24.11.2024
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Sie sehen die Silhouette einer Person, welche an einer Wand mit vielen kleinen Bildern vorbeigeht.

Dokument-Nr. 11761

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Bundesgerichtshof Urteil07.06.2011

BGH: Verurteiltes Mitglied einer Terrorgruppe hat keinen Anspruch auf Unkennt­lich­machung seiner Person in Bildbe­rich­t­er­stattungBerich­t­er­stattung über Urteils­ver­kündung stellt zeitge­schicht­liches Ereignis dar, hinter das der Persön­lich­keits­schutz des verurteilten Terroristen zurücktreten muss

Ein Terrorist, der wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit versuchter Beteiligung an einem Mord zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde, hat keinen Anspruch darauf, dass bei der Berich­t­er­stattung in den Medien seine Person durch geeignete Maßnahmen (pixeln) unkenntlich gemacht wird. Die Berich­t­er­stattung über die Urteils­ver­kündung stellt ein zeitge­schicht­liches Ereignis im Sinne des § 23 Abs. 1 KUG dar, hinter das der Persön­lich­keits­schutz des Terroristen zurücktreten muss. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs hervor.

Die Beklagte des zugrunde liegenden Falls ist Herausgeberin der "Bild"-Zeitung. Der Kläger wurde durch ein inzwischen rechtskräftiges Urteil des Oberlan­des­ge­richts Stuttgart vom 15. Juli 2008 zusammen mit zwei Mitangeklagten wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit versuchter Beteiligung an einem Mord zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Er nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch, weil in der Ausgabe der Bild-Zeitung vom 16. Juli 2008 im Rahmen einer Berich­t­er­stattung über die Urteils­ver­kündung unter der Überschrift "Irak-Terroristen müssen für Attentatsplan ins Gefängnis!" ein Foto des Klägers veröffentlicht wurde, auf dem sein Gesicht zu erkennen ist.

Gesichter der Angeklagten sollten bei Abbildungen in den Medien unkenntlich gemacht werden

Das Strafverfahren hatte einen geplanten Anschlag der Terrorgruppe "Ansar al-Islam" auf den damaligen irakischen Minis­ter­prä­si­denten Allawi zum Gegenstand. Während der Haupt­ver­handlung vor dem Oberlan­des­gericht Stuttgart waren Fernseh- und Bildaufnahmen nach der sitzungs­po­li­zei­lichen Anordnung der Vorsitzenden nach § 176 Gerichts­ver­fas­sungs­gesetz (GVG)* am Tag der Urteils­ver­kündung nur mit der Maßgabe zulässig, dass bei Abbildungen der Angeklagten deren Gesichter durch geeignete Maßnahmen (pixeln) unkenntlich gemacht werden.

BGH: Bilder müssen nicht gepixelt werden

Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, es zu unterlassen, das Foto ungepixelt oder sein Antlitz in anderer Weise unkenntlich gemacht zu verbreiten. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Auf die Revision der Beklagten hat der Bundes­ge­richtshof entschieden, dass dem Kläger kein Anspruch auf Unterlassung der ihn identi­fi­zie­renden Bildbe­rich­t­er­stattung zusteht.

Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte müssen nicht unkenntlich gemacht werden

Die Zulässigkeit einer Bildver­öf­fent­lichung ist grundsätzlich nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG** zu beurteilen. Danach dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren - hier nicht vorliegenden - Einwilligung verbreitet werden (§ 22 Satz 1 KUG). Hiervon besteht allerdings gemäß § 23 Abs. 1 KUG eine Ausnahme, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt. Diese Ausnahme gilt aber nicht für eine Verbreitung, durch die berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG).

Im Streitfall handelte es sich bei der aktuellen Berich­t­er­stattung über die Urteils­ver­kündung um ein zeitge­schicht­liches Ereignis im Sinne des § 23 Abs. 1 KUG, an dem ein erhebliches Informationsinteresse der Öffentlichkeit bestand. Demgegenüber musste der Persön­lich­keits­schutz des Klägers zurücktreten. Dem Umstand, dass der Kläger nur im Vertrauen auf die sitzungs­po­li­zeiliche Anordnung die Fotoaufnahmen ermöglicht haben will, kommt nicht das vom Berufungs­gericht angenommene Gewicht zu. Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass nach dem Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG ungepixelte Bildaufnahmen auch ohne Einwilligung des Klägers zulässig gewesen wären und er letztlich durch sein Verhalten allenfalls Bildaufnahmen hätte vereiteln können, die wegen des erheblichen Infor­ma­ti­o­ns­in­teresses der Öffentlichkeit grundsätzlich zulässig waren. Das Persön­lich­keitsrecht ist auch im Rahmen der Sitzungspolizei nicht in weiterem Umfang zu schützen als dies nach §§ 22, 23 KUG der Fall ist.

* § 176 GVG

Die Aufrecht­er­haltung der Ordnung in der Sitzung obliegt dem Vorsitzenden.

**Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie

Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Die Einwilligung gilt im Zweifel als erteilt, wenn der Abgebildete dafür, daß er sich abbilden ließ, eine Entlohnung erhielt. [...]

(1) Ohne die nach § 22 erforderliche Einwilligung dürfen verbreitet und zur Schau gestellt werden:

1.Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte;

[...]

(2) Die Befugnis erstreckt sich jedoch nicht auf eine Verbreitung und Schaustellung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten oder, falls dieser verstorben ist, seiner Angehörigen verletzt wird.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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