23.11.2024
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Dokument-Nr. 34211

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Bundesgerichtshof Urteil19.07.2024

Umlage von Prozesskosten der in einem Beschluss­klage­verfahren unterlegenen Gemeinschaft auch auf die obsiegenden Wohnungs­ei­gentümerProzesskosten tragen alle Wohnungs­ei­gentümer

Der Bundes­ge­richtshof hat auf der Grundlage des im Jahr 2020 reformierten Wohnungs­eigentums­rechts entschieden, dass Prozesskosten, die der unterlegenen Gemeinschaft der Wohnungs­ei­gentümer in einem Beschluss­klage­verfahren auferlegt worden sind, zu den Kosten der Verwaltung gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 WEG gehören. Daher sind sie, soweit keine abweichende Regelung getroffen worden ist, nach dem allgemeinen Kosten­verteilungs­schlüssel umzulegen. Dies führt dazu, dass auch der obsiegende Beschlusskläger die Prozesskosten der unterlegenen Gemeinschaft der Wohnungs­ei­gentümer anteilig mitfinanzieren muss.

Die drei Klägerinnen sind Mitglieder der beklagten Gemeinschaft der Wohnungs­ei­gentümer und Eigentümerinnen jeweils einer der insgesamt acht Wohnungs­ei­gen­tum­s­ein­heiten. In der Gemein­schafts­ordnung aus dem Jahr 2019 ist geregelt, dass die Verwaltungskosten zu gleichen Teilen auf die Wohnungs­ei­gen­tum­s­ein­heiten umgelegt werden. Im Jahr 2021 fochten die Klägerinnen bei dem Amtsgericht einen von den Eigentümern gefassten Beschluss an (im Folgenden: Vorprozess). Das Amtsgericht gab der Klage statt und verurteilte die Gemeinschaft der Wohnungs­ei­gentümer dazu, die Kosten des Vorprozesses zu tragen. Im April 2022 beschlossen die Eigentümer, diese Kosten durch eine Sonderumlage zu finanzieren. Hierfür sollte je Wohnungs­ei­gen­tum­s­einheit ein Betrag in Höhe von 799,21 € gezahlt werden, mithin auch von jeder der Klägerinnen. Gegen diesen Beschluss wenden sich die Klägerinnen mit ihrer Anfech­tungsklage, die vor dem Amtsgericht keinen Erfolg gehabt hat. Auf die Berufung einer der Klägerinnen hat das Landgericht der Klage stattgegeben. Dagegen wendet sich die beklagte Gemeinschaft der Wohnungs­ei­gentümer mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision.

Aktuell geltende gesetzliche Regelung maßgeblich

Der BGH hat der Revision stattgegeben und die amtsge­richtliche Entscheidung wieder­her­ge­stellt, so dass die Anfech­tungsklage endgültig abgewiesen worden ist. Dem liegen folgende Erwägungen zu Grunde: Der Beschluss über die Erhebung der Sonderumlage entspricht ordnungsmäßiger Verwaltung. Nach dem in der Gemeinschaft geltenden Kosten­ver­tei­lungs­sch­lüssel sind die Prozesskosten des Vorprozesses auch auf die obsiegenden Anfech­tungs­klä­ge­rinnen umzulegen. Die Gemein­schafts­ordnung ist dahin auszulegen, dass mit dem dort verwendeten Begriff der Verwal­tungs­kosten auf die entsprechende, aktuell geltende gesetzliche Regelung Bezug genommen wird. Ob die Kosten des Vorprozesses zu den Verwal­tungs­kosten gehören, ist daher nach dem im Zeitpunkt der Beschluss­fassung geltenden § 16 Abs. 2 Satz 1 WEG zu beurteilen. Die umstrittene Frage, ob hiernach Prozesskosten, die in Beschluss­kla­ge­ver­fahren der unterlegenen Gemeinschaft auferlegt worden sind, auf alle Miteigentümer einschließlich der obsiegenden Kläger umzulegen sind, hat der BGH bejaht.

