23.11.2024
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Bundesgerichtshof Urteil27.06.2018

Lebens­versicherungs­reform­gesetz: Beteiligung des Versicherungs­nehmers an Bewer­tungs­re­serven in der Lebens­ver­si­cherung nicht verfas­sungs­widrigBGH zur Ermittlung der Bewer­tungs­reserve in der Lebens­ver­si­cherung

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass die Neuregelung zur Beteiligung des Versicherungs­nehmers an Bewer­tungs­re­serven (sogenannte stille Reserven) in der Lebens­ver­si­cherung gemäß § 153 Absatz 3 Satz 3 des Versicherungs­vertrags­gesetzes (VVG) in der Fassung des Lebens­versicherungs­reform­gesetzes vom 1. August 2014, in Kraft getreten am 7. August 2014, nicht verfas­sungs­widrig ist.

Der Kläger des zugrunde liegenden Verfahrens, ein gemeinnütziger Verbrau­cher­schutz­verein, begehrt von dem beklagten Lebens­ver­si­cherer die Auszahlung von Bewer­tungs­re­serven aus abgetretenem Recht des Versi­che­rungs­nehmers nach Ablauf einer kapital­bil­denden Lebensversicherung. Dieser unterhielt bei der Beklagten seit dem 1. September 1999 eine zum 1. September 2014 planmäßig beendete kapitalbildende Lebens­ver­si­cherung. Mit Schreiben vom 1. Juli 2014 kündigte die Beklagte dem Versicherungsnehmer zum Vertragsablauf eine Versi­che­rungs­leistung in Höhe von 50.274,17 Euro an, wovon auf die Beteiligung an den Bewer­tungs­re­serven 2.821,35 Euro entfielen. Hinsichtlich der Beteiligung an den Bewer­tungs­re­serven wies die Beklagte darauf hin, dass diese endgültig erst zum Fällig­keits­termin feststünden und gegebenenfalls auch niedriger ausfallen könnten. Am 22. August 2014 teilte die Beklagte dem Versi­che­rungs­nehmer die endgültige Versi­che­rungs­leistung in Höhe von 47.601,77 Euro mit und erläuterte dies später unter Berufung auf ihren Siche­rungs­bedarf gem. § 153 Absatz 3 Satz 3 VVG dahin, dass auf die Bewertungsreserve ein Betrag von 148,95 Euro entfalle.

Kläger fordert Auszahlung des Diffe­renz­betrags zwischen angekündigter und tatsächlicher Bewer­tungs­reserve

Der Versi­che­rungs­nehmer trat in der Folge seine sämtlichen gegen die Beklagte aus dem streit­be­fangenen Lebens­ver­si­che­rungs­vertrag in Betracht kommenden Rechte und Ansprüche an den Kläger ab. Mit seinem Hauptantrag begehrt der Kläger Zahlung von 2.672,40 Euro, nämlich den Differenzbetrag zwischen der im Schreiben der Beklagten vom 1. Juli 2014 angegebenen sowie der tatsächlich zur Auszahlung gelangten Bewer­tungs­reserve. Hilfsweise begehrt er Auskunft über die mathematische Berechnung des Anteils der auf den Versi­che­rungs­nehmer entfallenden Beteiligungen an dem Überschuss und an den Bewer­tungs­re­serven einschließlich ihrer Berech­nungs­grundlagen sowie anschließend Auszahlung der ihm zustehenden Überschussbeteiligung.

Die Klage blieb in den Vorinstanzen erfolglos. Hiergegen richtete sich die Revision des Klägers.

BGH verneint verfas­sungs­rechtliche Bedenken an Wirksamkeit der gesetzlichen Neuregelung

