägers den verant­wort­lichen Stellen keine Auskunft über die Identität des Klägers erteilen. Der Bundes­ge­richtshof hat dem Europäischen Gerichtshof deshalb die Frage vorgelegt, ob Art. 2 Buchstabe a der EG-Datenschutz-Richtlinie*** dahin auszulegen ist, dass eine IP-Adresse, die ein Diensteanbieter im Zusammenhang mit einem Zugriff auf seine Internetseite speichert, für diesen schon dann ein perso­nen­be­zogenes Datum darstellt, wenn lediglich ein Dritter über das zur Identifizierung der betroffenen Person erforderliche Zusatzwissen verfügt.

2. Geht man von "perso­nen­be­zogenen Daten" aus, so dürfen die IP-Adressen des Nutzers nicht ohne eine gesetzliche Erlaubnis gespeichert werden (§ 12 Abs. 1 TMG*), wenn - wie hier - eine Einwilligung des Nutzers fehlt. Nach dem für die rechtliche Prüfung maßgebenden Vortrag der Beklagten ist die Speicherung der IP-Adressen zur Gewährleistung und Aufrecht­er­haltung der Sicherheit und Funkti­o­ns­fä­higkeit ihrer Telemedien erforderlich. Ob das für eine Erlaubnis nach § 15 Abs. 1 TMG** ausreicht, ist fraglich. Systematische Erwägungen sprechen dafür, dass diese Vorschrift eine Datenerhebung und -verwendung nur erlaubt, um ein konkretes Nutzungs­ver­hältnis zu ermöglichen, und dass die Daten, soweit sie nicht für Abrech­nungs­zwecke benötigt werden, mit dem Ende des jeweiligen Nutzungs­vorgangs zu löschen sind. Art. 7 Buchstabe f der EG-Datenschutz-Richtlinie**** könnte aber eine weitergehende Auslegung gebieten. Der Bundes­ge­richtshof hat dem Europäischen Gerichtshof deshalb die Frage vorgelegt, ob die EG-Datenschutz-Richtlinie einer Vorschrift des nationalen Rechts mit dem Inhalt des § 15 Abs. 1 TMG entgegen steht, wonach der Diensteanbieter perso­nen­be­zogene Daten eines Nutzers ohne dessen Einwilligung nur erheben und verwenden darf, soweit dies erforderlich ist, um die konkrete Inanspruchnahme des Telemediums durch den jeweiligen Nutzer zu ermöglichen und abzurechnen, und wonach der Zweck, die generelle Funkti­o­ns­fä­higkeit des Telemediums zu gewährleisten, die Verwendung nicht über das Ende des jeweiligen Nutzungs­vorgangs hinaus rechtfertigen kann.

* § 12 Teleme­di­en­gesetz - Grundsätze

(1) Der Diensteanbieter darf perso­nen­be­zogene Daten zur Bereitstellung von Telemedien nur erheben und verwenden, soweit dieses Gesetz oder eine andere Rechts­vor­schrift, die sich ausdrücklich auf Telemedien bezieht, es erlaubt oder der Nutzer eingewilligt hat.

(2) [...]

** § 15 Teleme­di­en­gesetz - Nutzungsdaten

(1) Der Diensteanbieter darf perso­nen­be­zogene Daten eines Nutzers nur erheben und verwenden, soweit dies erforderlich ist, um die Inanspruchnahme von Telemedien zu ermöglichen und abzurechnen (Nutzungsdaten) [...]

*** Art. 2 EG-Datenschutz-Richtlinie - Begriffs­be­stim­mungen

Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

a) "perso­nen­be­zogene Daten" alle Informationen über eine bestimmte oder bestimmbare natürliche Person [...]; als bestimmbar wird eine Person angesehen, die direkt oder indirekt identifiziert werden kann, insbesondere durch Zuordnung zu einer Kennnummer oder zu einem oder mehreren spezifischen Elementen, die Ausdruck ihrer physischen, physiologischen, psychischen, wirtschaft­lichen, kulturellen oder sozialen Identität sind; [...]

**** Art. 7 EG-Datenschutz-Richtlinie

Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass die Verarbeitung perso­nen­be­zogener Daten lediglich erfolgen darf, wenn eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist: [...]

f) die Verarbeitung ist erforderlich zur Verwirklichung des berechtigten Interesses, das von dem für die Verarbeitung Verant­wort­lichen oder von dem bzw. den Dritten wahrgenommen wird, denen die Daten übermittelt werden, sofern nicht das Interesse oder die Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die gemäß Art. 1 Abs. 1 geschützt sind, überwiegen.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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