Dem Fall lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Eine Anwaltsgesellschaft war auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtschutzes beratend und gerichtlich für verschiedene in- und ausländischer Gesellschaften tätig. Aufgrund von Zahlungsschwierigkeiten waren die Gesellschaften nicht in der Lage verschiedene Honorarrechnungen der Anwaltsgesellschaft aus der Zeit von März 2005 bis Juni 2006 zu zahlen. Die Kanzlei forderte daher im Juli 2006 unter anderem von einer Gesellschafterin die persönliche Haftung für gegenwärtige und künftige Honoraransprüche. Darauf reagierte sie jedoch nicht. Im Zusammenhang mit einem Gerichtstermin im August 2006 forderte der Prozessvertreter die Gesellschafterin auf, eine Vergütungsvereinbarung zu unterzeichnen, welche die persönliche Haftung der Gesellschafterin beinhaltete. Sollte sie dem nicht nachkommen, würde er das Mandat sofort niederlegen. Nachdem die Gesellschafterin die Vereinbarung unterschrieb, nahm die Anwaltskanzlei sie gerichtlich auf Zahlung von fast 52.000 € in Anspruch.
Das Landgericht sowie das Oberlandesgericht gaben der Klage der Anwaltskanzlei statt. Das Oberlandesgericht begründete dies damit, dass die Vergütungsvereinbarung nicht sittenwidrig (§ 138 BGB) und damit wirksam gewesen sei. Es sei insofern zu beachten gewesen, dass eine Überrumpelung der Gesellschafterin nicht vorgelegen habe. Denn der Text der Vergütungsvereinbarung sei ihr bereits seit Juli 2006 bekannt gewesen. Zudem haben hier beträchtliche Gebührenforderungen offen gestanden und Aussicht auf Zahlung habe in absehbarer Zeit nicht bestanden. Die Gesellschafterin habe daher auch angesichts ihrer geschäftlichen Erfahrung damit rechnen müssen, dass ihr die Dienstleistungen der Anwaltsgesellschaft nicht dauerhaft ohne zwischenzeitlichen Ausgleich der Honoraransprüche zur Verfügung gestellt werden.
Der Bundesgerichtshof bestätigte die Ansicht des Oberlandesgerichts, dass die Vergütungsvereinbarung nicht nach § 138 BGB wegen Sittenwidrigkeit unwirksam war. Er stellte jedoch fest, dass der Gesellschafterin ein Schadenersatzanspruch gerichtet auf Befreiung von der eingegangen Verbindlichkeit zugestanden habe.
Aus Sicht der Bundesrichter bestehe ein Anspruch auf Befreiung einer Verbindlichkeit im Wege des Schadenersatzes, wenn der Vertragsschluss auf einer widerrechtlichen Drohung beruht. Eine solche könne in der Ankündigung der Mandatsniederlegung zur Durchsetzung einer günstigeren Vergütungsabrede gesehen werden. Ob in einem solchen Fall die Drohung rechtswidrig ist, hänge von dem Verhältnis zwischen dem verfolgten Zweck und dem dazu eingesetzten Mittel ab.
In der erstmaligen Androhung einer Mandatsniederlegung kurz vor Aufruf der Sache im Zivilprozess zur Durchsetzung einer günstigeren Vergütungsvereinbarung oder einer entsprechenden Haftungsübernahme sei nach Auffassung des Gerichtshofs kein angemessenes Mittel zur Erreichung des an sich berechtigten Anliegens, eine beträchtliche, offenstehende Forderung zu erhalten oder zu sichern. Unter diesen Umständen missbrauche der Anwalt die Zwangslage seines Mandanten und das besondere Vertrauensverhältnis zu seinem Mandanten in verwerflicher Weise zur Durchsetzung von Gebühreninteressen. Eine widerrechtliche Drohung habe daher vorgelegen.
Etwas anderes gelte jedoch dann, so der Gerichtshof weiter, wenn der Anwalt längere Zeit vor Beginn der Hauptverhandlung den Mandanten über den Inhalt der von ihm gewünschten Gebührenvereinbarung als Voraussetzung für die Fortsetzung der Prozessvertretung informiert hat. Der Mandant werde nämlich dadurch in die Lage versetzt, die Gebührenvereinbarung zurückzuverweisen und rechtzeitig vor Beginn der Hauptverhandlung auf der Grundlage einer ihm genehmen Gebührenabrede einen anderen Anwalt zu beauftragen. Dies sei hier aber nicht der Fall gewesen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 17.06.2013
Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)