21.11.2024
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Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteil16.06.2010

OLG Frankfurt: Telekom-Kunde hat keinen Anspruch auf sofortige Löschung von IP-AdressenAbrechnungen und Fehler­be­he­bungen bei "sofortiger" Löschung der Adressen seitens der Telekom nicht mehr möglich

Ein Telekom-Kunde hat keinen Anspruch auf eine unverzügliche Löschung der für die Internetnutzung vergebenen IP-Adressen (Internet-Protokoll-Adressen). Dies entschied das Oberlan­de­gericht Frankfurt am Main.

Der Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls hat mit der beklagten Telekom AG vor Jahren einen Internet-Zugangsvertrag nachdem so genannten "T-Online dsl flat-Tarif" geschlossen. Er verlangt von der Telekom, dass diese die ihm zur Internetnutzung jeweils zugeteilten "dynamischen IP-Adressen" sofort nach Beendigung der Verbindung löscht. Zur Zeit der Klageerhebung speicherte die Beklagte die IP-Adressen nach dem Rechnungs­versand noch 80 Tage.

Landgericht untersagt Speicherung der Daten für längeren Zeitraum als sieben Tage

Das Landgericht gab der Klage im Juni 2007 insoweit statt, als es der Telekom untersagte, die Daten länger als sieben Tage zu speichern. Im selben Jahr änderte die Telekom ihre Praxis dahin, dass sie die Speicherzeit auf sieben Tage reduzierte. Diese neue Speicherpraxis entspricht einer Absprache mit dem Bundes­be­auf­tragten für Datenschutz.

Kunde hält Telekom in Zuge des Datenschutzes und des Schutzes seiner Privatsphäre zur Löschung verpflichtet

Mit der Berufung macht der Kläger weiterhin geltend, die Beklagte müsse die IP-Adressen jeweils sofort nach Beendigung einer Inter­net­ver­bindung löschen. Hierzu sei die Beklagte im Interesse des Datenschutzes und des Schutzes seiner Privatsphäre verpflichtet. Weil über die IP-Adressen die Möglichkeit bestehe, das Nutzerverhalten auszuspähen und daraus Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des jeweiligen Teilnehmers zu ziehen, sei auch ein Speicher­zeitraum von (nur) sieben Tagen nicht hinnehmbar.

Telekom hält Speicherung für gerechtfertigt

Die Beklagte meint, sie sei berechtigt, die IP-Adressen zur Erkennung, Eingrenzung und Beseitigung von Fehlern und Störungen an ihren Anlagen sowie zur Abrechnung mit den Nutzern zu erheben und zu verwenden.

Auch Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat keinen Zweifel an Rechtmäßigkeit von Daten­spei­che­rungen

Das für die Berufung zuständige Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main wies die Berufung nunmehr zurück. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, es sei kein Rechtsgrund ersichtlich, nach dem die Telekom verpflichtet sei, die IP-Adressen sofort nach Beendigung der Inter­net­ver­bindung zu löschen. So habe das Bundes­ver­fas­sungs­gericht in einschlägigen Urteilen nicht einmal ansatzweise die Rechtmäßigkeit von Daten­spei­che­rungen durch Dienstanbieter im Zusammenhang mit dem Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­verkehr in Zweifel gezogen.

Abrechnung mit den Kunden bei "sofortiger" Löschung nach Beendigung der Inter­net­ver­bindung nicht mehr möglich

Nach den derzeitigen technischen Gegebenheiten sei davon auszugehen, dass der Telekom bei einer Löschung der IP-Adressen "sofort" nach Beendigung der Inter­net­ver­bindung eine Abrechnung mit ihren Kunden gar nicht möglich sei. Bei den IP-Adressen handele es sich daher um für die "Berechnung des Entgelts erforderliche Daten" im Sinne des Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­ge­setzes (TKG). Dass die Telekom aktuell über bessere technische Möglichkeiten verfüge, habe der Kläger nicht darlegen können.

Erkennung und Beseitigung von Fehlern und Störungen an Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­anlagen bei "sofortiger" Löschung nicht zu gewährleisten

Es komme hinzu, dass es der Telekom bei einer sofortigen Löschung der IP-Adressen derzeit praktisch unmöglich wäre, einen relevanten Teil von Störungen und Fehlern an Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­anlagen zu erkennen, einzugrenzen und zu beseitigen. Unter diesen Voraussetzungen könne der Kläger allenfalls die "unverzügliche" Löschung verlangen, worunter nicht die "sofortige" Löschung zu verstehen sei, sondern eine solche "ohne schuldhaftes Zögern". Dass es der Telekom möglich sei, die IP-Adressen schneller als nach Ablauf von sieben Tagen zu löschen, ohne dass dies ihre Abrechnung mit ihren Kunden und die Störungs­er­kennung beeinträchtige, habe der im vorliegenden Zivilprozess darlegungs- und beweis­pflichtige Kläger nicht vortragen können.

Bedeutung der Entscheidung

Der Entscheidung dürfte nur bis zur Neuregelung der Pflicht der Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­dienste zur Speicherung und Bereithaltung von Verkehrsdaten für die Verfolgung von Straftaten und zur Abwehr von erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit Bedeutung zukommen. Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hatte die zum 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Regelungen §§ 113 a, 113 b TKG, die eine sechsmonatige Speicherung der Daten vorsah, mit Urteil vom 2. März 2010 für verfas­sungs­widrig erklärt. Sobald der Gesetzgeber die für verfas­sungs­widrig erklärten Regelungen durch eine Neuregelung zur Speicherung ersetzt, dürfte auch die Telekom eine entsprechende Verpflichtung treffen und wäre ein Anspruch des Internetnutzers auf vorzeitige Löschung damit obsolet.

Quelle: ra-online, Oberlandesgericht Frankfurt

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