18.10.2024
18.10.2024  
Sie sehen eine abgedunkelte Fassade von mehreren Hochhäusern, auf der ein Schutzschild leuchtet.

Dokument-Nr. 24057

Drucken
Urteil29.03.2017BundesgerichtshofIV ZR 533/15
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • zfs 2017, 337Zeitschrift für Schadenrecht (zfs), Jahrgang: 2017, Seite: 337
Für Details Fundstelle bitte Anklicken!
Vorinstanzen:
  • Amtsgericht Heidelberg, Urteil18.11.2014, 30 C 103/14
  • Landgericht Heidelberg, Urteil18.11.2015, 4 S 49/14
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil29.03.2017

Private Kranken­ver­si­cherung kann zur Kostenübernahme einer Lasik-Operation zur Beseitigung einer Fehlsichtigkeit verpflichtet seinBGH zur Erstattungs­fähigkeit der Kosten einer Lasik-Operation an den Augen in der privaten Kranken­ver­si­cherung

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass eine Fehlsichtigkeit auf beiden Augen von -3 bzw. -2,75 Dioptrien eine Krankheit im Sinne von § 1 Abs. 2 der Muster­be­din­gungen für die Krank­heits­kosten- und Krankenhaus­tagegeld­versicherung darstellt und der private Kranken­ver­si­cherer deshalb bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen auch die Kosten einer Lasik-Operation zur Beseitigung dieser Fehlsichtigkeit tragen muss.

In dem zugrunde liegenden Rechtsstreit begehrte die Klägerin, die eine Lasik-Operation erfolgreich hatte durchführen lassen, die Erstattung der dafür angefallenen Kosten in Höhe von rund 3.500 Euro.

In § 1 Abs. 2 der dem Versi­che­rungs­vertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen, die insoweit den Muster­be­din­gungen für die Krank­heits­kosten- und Kranken­haus­ta­ge­geld­ver­si­cherung (MB/KK) entsprechen, heißt es:

"Versi­che­rungsfall ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen (...)."

Vorinstanzen weisen Klage ab

Die Klage blieb in den Vorinstanzen erfolglos. Das Landgericht Heidelberg als Berufungs­gericht hat im Anschluss an Ausführungen des vom Amtsgericht Heidelberg beauftragten medizinischen Sachver­ständigen angenommen, dass es bereits an einer bedin­gungs­gemäßen Krankheit fehle, weil vom Vorliegen einer Krankheit bei einer Fehlsichtigkeit nur gesprochen werden könne, wenn eine Abweichung vom natürlichen körperlichen Zustand der versicherten Person vorliege, die nicht dem normalen Entwicklungs- oder Alterungs­prozess entspreche. Nach den Ausführungen des Sachver­ständigen seien 30 - 40 % der Menschen im mittleren Alter kurzsichtig und werde von einer pathologischen Myopie nach internationalem Standard erst ab -6 Dioptrien gesprochen. Auch sei der Klägerin das Tragen einer Brille möglich und zumutbar gewesen.

Für Krank­heits­begriff ist Verständnis eines durch­schnitt­lichen Versi­che­rungs­nehmers entscheidend

Der Bundes­ge­richtshof hat demgegenüber klargestellt, dass es für den Krank­heits­begriff in Allgemeinen Versi­che­rungs­be­din­gungen nicht auf das Verständnis in medizinischen Fachkreisen, sondern auf das Verständnis eines durch­schnitt­lichen Versi­che­rungs­nehmers ankommt, der davon ausgehen wird, dass zum Normalzustand der Sehfähigkeit ein beschwer­de­freies Lesen und eine gefahrenfreie Teilnahme am Straßenverkehr gehört; er wird das Vorliegen einer bedin­gungs­gemäßen Krankheit annehmen, wenn bei ihm eine nicht nur ganz geringfügige Beein­träch­tigung dieser körperlichen Normalfunktion vorliegt, die ohne Korrektur ein beschwer­de­freies Sehen nicht ermöglicht. Die Korrek­tur­be­dürf­tigkeit der bei der Klägerin vorliegenden Kurzsichtigkeit und die medizinische Indikation für deren Behandlung hatte auch der Sachverständige im Streitfall bejaht.

Tragen einer Sehhilfe bei Fehlsichtigkeit stellt keine Heilbehandlung dar

Der Bundes­ge­richtshof hat den Rechtsstreit zur Prüfung der weiteren Frage, ob die durchgeführte Operation eine medizinisch notwendige Heilbehandlung darstellte, an das Berufungs­gericht zurückverwiesen. Er hat dabei zugleich darauf hingewiesen, dass diese Notwendigkeit bei der gegebenen Bedingungslage nicht allein wegen der Üblichkeit des Tragens einer Brille oder von Kontaktlinsen verneint werden kann. Dies hat er damit begründet, dass das Tragen einer Sehhilfe in Bezug auf die Fehlsichtigkeit keine Heilbehandlung darstellt, Brillen und Kontaktlinsen vielmehr lediglich Hilfsmittel sind, mit denen körperliche Defekte über einen längeren Zeitraum ausgeglichen werden, und die vereinbarten Allgemeinen Versi­che­rungs­be­din­gungen dem Versi­che­rungs­nehmer an keiner Stelle deutlich machen, dass die Erstat­tungs­fä­higkeit der Kosten einer medizinisch notwendigen Heilbehandlung grundsätzlich davon abhängen soll, ob er (dauerhaft) auf ein Hilfsmittel zurückgreifen kann, das den bei ihm bestehenden anormalen Körperzustand auszugleichen oder abzuschwächen geeignet ist, ohne am eigentlichen Leiden etwas zu ändern.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil24057

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI