18.10.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.

Dokument-Nr. 16087

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Urteil07.02.2013BundesgerichtshofIX ZR 138/11
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • MDR 2013, 747Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2013, Seite: 747
  • NJW 2013, 1591Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2013, Seite: 1591
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Vorinstanzen:
  • Landgericht Saarbrücken, Urteil27.09.2010, 9 O 12/10
  • Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil01.08.2011, 1 U 505/10 - 151 -
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil07.02.2013

BGH: Ankündigung der Mandats­nie­der­legung vor Gerichtstermin stellt widerrechtliche Drohung darZwangslage des Mandanten wird in verwerflicher Weise missbraucht

Kündigt der Rechtsanwalt unmittelbar vor Beginn der Haupt­ver­handlung an, im Falle der Nicht­un­ter­zeichnung einer günstigeren Vergütungs­vereinbarung das Mandat niederzulegen, so liegt darin eine rechtswidrige Drohung. In einer derartigen Durchsetzung von Gebüh­ren­in­teressen liegt ein Missbrauch der Zwangslage des Mandanten in verwerflicher Weise vor. Dies hat der Bundes­ge­richtshof entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Eine Anwalts­ge­sell­schaft war auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtschutzes beratend und gerichtlich für verschiedene in- und ausländischer Gesellschaften tätig. Aufgrund von Zahlungs­schwie­rig­keiten waren die Gesellschaften nicht in der Lage verschiedene Honorar­rech­nungen der Anwalts­ge­sell­schaft aus der Zeit von März 2005 bis Juni 2006 zu zahlen. Die Kanzlei forderte daher im Juli 2006 unter anderem von einer Gesell­schafterin die persönliche Haftung für gegenwärtige und künftige Honora­ransprüche. Darauf reagierte sie jedoch nicht. Im Zusammenhang mit einem Gerichtstermin im August 2006 forderte der Prozess­ver­treter die Gesell­schafterin auf, eine Vergütungsvereinbarung zu unterzeichnen, welche die persönliche Haftung der Gesell­schafterin beinhaltete. Sollte sie dem nicht nachkommen, würde er das Mandat sofort niederlegen. Nachdem die Gesell­schafterin die Vereinbarung unterschrieb, nahm die Anwaltskanzlei sie gerichtlich auf Zahlung von fast 52.000 € in Anspruch.

Landgericht und Oberlan­des­gericht gaben Klage statt

Das Landgericht sowie das Oberlan­des­gericht gaben der Klage der Anwaltskanzlei statt. Das Oberlan­des­gericht begründete dies damit, dass die Vergü­tungs­ver­ein­barung nicht sittenwidrig (§ 138 BGB) und damit wirksam gewesen sei. Es sei insofern zu beachten gewesen, dass eine Überrumpelung der Gesell­schafterin nicht vorgelegen habe. Denn der Text der Vergü­tungs­ver­ein­barung sei ihr bereits seit Juli 2006 bekannt gewesen. Zudem haben hier beträchtliche Gebüh­ren­for­de­rungen offen gestanden und Aussicht auf Zahlung habe in absehbarer Zeit nicht bestanden. Die Gesell­schafterin habe daher auch angesichts ihrer geschäftlichen Erfahrung damit rechnen müssen, dass ihr die Dienst­leis­tungen der Anwalts­ge­sell­schaft nicht dauerhaft ohne zwischen­zeit­lichen Ausgleich der Honora­ransprüche zur Verfügung gestellt werden.

Unwirksame Vergü­tungs­ver­ein­barung aufgrund Schaden­er­satz­an­spruch der Gesell­schafterin

Der Bundes­ge­richtshof bestätigte die Ansicht des Oberlan­des­ge­richts, dass die Vergü­tungs­ver­ein­barung nicht nach § 138 BGB wegen Sitten­wid­rigkeit unwirksam war. Er stellte jedoch fest, dass der Gesell­schafterin ein Schaden­er­satz­an­spruch gerichtet auf Befreiung von der eingegangen Verbindlichkeit zugestanden habe.

Ankündigung der Mandats­nie­der­legung zur Durchsetzung günstiger Vergü­tungs­abrede begründet Schaden­er­satz­an­spruch

Aus Sicht der Bundesrichter bestehe ein Anspruch auf Befreiung einer Verbindlichkeit im Wege des Schadenersatzes, wenn der Vertragsschluss auf einer wider­recht­lichen Drohung beruht. Eine solche könne in der Ankündigung der Mandatsniederlegung zur Durchsetzung einer günstigeren Vergü­tungs­abrede gesehen werden. Ob in einem solchen Fall die Drohung rechtswidrig ist, hänge von dem Verhältnis zwischen dem verfolgten Zweck und dem dazu eingesetzten Mittel ab.

Mandats­nie­der­legung kein angemessenes Mittel zur Sicherung einer offenstehenden Vergütung

In der erstmaligen Androhung einer Mandats­nie­der­legung kurz vor Aufruf der Sache im Zivilprozess zur Durchsetzung einer günstigeren Vergü­tungs­ver­ein­barung oder einer entsprechenden Haftungs­übernahme sei nach Auffassung des Gerichtshofs kein angemessenes Mittel zur Erreichung des an sich berechtigten Anliegens, eine beträchtliche, offenstehende Forderung zu erhalten oder zu sichern. Unter diesen Umständen missbrauche der Anwalt die Zwangslage seines Mandanten und das besondere Vertrau­ens­ver­hältnis zu seinem Mandanten in verwerflicher Weise zur Durchsetzung von Gebüh­ren­in­teressen. Eine widerrechtliche Drohung habe daher vorgelegen.

Angemessenheit des Mittels nur bei vorheriger Ankündigung

Etwas anderes gelte jedoch dann, so der Gerichtshof weiter, wenn der Anwalt längere Zeit vor Beginn der Hauptverhandlung den Mandanten über den Inhalt der von ihm gewünschten Gebüh­ren­ver­ein­barung als Voraussetzung für die Fortsetzung der Prozess­ver­tretung informiert hat. Der Mandant werde nämlich dadurch in die Lage versetzt, die Gebüh­ren­ver­ein­barung zurück­zu­ver­weisen und rechtzeitig vor Beginn der Haupt­ver­handlung auf der Grundlage einer ihm genehmen Gebührenabrede einen anderen Anwalt zu beauftragen. Dies sei hier aber nicht der Fall gewesen.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)

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