18.10.2024
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Dokument-Nr. 25665

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Urteil16.03.2018BundesgerichtshofV ZR 276/16
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • WuM 2018, 384Zeitschrift: Wohnungswirtschaft und Mietrecht (WuM), Jahrgang: 2018, Seite: 384
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Vorinstanzen:
  • Amtsgericht Hamburg-Harburg, Urteil09.10.2015, 643 C 205/13 WEG
  • Landgericht Hamburg, Urteil26.10.2016, 318 S 10/16 WEG
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil16.03.2018

Miteigentümer haben keinen Anspruch auf verbesserten Trittschall nach BadsanierungBei Instandsetzungs- und Modernisierungs­maßnahmen am Sondereigentum sind für Schallschutz unverändert die bei Errichtung des Gebäudes geltenden technischen Standards maßgeblich

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass Wohnungs­ei­gentümer, die bei der Sanierung ihres Bades den Boden unter Entfernung des Estrichs erneuern, nicht für verbesserte Trittschalwerte sorgen müssen. Für den für Schallschutz bleiben unverändert die bei Errichtung des Gebäudes geltenden technischen Standards maßgeblich.

Die Parteien des zugrunde liegenden Streitfalls sind Mitglieder einer Wohnungs­ei­gen­tü­mer­ge­mein­schaft. Die Anlage wurde im Jahr 1990 errichtet. Die Wohnung der Beklagten liegt über der der Klägerin. Bei einer Modernisierung ihres Badezimmers im Jahr 2012 ließen die Beklagten den Estrich vollständig entfernen und eine Fußbodenheizung einbauen. Ferner wurden der Fliesenbelag sowie sämtliche Sanitärobjekte erneuert und eine Steigleitung unter Putz verlegt. Gestützt auf die Behauptung, der Schallschutz habe sich durch die Baumaßnahme verschlechtert, verlangte die Klägerin, dass die Beklagten bestimmte Schall­schutz­maß­nahmen in näher bezeichneter Ausführung vornehmen; hilfsweise wollte sie der Sache nach erreichen, dass die Beklagten ein Schall­schutz­niveau herstellen, das dem technischen Stand zur Zeit der Sanierung im Jahr 2012 entspricht (Tritt­scha­ll­schutz gemäß Schall­schutzstufe III der Richtlinie VDI 4100:2012-10: <=37 dB, hilfsweise Schall­schutzstufe II der genannten Richtlinie: <= 44 dB).

Verfahrensgang

Das Amtsgericht gab der Klage nur insoweit statt, als die Beklagten eine Tritt­scha­ll­dämmung und einen schwimmenden Estrich nach näheren Vorgaben wieder­her­stellen sollen. Auf die Berufung der Klägerin änderte das Landgericht das Urteil und verurteilte die Beklagten, durch geeignete bauliche Maßnahmen im Bereich des Badezimmers eine Tritt­scha­ll­dämmung dergestalt zu schaffen, dass der Trittschall 46 dB (gemäß Beiblatt 2 zur DIN 4109 aus dem Jahr 1989) nicht übersteigt. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision verfolgte die Klägerin ihre weitergehenden Hilfsanträge. Da die Beklagten die Verurteilung hinnahmen, war im Wesentlichen darüber zu entscheiden, ob die Klägerin verlangen kann, dass ein besserer Trittschallschutz als bislang zugesprochen (<=46 dB) hergestellt wird.

Entfernung des Estrichs stellt grundsätzlich bauliche Veränderung des gemein­schaft­lichen Eigentums dar

Der Bundes­ge­richtshof wies die Revision zurück, weil das Landgericht weitergehende Ansprüche der Klägerin gemäß § 15 Abs. 3 WEG ohne Rechtsfehler verneint hat. Für das Revisi­ons­ver­fahren war davon auszugehen, dass der Estrich der Dämmung und Isolierung diente und daher Teil des Gemein­schafts­ei­gentums war. Infolgedessen haben die Beklagten ohne Zustimmung der Klägerin eine bauliche Veränderung des gemein­schaft­lichen Eigentums im Sinne von § 22 Abs. 1 WEG vorgenommen, indem sie den Estrich entfernt und den Bodenaufbau sodann erneuert haben. Welche Pflichten bei einer solchen Maßnahme hinsichtlich des Schallschutzes zu beachten sind, ergibt sich aus § 14 Nr. 1 WEG. Danach ist jeder Wohnungs­ei­gentümer verpflichtet, von den in seinem Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen sowie von dem gemein­schaft­lichen Eigentum nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungs­ei­gentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst. Entscheidend war daher, ob der Klägerin ein solcher Nachteil entstanden ist. Insoweit hatte der Bundes­ge­richtshof bereits in der Vergangenheit geklärt, dass sich der im Verhältnis der Wohnungs­ei­gentümer untereinander zu gewährende Schallschutz grundsätzlich nach den Minde­st­an­for­de­rungen der DIN 4109 in der zur Zeit der Gebäu­de­er­richtung geltenden Ausgabe richtet, wenn ein vorhandener Bodenbelag durch einen anderen ersetzt wird (etwa Parkett statt Teppichboden), also das Sonder- und nicht das Gemein­schafts­ei­gentum verändert wird.

