23.11.2024
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Dokument-Nr. 32739

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Urteil17.03.2023BundesgerichtshofV ZR 140/22
Vorinstanzen:
  • Amtsgericht Bremen, Urteil12.05.2021, 28 C 48/20
  • Landgericht Bremen, Urteil08.07.2022, 4 S 176/21
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Bundesgerichtshof Urteil17.03.2023

Bundes­ge­richtshof bejaht "Beschlusszwang" für bauliche Veränderungen des Gemeinschafts­eigentums nach neuem Wohnungs­eigentums­rechtKeine Baumaßnahme am Gemein­schafts­ei­gentum ohne Beschluss

Der Bundes­ge­richtshof hat sich heute mit dem neuen Wohnungs­eigentums­recht befasst und entschieden, dass ein Wohnungs­ei­gentümer, der eine in der Gemeinschafts­ordnung nicht vorgesehene bauliche Veränderung vornehmen will, einen Gestattungs­beschluss notfalls im Wege der Beschluss­ersetzungs­klage herbeiführen muss, ehe mit der Baumaßnahme begonnen wird.

Die Parteien bilden eine Wohnungs­ei­gen­tü­mer­ge­mein­schaft mit zwei Doppel­haus­hälften auf einem im Gemeinschaftseigentum stehenden Grundstück. Nach der Gemein­schafts­ordnung von 1971 bestimmt sich das Verhältnis der Wohnungs­ei­gentümer untereinander nach dem Gesetz, wobei jedem Wohnungs­ei­gentümer ein Sonder­nut­zungsrecht an dem an die jeweilige Haushälfte anschließenden Gartenteil zusteht. Ausweislich einer späteren Ergänzung der Teilungs­er­klärung sind sie insoweit allein für Reparaturen und Instand­hal­tungen verantwortlich und kostenpflichtig. Die Beklagten beabsichtigen gegen den Willen der Klägerin den Bau eines Swimmingpools in der von ihnen genutzten Hälfte des Gartens. Nachdem die Beklagten mit dem Bau des Swimmingpools begonnen hatten, hat die Klägerin Unter­las­sungsklage erhoben, die bei Amts- und Landgericht Erfolg gehabt hat. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision wollten die Beklagten weiterhin die Abweisung der Klage erreichen.

BGH bejahrt Unter­las­sungs­an­spruch

Der Bundes­ge­richtshof hat die Revision zurückgewiesen. Das Landgericht hat der Unter­las­sungsklage zu Recht stattgegeben. Dabei ist es der Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs entsprechend davon ausgegangen, dass die Prozess­füh­rungs­be­fugnis der Klägerin fortbesteht, da die Klage noch unter dem alten Recht erhoben worden ist. Im Ausgangspunkt steht der Klägerin ein Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB zu. Bauliche Veränderungen müssen nämlich gemäß § 20 Abs. 1 WEG durch einen Beschluss der Wohnungs­ei­gentümer gestattet werden. Daran fehlt es hier. Die Wohnungs­ei­gentümer haben das Beschlus­ser­for­dernis auch nicht gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 WEG abbedungen. Dies ergibt sich insbesondere nicht aus der Gemein­schafts­ordnung nebst Ergänzung. Zwar steht den Beklagten ein Sonder­nut­zungsrecht an dem hälftigen Grundstück zu. Ein solches Sonder­nut­zungsrecht berechtigt aber nicht zu grundlegenden Umgestaltungen der jeweiligen Sonder­nut­zungs­fläche, die wie der Bau eines Swimmingpools über die übliche Nutzung hinausgehen. Hierbei handelt es sich auch nicht um eine Reparatur oder Instandsetzung. Ebenso wenig bestehen Anhaltspunkte für eine konkludente, von dem grundsätzlichen Beschlus­ser­for­dernis bei baulichen Veränderungen abweichende Vereinbarung. Dies lässt sich insbesondere nicht etwaigen baulichen Veränderungen entnehmen, die die Klägerin selbst ohne das Einverständnis der Beklagten vorgenommen haben soll.

