24.11.2024
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Dokument-Nr. 26237

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Urteil26.07.2018BundesgerichtshofIII ZR 391/17
Vorinstanzen:
  • Landgericht Potsdam, Urteil17.02.2016, 11 O 245/14
  • Oberlandesgericht Brandenburg, Urteil14.03.2017, 2 U 12/16
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil26.07.2018

Kein Erstat­tungs­an­spruch für die Beförderung von "Sky-Marshals" gegen die Bundesrepublik DeutschlandKlage eines Luftfahrt­un­ter­nehmens erfolglos

Luftfahrt­un­ter­nehmen haben keinen Anspruch auf Erstattung von passa­gier­be­zogenen Zahlungen, die sie für die Beförderung von Bundes­po­li­zei­beamten als Flugsi­cher­heits­be­gleiter ("Sky-Marshals") an Dritte entrichten müssen. Dies hat der Bundes­ge­richtshof entschieden.

Im hier zugrun­de­lie­genden Streitfall ist die Klägerin ein deutsches Luftfahrtunternehmen, das nationale und internationale Linienflüge durchführt. Gemäß §§ 4a, 62 Abs. 2 Nr. 2 des Bundes­po­li­zei­ge­setzes (BPolG) ist sie verpflichtet, auf bestimmten, von der Bundespolizei aufgrund einer umfassenden Lageauswertung ausgewählten und ihr im Voraus mitgeteilten Flügen Beamte der Bundespolizei als sogenannte Flugsi­cher­heits­be­gleiter ("Sky Marshals") unentgeltlich zu befördern.

Innerhalb von 7 Jahren knapp 2,3 Mio. € an passa­gier­be­zogene Zahlungen entrichtet

Die Klägerin verlangt von der beklagten Bundesrepublik Deutschland die Erstattung passa­gier­be­zogener Zahlungen, die sie für die Beförderung von Bundes­po­li­zei­beamten als Flugsi­cher­heits­be­gleiter an Dritte (in- und ausländische Flughäfen und Behörden) entrichten muss. Hierzu gehören etwa Beför­de­rungs­steuern, Einrei­se­ge­bühren und Benut­zungs­entgelte (z.B. Zollgebühren, Start- und Landeentgelte). Diese beziffert sie für den Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 17. September 2015 auf insgesamt gut 2,3 Mio. €, wovon rund 1,3 Mio. € im Inland und knapp 1 Mio. € im Ausland angefallen sind. Weiterhin begehrt sie die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr die ab dem 18. September 2015 entstehenden entsprechenden Aufwendungen zu erstatten.

Klägerin: Gesetzliche Pflicht zur unentgeltlichen Beförderung schließe Zahlungen an Dritte aus

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die gesetzliche Pflicht zur unentgeltlichen Beförderung nach § 62 Abs. 2 Nr. 2 BPolG nicht die Verpflichtung einschließe, passierbezogene Zahlungen an Dritte zu tragen. Darüber hinaus meint sie, die Pflicht zur unentgeltlichen Beförderung gelte jedenfalls nur für das Inland, weil den Flugsi­cher­heits­be­gleitern außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets keine Befugnisse nach § 4 a BPolG zustünden.

Klage und Berufung der Klägerin abgewiesen

Das Landgericht Potsdam hat die Klage abgewiesen. Das Branden­bur­gische Oberlan­des­gericht hat die hiergegen eingelegte Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungs­gericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klage weiter.

BGH bestätigt vorinstanzliche Entscheidung

Der Bundes­ge­richtshof hat die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt und die Revision der Klägerin zurückgewiesen.

Keine gesetzliche Unterscheidung zwischen nationale und internationale Flüge

Ein Ausgleichs­an­spruch scheitert daran, dass die Unent­gelt­lichkeit im Sinne des § 62 Abs. 2 Nr. 2 BPolG auch die hier geltend gemachten passa­gier­be­zogenen Aufwendungen erfasst. Die Beförderungspflicht nach §§ 4a, 62 Abs. 2 Nr. 2 BPolG gilt für nationale und internationale Flüge. Eine Unterscheidung trifft das Gesetz insofern nicht.