Frage nach Zeitpunkt für gültigen Schallschutz entscheidend

Ausdrücklich offen geblieben war bislang, ob dieselben Maßstäbe gelten, wenn bei der Erneuerung des Bodenbelags auch (wie hier) in den Estrich oder in die Geschossdecke eingegriffen wird. Zu trennen sind dabei zwei Fragen: nämlich erstens, ob für den Schallschutz die im Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes oder die im Zeitpunkt der Baumaßnahme geltenden technischen Vorgaben heranzuziehen sind, und zweitens, welchen konkreten technischen Vorgaben das zu gewährende Schall­schutz­niveau zu entnehmen ist.

Miteigentümer kann bei Instandsetzungs- und Moder­ni­sie­rungs­maß­nahmen des Sondereigentums kein verbessertes Schall­schutz­niveau beanspruchen

Zu der ersten Frage hat der Bundes­ge­richtshof nun entschieden, dass es sich nach dem Gewicht des Eingriffs in die Gebäudesubstanz richtet, ob die im Zeitpunkt der Baumaßnahme geltenden technischen Anforderungen an den Schallschutz einschlägig sind. Allein aus dem Umstand, dass bei Renovie­rungs­a­r­beiten in das gemein­schaftliche Eigentum eingegriffen wird, ergibt sich kein überzeugender Grund dafür, dass die im Zeitpunkt der Maßnahme anerkannten Schall­schutzwerte maßgeblich sein sollen. Ein Wohnungs­ei­gentümer, der Eingriffe in das Gemein­schafts­ei­gentum vornimmt, ist im Grundsatz zwar zu dessen Wieder­her­stellung, aber nicht zu einer "Ertüchtigung" verpflichtet. Wird allerdings - etwa durch einen nachträglichen Dachge­schoss­ausbau - in erheblichen Umfang in die Gebäudesubstanz eingegriffen, entsteht bei den übrigen Wohnungs­ei­gen­tümern die berechtigte Erwartung, dass bei dem Umbau des Sonder- und des Gemein­schafts­ei­gentums insgesamt die aktuellen technischen Vorgaben und damit auch die nunmehr geltenden Schall­schutzwerte beachtet werden. Dagegen kann bei Sanierungsmaßnahmen, die der üblichen Instandsetzung oder (ggf. zugleich) der Modernisierung des Sondereigentums dienen, im Grundsatz ein verbessertes Schall­schutz­niveau nicht beansprucht werden, so dass unverändert die bei Errichtung des Gebäudes geltenden technischen Standards maßgeblich sind. Um eine solche typische Sanie­rungs­maßnahme handelt es sich in aller Regel auch dann, wenn - wie hier - bei der Sanierung eines vorhandenen Badezimmers in den Estrich eingegriffen wird.

Kläger kann keinen verbesserten Schallschutz verlangen

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung der Schall­schutzwerte ist danach derjenige der Gebäu­de­er­richtung. Die oben angesprochene zweite Frage nach dem konkret einzuhaltenden Schall­schutz­niveau (auf dem technischen Stand bei Gebäu­de­er­richtung) stellt sich in diesem Verfahren nicht mehr, weil die Verurteilung der Beklagten zur Einhaltung der (über die Mindest­standards hinausgehenden) in Beiblatt 2 zur DIN 4109 aus dem Jahr 1989 vorgeschlagenen erhöhten Schall­schutzwerte rechtskräftig geworden ist. Ein darüber hinausgehendes Schall­schutz­niveau auf der Grundlage der VDI-Richtlinie 4100 aus dem Jahr 2012 kann die Klägerin jedenfalls nicht beanspruchen.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Erläuterungen

§ 14 Pflichten des Wohnungs­ei­gen­tümers

Jeder Wohnungs­ei­gentümer ist verpflichtet:

1. die im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile so instand zu halten und von diesen sowie von dem gemein­schaft­lichen Eigentum nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungs­ei­gentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst; [...]

§ 15 WEG Gebrauchs­re­gelung

(3) Jeder Wohnungs­ei­gentümer kann einen Gebrauch der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile und des gemein­schaft­lichen Eigentums verlangen, der [...] dem Gesetz [...] entspricht.

§ 22 Besondere Aufwendungen, Wiederaufbau

(1) Bauliche Veränderungen und Aufwendungen, die über die ordnungsmäßige Instandhaltung oder Instandsetzung des gemein­schaft­lichen Eigentums hinausgehen, können beschlossen oder verlangt werden, wenn jeder Wohnungs­ei­gentümer zustimmt, dessen Rechte durch die Maßnahmen über das in § 14 Nr. 1 bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden. Die Zustimmung ist nicht erforderlich, soweit die Rechte eines Wohnungs­ei­gen­tümers nicht in der in Satz 1 bezeichneten Weise beeinträchtigt werden.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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