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14.11.2025 
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Dokument-Nr. 35561

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Bundesgerichtshof Urteil13.11.2025

Wirecard-Aktionäre haben keinen Anspruch auf Geld als einfache Insol­venz­gläubiger aus der InsolvenzmasseVon Aktionären der Wirecard AG angemeldete Ansprüche sind keine einfachen Insol­venz­for­de­rungen

Der unter anderem für das Insolvenzrecht zuständige IX. Zivilsenat des Bundes­ge­richtshofs hat entschieden, dass Aktionäre einer insolventen Aktien­ge­sell­schaft mit ihren kapital­ma­rkt­recht­lichen Schaden­s­er­satz­ansprüchen nicht als einfache Insol­venz­gläubiger an der Verteilung der Insolvenzmasse zu beteiligen sind.

Die Wirecard AG war eine börsennotierte Aktien­ge­sell­schaft. Am 25. August 2020 eröffnete das Amtsgericht München - Insol­venz­gericht - das Insol­venz­ver­fahren über das Vermögen der Gesellschaft und bestellte den Beklagten zu 1 zum Insol­venz­ver­walter. Daraufhin meldeten etwa 50.000 Aktionäre der Wirecard AG Schaden­s­er­satz­for­de­rungen aufgrund des Erwerbs der Aktien in Höhe von rund 8,5 Milliarden Euro zur Insol­venz­tabelle an. Die Beklagte zu 2 ist die gemeinsame Vertreterin von Gläubigern einer von der Wirecard AG ausgegebenen Schuld­ver­schreibung über 500 Millionen Euro, die ebenfalls Forderungen zur Insol­venz­tabelle angemeldet haben. Mit den Ansprüchen weiterer Gläubiger sind insgesamt Forderungen in Höhe von rund 15,4 Milliarden Euro zur Tabelle angemeldet. Die derzeit vorhandene Insolvenzmasse beträgt etwa 650 Millionen Euro.

Die Klägerin ist eine deutsche Kapita­l­an­la­ge­ge­sell­schaft. Sie erwarb im Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis zum 12. Juni 2020 Aktien der Wirecard AG auf dem Sekundärmarkt und verkaufte diese zum großen Teil wieder. Am 18. Juni 2020 hielt die Klägerin noch 73.345 Aktien der Wirecard AG. Sie meint, ihr stünden kapital­ma­rkt­rechtliche Schaden­s­er­satz­ansprüche gegen die Gesellschaft zu. Die Wirecard AG habe ein tatsächlich nicht vorhandenes Geschäftsmodell vorgetäuscht und über ihre Vermögens-, Finanz- und Ertragslage getäuscht. Bei Kenntnis der wahren Sachlage hätte die Klägerin keine Aktien erworben.

Die Klägerin meldete deshalb Ansprüche in Höhe von insgesamt 9.836.098,79 Euro als einfache Insol­venz­for­de­rungen nach § 38 InsO zur Insol­venz­tabelle an. Im Prüfungstermin vom 15. April 2021 bestritten der Beklagte zu 1 und die Beklagte zu 2 die von der Klägerin angemeldeten Forderungen. Sie meinen, dass es sich bei den Ansprüchen der Klägerin nicht um einfache Insol­venz­for­de­rungen handele. Die Aktionäre seien mit ihren Ansprüchen aus dem täuschungs­be­dingten Erwerb der Aktien nachrangig gegenüber den übrigen Insol­venz­gläu­bigern. Ihre Forderungen seien nur zu berücksichtigen, soweit bei Beendigung des Insol­venz­ver­fahrens ein Überschuss vorhanden sei.

Die Klägerin hat Klage auf Feststellung ihrer Forderungen zur Insol­venz­tabelle erhoben. Der Beklagte zu 1 hat eine Zwischen­fest­stel­lungs­wi­derklage erhoben, mit der er festgestellt wissen möchte, dass es sich bei den Forderungen der Klägerin um Ansprüche handelt, die allein im Rahmen einer Überschuss­ver­teilung nach § 199 Satz 2 InsO berücksichtigt werden können.

Bisheriger Prozessverlauf

Das Landgericht hat die Klage und die Widerklage abgewiesen (Landgericht München I, Urteil v. 23.11.2022 - 29 O 7754/21 -). Hiergegen haben die Klägerin und der Beklagte zu 1 Berufung eingelegt.

Das Oberlan­des­gericht hat die Berufung des Beklagten zu 1 durch Teilurteil zurückgewiesen und auf die Berufung der Klägerin ein Zwischenurteil erlassen. Darin hat das Oberlan­des­gericht ausgesprochen, dass die Klage zulässig sei und die Klägerin ihre kapital­ma­rkt­recht­lichen Schaden­s­er­satz­for­de­rungen als Insol­venz­for­de­rungen nach § 38 InsO geltend machen könne.

Mit ihrer vom Oberlan­des­gericht zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihren Antrag auf Klageabweisung weiter, der Beklagte zu 1 zudem seine Zwischen­fest­stel­lungs­wi­derklage.

Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs

Die insgesamt zulässige Revision der Beklagten hat überwiegend Erfolg.

Die Revision ist auch insoweit zulässig, als das Oberlan­des­gericht im Zwischenurteil über die insol­venz­rechtliche Einordnung der Ansprüche der Klägerin entschieden hat. Der Sache nach hat das Oberlan­des­gericht trotz der Bezeichnung als Zwischenurteil ein mit der Revision anfechtbares Zwischen­fest­stel­lungs­urteil gemäß § 256 Abs. 2 ZPO getroffen. Die Einordnung von Ansprüchen als Insol­venz­for­de­rungen stellt ein feststel­lungs­fähiges Rechts­ver­hältnis dar.

