18.10.2024
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Sie sehen eine abgedunkelte Fassade von mehreren Hochhäusern, auf der ein Schutzschild leuchtet.

Dokument-Nr. 17340

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Urteil04.12.2013BundesgerichtshofIV ZR 215/12
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • AnwBl 2014, 185Zeitschrift: Anwaltsblatt (AnwBl), Jahrgang: 2014, Seite: 185
  • BRAK-Mitt 2014, 42Zeitschrift: BRAK-Mitteilungen (BRAK-Mitt), Jahrgang: 2014, Seite: 42
  • DAR 2014, 25Zeitschrift: Deutsches Autorecht (DAR), Jahrgang: 2014, Seite: 25
  • MDR 2014, 157Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2014, Seite: 157
  • NJW 2014, 630Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2014, Seite: 630
  • NZV 2014, 75Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht (NZV), Jahrgang: 2014, Seite: 75
  • r+s 2014, 68Zeitschrift: recht und schaden (r+s), Jahrgang: 2014, Seite: 68
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Vorinstanzen:
  • Landgericht Bamberg, Urteil08.11.2011, 1 O 336/10
  • Oberlandesgericht Bamberg, Urteil20.06.2012, 3 U 236/11
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil04.12.2013

Anwalts­emp­fehlung einer Rechtschutz­versicherung im Rahmen des Schaden­freiheits­systems verletzt nicht die freie AnwaltswahlBestimmungen zum Schaden­freiheits­system mit variabler Selbst­be­tei­ligung im Zusammenhang mit einer Anwalts­emp­fehlung zulässig

Die durch §§ 127, 129 VVG, § 3 Abs. 3 BRAO gewährleistete freie Anwaltswahl steht den finanziellen Anreizen eines Versicherers in Bezug auf eine Anwalts­emp­fehlung nicht entgegen, wenn die Entscheidung über die Auswahl des Rechtsanwalts beim Versi­che­rungs­nehmer liegt und die Grenze des unzulässigen psychischen Drucks nicht überschritten wird. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs hervor.

In dem zugrunde liegenden Fall verlangt die klagende Rechtsanwaltskammer von der Beklagten - einem Rechts­schutz­ver­si­cherer - unter anderem, die Verwendung von Bestimmungen in den Allgemeinen Versi­che­rungs­be­din­gungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 2009) zu unterlassen, die ein Schadenfreiheitssystem mit variabler Selbstbeteiligung im Zusammenhang mit einer Anwaltsempfehlung betreffen. Die Bedingungen sehen eine Rückstufung von maximal 150 Euro pro Schadenfall vor, wobei diese durch Zeitablauf in den Folgejahren wieder ausgeglichen werden kann. Im Schadenfall unterbleibt allerdings diese Rückstufung - und damit in der Regel eine höhere Selbst­be­tei­ligung beim nächsten Versi­che­rungsfall -, wenn der Versicherungsnehmer einen Rechtsanwalt aus dem Kreis der aktuell vom Versicherer empfohlenen Rechtsanwälte beauftragt.

Revisi­ons­ver­fahren zur Durchsetzung des Klage­ab­wei­sungs­be­gehrens

Das Landgericht hat die auf Unterlassung und Erstattung vorge­richt­licher Abmahnkosten gerichtete Klage abgewiesen, da die Allgemeinen Versi­che­rungs­be­din­gungen der Beklagten das Recht des Versi­che­rungs­nehmers auf freie Anwaltswahl nicht verletzten und keine gravierende Einflussnahme auf seine Auswah­l­ent­scheidung vorliege. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlan­des­gericht die Beklagte unter anderem dazu verurteilt, die Verwendung der streit­ge­gen­ständ­lichen Bestimmungen in ihren Allgemeinen Versi­che­rungs­be­din­gungen zu unterlassen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihr Klage­ab­wei­sungs­be­gehren weiter.

BGH: Vertrags­ge­staltung übt keinen unzulässigen psychischen Druck aus

Der Bundes­ge­richtshof hat das Urteil des Oberlan­des­ge­richts aufgehoben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts zurückgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass das Recht auf freie Anwaltswahl im Zuge der Umsetzung der Richtlinie des Rates vom 22. Juni 1987 zur Koordinierung der Rechts- und Verwal­tungs­vor­schriften für die Rechts­schutz­ver­si­cherung (87/344/EWG) im VVG verankert wurde und § 127 VVG deshalb richtlinienkonform auszulegen ist. Nach der maßgeblichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs schließt die Freiheit der Anwaltswahl nicht jegliche Anreizsysteme des Versicherers in Bezug auf die vom Versi­che­rungs­nehmer zu treffende Entscheidung aus, welchen Anwalt er mandatiert. Die Grenze zur Verletzung des Rechts auf freie Anwaltswahl wird erst überschritten, wenn die Vertrags­ge­staltung einen unzulässigen psychischen Druck zur Mandatierung des vom Versicherer vorgeschlagenen Anwalts ausübt. Das ist bei den von der Beklagten verwendeten Versi­che­rungs­be­din­gungen nicht der Fall.

BGH: keine Verletzung des Rechts auf freie Anwaltswahl

Das Berufungs­gericht hat diese richt­li­ni­en­konforme Auslegung nicht berücksichtigt und infolgedessen das Recht auf freie Anwaltswahl aus § 127 VVG zu Unrecht als verletzt angesehen. Ebenso wenig wie § 127 VVG berührt das streit­ge­gen­ständliche Schaden­frei­heits­system die durch § 3 Abs. 3 BRAO geschützte freie Anwaltswahl in rechtlich erheblicher Weise. Da auch andere Ansprüche - insbesondere wettbe­wer­bs­rechtliche, soweit sie Gegenstand des Verfahrens geworden sind - nicht durchgreifen, hat der Bundes­ge­richtshof das landge­richtliche Urteil wieder­her­ge­stellt.

Hinweise zur Rechtslage

Versicherungsvertragsgesetz

§ 127 Freie Anwaltswahl

(1) 1Der Versi­che­rungs­nehmer ist berechtigt, zu seiner Vertretung in Gerichts- und Verwal­tungs­ver­fahren den Rechtsanwalt, der seine Interessen wahrnehmen soll, aus dem Kreis der Rechtsanwälte, deren Vergütung der Versicherer nach dem Versi­che­rungs­vertrag trägt, frei zu wählen. 2Dies gilt auch, wenn der Versi­che­rungs­nehmer Rechtsschutz für die sonstige Wahrnehmung rechtlicher Interessen in Anspruch nehmen kann.

§ 129 Abweichende Vereinbarungen

Von den §§ 126 bis 128 kann nicht zum Nachteil des Versi­che­rungs­nehmers abgewichen werden.

Bundesrechtsanwaltsordnung

§ 3 Recht zur Beratung und Vertretung

(3) Jedermann hat im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften das Recht, sich in Rechts­an­ge­le­gen­heiten aller Art durch einen Rechtsanwalt seiner Wahl beraten und vor Gerichten, Schieds­ge­richten oder Behörden vertreten zu lassen.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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