21.11.2024
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Sie sehen die Silhouette einer Person, welche an einer Wand mit vielen kleinen Bildern vorbeigeht.
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Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil08.04.2009

Unliebsames Foto im Musikmagazin: Gericht spricht Schmerzensgeld für ungenehmigte Bildver­öf­fent­lichung zuOLG Karlsruhe zum Begriff der relativen Person der Zeitgeschichte

Das Oberlan­des­gericht Karlsruhe hatte sich mit Fragen zur "relativen Person der Zeitgeschichte" zu befassen.

Die beklagte Herausgeberin eines Magazins für Popkultur und Style veranstaltete 2007 ein „Bordsteinduell“ zwischen dem international bekannten Sänger Rea Garvey und einem anderen Sänger, die dabei als Straßen­mu­si­kanten in Heidelberg auftraten. Rea Garvey musizierte unter anderem vor dem Restaurant, in dem der Kläger als Kellner arbeitete. Der Kläger schickte Rea Garvey mit der Begründung weg, dieser dürfe vor dem Restaurant keine Musik machen, er, der Kläger, bekomme sonst Ärger mit seinem Chef. Diese Szene wurde von Mitarbeitern der Beklagten fotografisch festgehalten und in einem Artikel verarbeitet. Er enthält eine halbseitige Fotografie, die den deutlich erkennbaren Kläger zeigt, wie er Rea Garvey wegschickt. Der Kläger hatte kein Einverständnis mit der Veröf­fent­lichung erklärt. Der zum Bild gehörende Text lautete:

„Fans in Heidelberg

Bitte weitergehen, Herr Reamonn: ‚Sie können hier keine Musik machen. Sonst bekomme ich Ärger mit meinem Chef’, sagt ein Kellner.“

Im zugehörigen Text hieß es unter anderem:

„Dann stürmt plötzlich ein Kellner aus dem Restaurant. Auch sein Lächeln könnte jetzt töten. ‚Bitte’, befiehlt er. ‚Sie können hier keine Musik machen. Gehen Sie bitte weiter.’ Rea kann sich ein Grinsen schwer verkneifen, entschuldigt sich, schüttelt dem Kellner die Hand und legt die Gitarre zurück in den Koffer. ‚Das ist wirklich authentisch. Die gleiche Erfahrung habe ich früher auch gemacht. Egal wie gut oder schlecht du spielst - irgendwann wirst du immer weitergeschickt.’..... .....Superstar hin oder her. Irgendwann hört in Heidelberg der Spaß auf. Und außerdem: Da könnte ja jeder kommen und behaupten er sei der Herr Reamonn.“

Kläger verlangt Schmerzensgeld wegen Verletzung des Rechts am eigenen Bild

Der Kläger, der im Anschluss an den Artikel mehrfach darauf angesprochen wurde, er sei derjenige, bei dem der Spaß aufhöre, hat die beklagte Herausgeberin wegen Verletzung des Rechts am eigenen Bild in Anspruch genommen und Schmerzensgeld in Höhe von 6.000 Euro verlangt, wovon das Landgericht Heidelberg in seinem Urteil 2.000 Euro zugesprochen hat.

OLG: Recht am eigenen Bild ist verletzt

Gegen diese Entscheidung wenden sich der Kläger und die Beklagte mit ihren Berufungen. Das Oberlan­des­gericht Karlsruhe hat beide Berufungen zurückgewiesen. Die Veröf­fent­lichung des Lichtbildes, auf dem der Kläger deutlich zu erkennen ist, stellt eine Verletzung seines Rechts am eigenen Bild dar, denn er war keine relative Person der Zeitgeschichte. Der Begriff der Zeitgeschichte ist nicht gegen­stands­bezogen, etwa allein auf Vorgänge historischer oder politischer Bedeutung, sondern vom Infor­ma­ti­o­ns­in­teresse der Öffentlichkeit her zu bestimmen.

Begriff der Person der Zeitgeschichte erfordert eine einzel­fa­ll­be­zogene Abwägung

Da der Presse als Ausdruck der Pressefreiheit die Entscheidung obliegt, über welche Teile des Zeitgeschehens sie informiert, andererseits die Pressefreiheit aber Schranken in den Rechten der Abgebildeten finden kann, erfordert die Ausfüllung des Begriffs der Person der Zeitgeschichte eine einzel­fa­ll­be­zogene Abwägung. Bildver­öf­fent­li­chungen sind nur insoweit als gerechtfertigt anzusehen, als dem Publikum sonst Möglichkeiten der Meinungsbildung vorenthalten werden. Hier unterfallen sowohl der Bericht im Magazin über das „Bordsteinduell“ als auch die Illustration des Berichts durch Bildver­öf­fent­li­chungen dem Schutz des Artikel 5 Abs. 1 GG. Damit ist aber noch nichts darüber ausgesagt, ob auch die vom Kläger beanstandete identi­fi­zierbare Abbildung seiner Person rechtmäßig ist. Selbst wenn es nämlich der Beklagten um eine sozialkritische Berich­t­er­stattung über die Arbeit von Straßenmusikern gegangen sein sollte, ist nicht erkennbar, welchen Beitrag dazu die identi­fi­zierbare Abbildung des Klägers leistete.

Bild hätte unkenntlich gemacht werden müssen

Es kam auf die Person des Klägers überhaupt nicht an, sondern auf die allgemeine Aussage, dass Straßenmusiker regelmäßig von ihren Auftrittsorten vertrieben werden. Es wäre mangels Einver­ständ­nisses des Klägers ohne Problem möglich gewesen, seine Person mit üblichen Mitteln der Bildbe­rich­t­er­stattung unkenntlich zu machen. Das Interesse, den Kläger als denjenigen zu identifizieren, dem das Missgeschick passiert ist, entweder eine berühmte Persönlichkeit nicht erkannt oder gerade auch gegenüber einer solchen Berühmtheit auf einer Weisung seines Chefs bestanden zu haben, betrifft keine die Öffentlichkeit berührende Frage. Die Beklagte ist aufgrund der rechtswidrigen Bilderstattung zur Zahlung einer angemessenen Geldent­schä­digung verpflichtet. Auch in der hier betroffenen Sozialsphäre des Klägers wird die Würde der Person vom Grundgesetz geschützt. In diesen Schutzbereich des Persön­lich­keits­rechts greift die Bildbe­rich­t­er­stattung in schwerwiegender Weise ein, denn die Darstellung des Klägers wird von erheblichen Teilen der durch­schnitt­lichen Leserschaft nicht nur mit menschlicher Anteilnahme, sondern eher mit Spott und Schadenfreude aufgenommen, denn der Wortbericht unterstellt dem Kläger durch die gewählten Formulierungen und die ironische Art der Darstellung Humorlosigkeit und subalterne Sturheit. Die angemessene Entschädigung hat das Oberlan­des­gericht mit dem Landgericht in Höhe von 2.000 Euro festgesetzt. Die Revision ist nicht zugelassen worden.

Auszug aus dem Gesetz:

§ 22 KUG:

Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden...

§ 23 KUG

Abs. 1:

Ohne die nach § 22 erforderliche Einwilligung dürfen verbreitet und zur Schau gestellt werden:

1. Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte...

Abs. 2: Die Befugnis erstreckt sich jedoch nicht auf eine Verbreitung und Schaustellung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten oder, falls dieser verstorben ist, seiner Angehörigen verletzt wird.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des OLG Karlsruhe

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