Dokument-Nr. 13105
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- MDR 2012, 706Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2012, Seite: 706
- Landgericht Baden-Baden, Urteil20.05.2010, 3 O 565/09
- Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil15.12.2010, 1 U 108/10
Bundesgerichtshof Urteil28.02.2012
Bundesgerichtshof zur Haftungskürzung wegen Mitverschuldens bei Nichtanlegen des SicherheitsgurtsAnschnallpflicht gilt nur während der Fahrt
Gemäß Straßenverkehrsordnung sind vorgeschriebene Sicherheitsgurte während der Fahrt grundsätzlich anzulegen. Ein Verstoß gegen diese Vorschrift kann hinsichtlich unfallbedingter Körperschäden zu einer Haftungskürzung wegen Mitverursachung führen. Kommt es jedoch an einem Unfallort, der ohne Körperschäden überstanden wurde, zu einem zweiten Unfall mit Körperschäden, entfällt eine Haftungskürzung wegen Verstoßes gegen die Anschnallpflicht. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs hervor.
Im zugrunde liegenden Streitfall befuhr die Klägerin mit ihrem Pkw nachts gegen 3.10 Uhr eine Bundesautobahn und verlor aus ungeklärten Gründen die Kontrolle über ihr Fahrzeug. Dieses geriet ins Schleudern, stieß gegen die Mittelplanke und kam auf der linken Fahrspur unbeleuchtet zum Stehen. Kurz darauf prallte der Beklagte zu 1, der mit einer Geschwindigkeit von 130 km/h und eingeschaltetem Abblendlicht gefahren war, mit seinem bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten Pkw auf das Fahrzeug der Klägerin. Diese wurde schwer verletzt. Sie begehrte daraufhin Schadensersatz unter Berücksichtigung einer Mitverschuldensquote von 1/3.
Geschädigte verlangt Haftung der Beklagten hinsichtlich sämtlicher Schäden mit einheitlicher Quote von 60 %
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Haftungsquote grundsätzlich auf 60 % abgesenkt. Da die Klägerin bei dem Zweitunfall nicht angeschnallt war, hat es hinsichtlich des der Klägerin infolge ihrer Körperverletzung entstandenen Schadens einen höheren Mitverursachungsanteil angenommen und insoweit eine Haftungsquote von nur 40 % angeordnet. Mit der Revision wollte die Klägerin eine Haftung der Beklagten hinsichtlich sämtlicher Schäden mit einer einheitlichen Quote von 60 % erreichen.
Bei Zweitunfall bestand für Geschädigte keine Anschnallpflicht mehr
Die Revision hatte vor dem Bundesgerichtshof Erfolg. Nach § 21 a Abs. 1 StVO müssen vorgeschriebene Sicherheitsgurte während der Fahrt grundsätzlich angelegt sein. Ein Verstoß gegen diese Vorschrift kann hinsichtlich unfallbedingter Körperschäden zu einer Haftungskürzung wegen Mitverursachung führen. Da die Beklagten hier nur für die Folgen des Zweitunfalls haften, ist für die Frage der Mitverursachung durch die Klägerin allein von Bedeutung, ob zum Zeitpunkt des Zweitunfalls noch eine Anschnallpflicht bestand. Das war nicht der Fall, denn der Aufprall des von dem Beklagten zu 1 gelenkten Pkw ereignete sich nicht "während der Fahrt" ihres eigenen Pkw. Dessen Fahrt war vielmehr dadurch beendet worden, dass der Pkw unfallbedingt an der Leitplanke zum Stehen gekommen war. Nachdem es zu diesem Unfall gekommen war, war die Klägerin mithin nicht nur berechtigt, den Gurt zu lösen, um ihr Fahrzeug verlassen und sich in Sicherheit bringen zu können, sondern gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 2 StVO sogar dazu verpflichtet, nämlich um die Unfallstelle sichern zu können. Ihr kann deshalb nicht angelastet werden, unangeschnallt gewesen zu sein, als sich der Zweitunfall ereignete.
Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil deshalb aufgehoben und die Entscheidung zugunsten der Klägerin abgeändert.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 29.02.2012
Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online
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