Prozesskosten der Gemeinschaft sind Verwal­tungs­kosten

Beschlussklagen sind seit dem 1. Dezember 2020 nicht mehr gegen die übrigen Wohnungs­ei­gentümer, sondern gegen die Gemeinschaft der Wohnungs­ei­gentümer zu richten (§ 44 Abs. 2 Satz 1 WEG). Damit sind auch Kosten, die der Gemeinschaft in einem Beschluss­kla­ge­ver­fahren auferlegt worden sind, Verwal­tungs­kosten der Gemeinschaft, an denen sämtliche Wohnungs­ei­gentümer unabhängig von ihrer Parteistellung im Prozess zu beteiligen sind. Eine einschränkende Auslegung des § 16 Abs. 2 Satz 1 WEG unter Wertungs­ge­sichts­punkten kommt nicht in Betracht. Zwar ist nicht von der Hand zu weisen, dass diese Kostenfolge - insbesondere in kleinen Gemeinschaften - potentielle Beschlusskläger von einer Klage abhalten kann. Es fehlt aber an einer planwidrigen Regelungslücke. Dass der Gesetzgeber übersehen hat, dass § 16 Abs. 2 Satz 1 WEG aufgrund der nunmehrigen Parteistellung der Gemeinschaft der Wohnungs­ei­gentümer bei Beschlussklagen auch die Kosten des obsiegenden Beschluss­klägers erfasst, kann nicht angenommen werden. Auch die Rechtskraft der Kosten­ent­scheidung des Vorprozesses hat keinen Einfluss auf den anzuwendenden Umlageschlüssel. Ob materiell-rechtliche Erstat­tungs­ansprüche der obsiegenden Beschlusskläger gegen die Gemeinschaft denkbar sind, hat der BGH offengelassen, weil derartige Ansprüche im Rahmen der Beschluss­fassung über eine Sonderumlage grundsätzlich nicht berücksichtigt werden müssen.

Der BGH hat zudem entschieden, dass der Beschluss auch nicht - wie das LG gemeint hatte - wegen eines Ermes­sens­ausfalls ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht. Zwar eröffnet § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG die Möglichkeit, für einzelne Kosten oder bestimmte Arten von Kosten eine von dem vereinbarten bzw. gesetzlichen Vertei­lungs­sch­lüssel abweichende Verteilung zu beschließen. Eine derartige Entscheidung bedarf aber einer gesonderten Beschluss­fassung vor Erhebung der Sonderumlage. Solange eine Beschluss­fassung zur Änderung der Kosten­ver­teilung nach § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG nicht erfolgt oder durch eine gerichtliche Entscheidung ersetzt worden ist, entspricht es ordnungsmäßiger Verwaltung, bei der Beschluss­fassung über eine Sonderumlage den geltenden Kosten­ver­tei­lungs­sch­lüssel anzuwenden. Ein Ermessen für die Anwendung eines anderen Kosten­ver­tei­lungs­sch­lüssels stand den Wohnungs­ei­gen­tümern bei der Beschluss­fassung über die Sonderumlage daher nicht zu.

Der BGH hat darüber hinaus geklärt, dass ein solcher Beschluss auch nicht deswegen ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht, weil den Wohnungs­ei­gen­tümern - wie es hier möglicherweise der Fall war - nicht bewusst war, dass sie vorab einen anderen Kosten­ver­tei­lungs­sch­lüssel hätten beschließen können. Denn die Wohnungs­ei­gentümer dürfen sich ohne Weiteres an ihre Vereinbarungen halten und ihre Beschlüsse auf deren Grundlage fassen; sie sind nicht gehalten, vor jeder Beschluss­fassung mögliche Änderungen der geltenden Vereinbarungen in Betracht zu ziehen.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/ab)

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