Der Bundes­ge­richtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungs­gericht zurückverwiesen. Nach Auffassung des Bundes­ge­richtshofs ist die Neuregelung des § 153 Abs. 3 Satz 3 VVG allerdings nicht verfas­sungs­widrig. Sie führt im Ergebnis dazu, dass ein Versicherer Bewer­tungs­re­serven aus direkt oder indirekt vom Versi­che­rungs­un­ter­nehmen gehaltenen festver­zins­lichen Anlagen und Zinsab­si­che­rungs­ge­schäften bei der Beteiligung der Versi­che­rungs­nehmer an Bewer­tungs­re­serven nur insoweit berücksichtigen darf, als sie einen etwaigen Siche­rungs­bedarf aus den Verträgen mit Zinsgarantie überschreiten. Grund für diese Neuregelung war, dass nach Auffassung des Gesetzgebers ein lang anhaltendes Niedrig­zin­sumfeld mittel- bis langfristig die Fähigkeit der privaten Lebens­ver­si­che­rungs­un­ter­nehmen bedrohen würde, die den Versicherten zugesagten Zinsgarantien zu erbringen (BT-Drucks. 18/1772 S. 1). Die gesetzliche Neuregelung des § 153 Abs. 3 Satz 3 VVG enthält zunächst eine unter dem Gesichtspunkt der Normen­be­stimmtheit und -klarheit präzisere Regelung gegenüber der Vorgän­ger­vor­schrift des § 153 Abs. 3 Satz 3 VVG a.F., die lediglich bestimmte, dass aufsichts­rechtliche Regelungen zur Kapital­ausstattung unberührt bleiben. Sie stellt auch keine unzulässige Rückwirkung auf bereits abgeschlossene Lebens­sach­verhalte dar. Inhaltlich hat der Gesetzgeber ferner verschiedene Maßnahmen getroffen, die sowohl die Interessen der ausscheidenden Versi­che­rungs­nehmer als auch derjenigen, die ihre Verträge noch in der Zukunft fortführen, sowie diejenigen der Anteilseigner berücksichtigen. Unter anderem hat er Änderungen der Mindest­zu­füh­rungs­ver­ordnung vorgenommen, die zu einer höheren Beteiligung der Versi­che­rungs­nehmer an den Risiko­über­schüssen führen. Ferner hat er den Höchstsatz für die bilanzielle Anrechnung von Abschlusskosten herabgesetzt, um Vertriebskosten zu senken. Schließlich darf ein Bilanzgewinn an Anteileigner nur ausgeschüttet werden, wenn er einen etwaigen Siche­rungs­bedarf übersteigt. Verfas­sungs­rechtliche Bedenken an der Wirksamkeit der gesetzlichen Neuregelung bestehen nach alledem auch unter Berück­sich­tigung des Einschätzungs- und Gestal­tungs­spielraums des Gesetzgebers nicht. Im Einzelfall auftretende Härten führen nicht zur Verfas­sungs­wid­rigkeit der Regelung insgesamt.

BGH weist Sache dennoch zurück an Berufungs­gericht

Gleichwohl hat der Bundes­ge­richtshof das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungs­gericht zurückverwiesen. Dieses hat nämlich keine Feststellungen zu der zwischen den Parteien streitigen Frage getroffen, ob die einfach-rechtlichen Voraussetzungen für eine Herabsetzung der Bewer­tungs­reserve wegen eines Siche­rungs­bedarfs der Beklagten bestanden.

Versi­che­rungs­ver­trags­gesetz (VVG) - (in der Fassung vom 1. August 2014, gültig bis 31. Dezember 2015)

§ 153 Überschuss­be­tei­ligung

Erläuterungen

(1) Dem Versi­che­rungs­nehmer steht eine Beteiligung an dem Überschuss und an den Bewer­tungs­re­serven (Überschuss­be­tei­ligung) zu, es sei denn, die Überschuss­be­tei­ligung ist durch ausdrückliche Vereinbarung ausgeschlossen; [...]

(2) [...]

(3) Der Versicherer hat die Bewer­tungs­re­serven jährlich neu zu ermitteln und nach einem verur­sa­chungs­ori­en­tierten Verfahren rechnerisch zuzuordnen. Bei der Beendigung des Vertrags wird der für diesen Zeitpunkt zu ermittelnde Betrag zur Hälfte zugeteilt und an den Versi­che­rungs­nehmer ausgezahlt; eine frühere Zuteilung kann vereinbart werden. Aufsichts­rechtliche Regelungen zur Sicherstellung der dauernden Erfüllbarkeit der Verpflichtungen aus den Versicherungen, insbesondere § 53c, § 54 Absatz 1 und 2, § 56 a Absatz 3 und 4 sowie § 81 c Absatz 1 und 3 des Versi­che­rungs­auf­sichts­ge­setzes bleiben unberührt.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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