Kapital­ma­rkt­rechtliche Schaden­s­er­satz­ansprüche der Aktionäre treten hinter den Forderungen einfacher Insol­venz­gläubiger gemäß § 38 InsO zurück

Hinsichtlich der Zwischen­fest­stellung ist die Revision begründet. Die von der Klägerin zur Tabelle angemeldeten Forderungen stellen keine einfachen Insol­venz­for­de­rungen gemäß § 38 InsO dar. Kapital­ma­rkt­rechtliche Schaden­s­er­satz­ansprüche der Aktionäre sind derart mit der Stellung als Aktionär verknüpft, dass sie in der Insolvenz der Gesellschaft hinter den Forderungen einfacher Insol­venz­gläubiger gemäß § 38 InsO zurücktreten. Da nur eine Forde­rungs­an­meldung im Rang des § 38 InsO im Streit war, bedurfte es keiner Entscheidung, ob die Forderungen gemäß § 199 Satz 2 InsO erst nach einer Schluss­ver­teilung aus dem verbleibenden Überschuss zu bedienen oder ob sie in entsprechender Anwendung im Rang des § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 InsO als nachrangige Insol­venz­gläubiger zu befriedigen sind.

Die Insol­ven­z­ordnung enthält - soweit es um die Befriedigung aus dem Vermögen der insolventen Gesellschaft geht - eine Vertei­lungs­ordnung und zugleich eine Rangordnung. Der Gesetzgeber ordnet Forderungen der Gesellschafter im Rang hinter den einfachen Insol­venz­gläu­bigern des § 38 InsO ein, wenn die Forderungen hinreichend mit der Beteiligung an der Gesellschaft verknüpft sind. Das ist hier der Fall.

Aktionäre, die von bewusst unwahren, kursrelevanten Ad-hoc-Mitteilungen der Vorstands­mit­glieder über die Geschäft­s­ent­wicklung der Gesellschaft vorsätzlich zum Erwerb von Aktien veranlasst wurden, können von der Gesellschaft Erstattung des gezahlten Kaufpreises gegen Übertragung der Aktien oder - sofern diese wegen zwischen­zeit­licher Veräußerung nicht mehr vorhanden sind - gegen Anrechnung des Veräu­ße­rungs­preises verlangen. In der Insolvenz der Gesellschaft sind solche Ansprüche der Aktionäre nachrangig gegenüber einfachen Insol­venz­gläu­bigern. Im Insolvenzfall betrifft die Durchsetzung der kapital­ma­rkt­recht­lichen Schaden­s­er­satz­ansprüche nicht mehr die Haftung der Gesellschaft, sondern einen Vertei­lungs­konflikt zwischen Fremdgläubigern und den an der Gesellschaft beteiligten Gläubigern. In diesem Vertei­lungs­konflikt weist die Gläubi­ger­stellung der Aktionäre die notwendige Nähe zur Beteiligung an der Gesellschaft auf.

Ein kapital­ma­rkt­recht­licher Schaden­s­er­satz­an­spruch eines Aktionärs unterscheidet sich grundlegend von Ansprüchen einfacher Insol­venz­gläubiger. Er entsteht nur aufgrund der Beteiligung als Aktionär. Wirtschaftlich kompensiert er die - täuschungs­bedingt - fehlgeschlagene Investition in eine eigene Geschäft­s­tä­tigkeit, nämlich die der Gesellschaft, an der sich der Aktionär beteiligt. Bei der Haftung gegenüber der Klägerin geht es daher um den Ausgleich von Schäden, die notwendig mit ihrer Aktio­när­s­stellung zusammenhängen. Die insol­venz­rechtliche Rangfolge setzt solche auf den Erwerb der Aktie bezogene Forderungen hinter diejenigen der einfachen Insol­venz­gläubiger nach § 38 InsO zurück. Für einen Gleichrang mit einfachen Insol­venz­gläu­bigern genügt es auch nicht, die Täuschung der Aktionäre in den Blick zu nehmen, weil dies ausblendet, dass Zweck des Rechtsgeschäfts der Erwerb einer Beteiligung an der Gesellschaft war. Der Aktionär hat daher die mit seiner Stellung verbundenen Risiken zu tragen.

Hinsichtlich des Ausspruchs über die Zulässigkeit der Klage und über die Zwischen­fest­stel­lungs­wi­derklage des Beklagten zu 1 bleibt die Revision ohne Erfolg. Die Zwischen­fest­stel­lungs­wi­derklage des Beklagten zu 1 ist unzulässig. Sie geht - soweit sie den Rang des § 38 InsO verneint - nicht über eine Abweisung der Hauptsacheklage hinaus. Für eine Feststellung, dass die Forderungen der Klägerin allein im Rahmen der Überschuss­ver­teilung berücksichtigt werden können, besteht kein Rechts­schut­z­in­teresse.

Der Bundes­ge­richtshof konnte insgesamt eine Entscheidung über die Sache treffen. Der Bundes­ge­richtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben, soweit das Oberlan­des­gericht festgestellt hatte, dass die Klägerin die zur Tabelle angemeldeten kapital­ma­rkt­recht­lichen Schaden­s­er­satz­for­de­rungen als Insol­venz­for­de­rungen nach § 38 InsO geltend macht. Er hat das Urteil des Landgerichts, das die Klage auf Feststellung der Forderungen der Klägerin zur Insol­venz­tabelle abgewiesen hatte, insoweit wieder­her­ge­stellt. In Bezug auf die Zwischen­fest­stel­lungs­wi­derklage des Beklagten zu 1 hat der Bundes­ge­richtshof die Revision zurückgewiesen.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/pt)

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