Beklagte hätten Gestat­tungs­be­schluss vor Baubeginn herbeiführen müssen

Diesem Unter­las­sungs­an­spruch können die Beklagten einen eventuellen Anspruch auf Gestattung der baulichen Veränderung gemäß § 20 Abs. 3 WEG nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) entgegenhalten. Zwar kann gemäß § 20 Abs. 3 WEG jeder Wohnungs­ei­gentümer verlangen, dass ihm eine bauliche Veränderung gestattet wird, wenn alle Wohnungs­ei­gentümer, deren Rechte durch die bauliche Veränderung über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt werden, einverstanden sind oder wenn kein anderer Wohnungs­ei­gentümer beeinträchtigt wird. Die fehlende Beein­träch­tigung der Klägerin und damit einen Gestat­tungs­an­spruch der Beklagten musste der Bundes­ge­richtshof für die Revisi­ons­instanz unterstellen, weil das Landgericht diese Frage offengelassen und keine Feststellungen insbesondere zu der Grund­s­tücksgröße und den baulichen Verhältnissen vor Ort getroffen hatte. Auch wenn ein bestehender Gestat­tungs­an­spruch unterstellt wird, muss die Gestattung durch Beschluss der Wohnungs­ei­gentümer erfolgen. Die vor Inkrafttreten des Wohnungs­ei­gen­tums­mo­der­ni­sie­rungs­ge­setzes zum 1. Dezember 2020 umstrittene Frage, ob bauliche Veränderungen eines Beschlusses bedürfen, hat der Gesetzgeber in Kenntnis dieses Streits nunmehr eindeutig entschieden, um Ausle­gungs­schwie­rig­keiten zu vermeiden und die vielfältigen Zweifelsfragen im Zusammenhang mit baulichen Veränderungen zu beseitigen. Danach bedarf jede von einem einzelnen Wohnungs­ei­gentümer beabsichtigte bauliche Veränderung des gemein­schaft­lichen Eigentums eines legitimierenden Beschlusses, auch wenn kein Wohnungs­ei­gentümer in rechtlich relevanter Weise beeinträchtigt wird. So wird sichergestellt, dass die Wohnungs­ei­gentümer über alle baulichen Veränderungen des Gemein­schafts­ei­gentums informiert werden. Damit ist das Verfahren bei beabsichtigter baulicher Veränderung durch einen einzelnen Wohnungs­ei­gentümer vorgezeichnet. Es ist Sache des bauwilligen Wohnungs­ei­gen­tümers, einen Gestattungsbeschluss gegebenenfalls im Wege der Beschlus­ser­set­zungsklage (§ 44 Abs. 1 Satz 2 WEG) herbeizuführen, ehe mit der Baumaßnahme begonnen wird. Handelt er dem zuwider, haben die übrigen Wohnungs­ei­gentümer einen Unter­las­sungs­an­spruch.

Verfahren seit Inkrafttreten des WEMoG eindeutig geregelt

Dass der bauwillige Wohnungs­ei­gentümer dem Unter­las­sungs­an­spruch seinen Gestat­tungs­an­spruch nicht unter Berufung auf Treu und Glauben entgegenhalten kann, ist keine bloße Förmelei. Es ist gerade Sache des bauwilligen Wohnungs­ei­gen­tümers, den gesetzlich geforderten Beschluss über die bauliche Veränderung herbeizuführen. Notfalls muss er Beschlus­ser­set­zungsklage erheben. Demgegenüber sollen die übrigen Wohnungs­ei­gentümer nicht in die Rolle gedrängt werden, auf die Erhebung einer Klage durch die Gemeinschaft hinwirken zu müssen. Vorteil dieses nunmehr eindeutig geregelten Verfahrens ist außerdem, dass mit Bestandskraft eines gestattenden Beschlusses (bzw. Rechtskraft eines Urteils, das einen Gestat­tungs­be­schluss ersetzt) zwischen den Wohnungs­ei­gen­tümern ebenso wie im Verhältnis zu deren Rechts­nach­folgern feststeht, dass die bauliche Veränderung zulässig ist.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/ab)

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