18.10.2024
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Sie sehen eine abgedunkelte Fassade von mehreren Hochhäusern, auf der ein Schutzschild leuchtet.

Dokument-Nr. 6274

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Urteil25.06.2008BundesgerichtshofIV ZR 233/06
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NJW-Spezial 2008, 545 (Michael Drasdo)Zeitschrift: NJW-Spezial, Jahrgang: 2008, Seite: 545, Entscheidungsbesprechung von Michael Drasdo
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Vorinstanzen:
  • Landgericht Stade, Urteil29.11.2005, 3 O 9/04
  • Oberlandesgericht Celle, Urteil03.08.2006, 8 U 197/05
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil25.06.2008

BGH zu den Anforderungen an eine "genügend häufige" Kontrolle der Beheizung eines versicherten Wohngebäudes in der kalten JahreszeitAusschlaggebend für die Kontroll­häu­figkeit sind Alter, Bauart, Zuverlässigkeit etc. der Heizung - nicht die Außen­tem­pe­raturen

Der Bundes­ge­richtshof war mit der Frage befasst, bei welchen Kontroll­in­ter­vallen der Versi­che­rungs­nehmer einer Wohngebäude­versicherung seine in solchen Versicherungs­verträgen regelmäßig (hier: § 11 Nr. 1 lit. D VGB 88) begründete Obliegenheit erfüllt, in der kalten Jahreszeit die Beheizung des versicherten Gebäudes "genügend häufig" zu kontrollieren.

Der Kläger forderte vom beklagten Gebäu­de­ver­si­cherer Versi­che­rungs­leis­tungen nach einem Frostbruch von Heizungsrohren und einem dadurch bedingten, durch ausgelaufenes Heizungswasser verursachten Leitungs­was­ser­schaden. Während einer mehrtägigen Frostperiode, bei der die Außen­tem­pe­raturen auf bis zu minus 14 Grad Celsius abgesunken waren, war die Warmwas­ser­heizung des zu dieser Zeit nicht bewohnten Hauses des Klägers ausgefallen. Bei Entdeckung der Schäden war das Haus von einem Familien­an­ge­hörigen des Klägers letztmalig elf Tage zuvor kontrolliert worden.

Versicherung: Versicherter muss bei besonders niedrigen Temperaturen Heizung zweimal die Woche überprüfen

Der beklagte Versicherer hielt sich für leistungsfrei, unter anderem weil der Kläger die Obliegenheit zur "genügend häufigen" Kontrolle der Beheizung des Hauses verletzt habe, denn angesichts der besonders niedrigen Außen­tem­pe­raturen habe die Heizung hier zweimal pro Woche überprüft werden müssen.

Einer verbreiteten Rechts­auf­fassung folgend hatte das Oberlan­des­gericht Celle die Klage in zweiter Instanz mit der Begründung abgewiesen, der Kläger habe die Beheizung des Hauses nicht "genügend häufig" kontrolliert. Nach dem Zweck der Sicher­heits­vor­schrift des § 11 Nr. 1 lit. d VGB 88 sei eine Kontrolldichte geboten und zumutbar gewesen, die auch bei Ausfall der Heizung einen Frostschaden möglichst vermieden hätte. Angesichts der besonderen Witte­rungs­ver­hältnisse, bei denen ein Frostschaden an Wasserleitungen schon binnen 48 Stunden nach Ausfall der Heizung habe eintreten können, sei hier zumindest zweimal wöchentlich zu kontrollieren gewesen ("halbwöchige Kontrolle"). Dass die Heizung ansonsten zuverlässig gearbeitet habe, rechtfertige keine Verlängerung des Kontroll­in­tervalls.

Dem ist der Bundes­ge­richtshof nicht gefolgt. Seiner Auffassung nach bildet die Überlegung, wie rasch bei ausgefallener Heizung ein Frostschaden eintreten kann, nicht den Maßstab für das Kontroll­in­tervall. Denn § 11 Nr. 1 lit. d VGB 88 erlegt es dem Versi­che­rungs­nehmer nicht auf, das versicherte Ereignis "Frostschaden" selbst nach einem plötzlichen Ausfall der Heizung nach Möglichkeit zu verhindern oder gar sicher auszuschließen. Da der Versi­che­rungs­nehmer sich gegen ein solches Ereignis im Grundsatz versichert hat und dafür Prämien zahlt, kann er der Klausel nicht entnehmen, dass es ihm obläge, das Ereignis, gegen das er Versi­che­rungs­schutz genommen hat, mit allen Mitteln zu verhindern. Die Klausel dient vielmehr einer ausgewogenen Risiko­ver­teilung. Dem Versi­che­rungs­nehmer ist es lediglich aufgegeben, das vom Versicherer übernommene Risiko eines Frostschadens dadurch zu verringern, dass er das versicherte Objekt beheizt und das ordnungsgemäße Funktionieren der Heizung in zumutbarer und verkehrs­üb­licher Weise ("genügend häufig") überwacht. Darauf beschränkt sich sein Beitrag zur Risiko­be­grenzung.

BGH: Maßstab für Kontroll­häu­figkeit der Heizung sind nicht die Außen­tem­pe­raturen, sondern die Verkehrs­an­schauung und Lebenserfahrung mit Blick auf Bauart, Alter, Funktionsweise, Wartung, Zuverlässigkeit oder Störan­fäl­ligkeit der Heizung

Das jeweils erforderliche Kontroll­in­tervall hat der Tatrichter anhand der Umstände des Einzelfalles zu bestimmen. Maßstab für eine "genügend häufige" Kontrolle der Beheizung ist dabei nicht der nach einem unterstellten Heizungsausfall im ungünstigsten Falle zu erwartende Zeitablauf bis zum Schaden­s­eintritt, sondern allein die Frage, in welchen Intervallen die jeweils eingesetzte Heizungsanlage nach der Verkehrs­an­schauung und Lebenserfahrung mit Blick auf ihre Bauart, ihr Alter, ihre Funktionsweise, Wartung, Zuverlässigkeit oder Störan­fäl­ligkeit kontrolliert werden muss, um ein störungsfreies Funktionieren nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu gewährleisten. Das hat der Tatrichter anhand der Fallumstände notfalls mit sachver­ständiger Hilfe zu klären.

Danach kann bislang nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger auch bei einem kontrollfreien Zeitraum von elf Tagen die Obliegenheit zur "genügend häufigen" Kontrolle nicht verletzt hat.

Quelle: ra-online, BGH (pm)

der Leitsatz

AVB Wohnge­bäu­de­ver­si­cherung (hier § 11 Nr. 1 lit. d VGB 88)

Zu den Anforderungen an eine "genügend häufige" Kontrolle der Beheizung des versicherten Wohngebäudes in der kalten Jahreszeit.

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