Weiter­be­för­derung zum Zielflughafen und Rückflug tatsächliche Folge der Aufga­ben­wahr­nehmung

Unabhängig davon, ob die Polizeibeamten nur im deutschen Luftraum hoheitliche Befugnisse haben, bezieht sich die Pflicht zur unentgeltlichen Beförderung der Flugsi­cher­heits­be­gleiter auch auf internationale Flüge. Erfasst sind in diesen Fällen - bei einer auf deutschem Hoheitsgebiet begonnenen Wahrnehmung von Aufgaben - die gesamte Beförderung bis zum (ausländischen) Zielflughafen und der anschließende Rückflug nach Deutschland. Die Weiter­be­för­derung über die Staatsgrenze hinaus ist nämlich ebenso wie der Rückflug nach Deutschland notwendige tatsächliche Folge der vorherigen Aufga­ben­wahr­nehmung im Inland. Im Übrigen dürfte nichts dagegen sprechen, dass der Flugsi­cher­heits­be­gleiter jedenfalls als Beauftragter des verant­wort­lichen Luftfahr­zeug­führers auch außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets zur Ausübung der "Bordgewalt" befugt ist, wenn und soweit dies nicht zu einer Kollision mit fremder Hoheitsgewalt führt.

Keine Veranlassung einer einschränkenden Normauslegung hinsichtlich der Unent­gelt­lichkeit

Die "Unent­gelt­lichkeit" der Beförderung im Sinne des § 62 Abs. 2 Nr. 2 BPolG ist nach Wortlaut, Zweck, Entste­hungs­ge­schichte und Systematik dieser Regelung dahin zu verstehen, dass eine Erstattung der von der Klägerin geltend gemachten passa­gier­be­zogenen Zahlungen an Dritte ausgeschlossen wird. Eine andere - einschränkende - Auslegung dieser Norm ist auch von Verfassungs wegen (Berufsfreiheit und Eigen­tums­ga­rantie, Art. 12 GG und Art. 14 GG) nicht veranlasst.

Beför­de­rungs­pflicht dient hauptsächlich der Vorbeugung und Abwehr von Gefahr für Gesundheit und Leben anderer Mitreisender

Die Heranziehung der im grenz­über­schrei­tenden Reiseverkehr tätigen Verkehrs­un­ter­nehmen zur unentgeltlichen Beförderung von Bundes­po­li­zei­beamten ist durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt. Die Beför­de­rungs­pflicht dient in erster Linie der Verhinderung von Entführungen von Luftfahrzeugen, terroristischen Anschlägen und Geiselnahmen und damit der Vorbeugung und Abwehr von Gefahren für die Gesundheit und das Leben der Flugzeug­pas­sagiere und Besat­zungs­mit­glieder. Sie bezweckt die Gewährleistung von Rechts- und Gemein­schafts­gütern von hohem Rang, deren Schutz selbst mit Mitteln angestrebt werden darf, die empfindlich in das Grundrecht der Berufsfreiheit eingreifen.

Pflicht zur kostenlosen Beförderung verhältnismäßig

Die Pflicht zur kostenlosen Beförderung ist auch verhältnismäßig, weil die Klägerin durch die passa­gier­be­zogenen Kosten nicht unzumutbar belastet wird. Auf der einen Seite ergibt sich aus der Beför­de­rung­s­tä­tigkeit eine Sach- und Verant­wor­tungsnähe der Luftfahrt­un­ter­nehmen zur Gefahrenabwehr und -vorsorge an Bord ihrer Luftfahrzeuge. Auf der anderen Seite kommt der Einsatz von Flugsi­cher­heits­be­gleitern den Luftfahrt­un­ter­nehmen selbst zugute, weil er zu einem Sicher­heits­gewinn und einer Risikominderung führt und die Unternehmen von gleichartigen eigenen Siche­rungs­maß­nahmen entlastet. Sie sind deshalb unmittelbarer Nutznießer der koste­n­aus­lö­senden polizeilichen Tätigkeit. Hinzu kommt, dass die für die Beförderung der Bundes­po­li­zei­beamten an Dritte zu zahlenden passa­gier­be­zogenen Kosten für die Klägerin - in Anbetracht ihres Umsatzes, ihrer Gesamtkosten und ihres Gewinns - von deutlich untergeordneter wirtschaft­licher Bedeutung sind und ohne weiteres in den Flugpreis einkalkuliert und auf diese Weise an die Passagiere weitergegeben werden können.

Sicher­heits­be­dürfnis im Luftverkehr höher als im Bahnverkehr

Etwaige Wettbe­wer­bs­nachteile gegenüber anderen - von der Pflicht zur unentgeltlichen Beförderung nicht erfassten - Luftfahrt­un­ter­nehmen werden durch den mit dem Einsatz der Flugsi­cher­heits­be­gleiter verbundenen Sicher­heits­gewinn und die hieraus resultierenden Wettbe­wer­bs­vorteile mehr als ausgeglichen. Eine verfas­sungs­widrige Ungleich­be­handlung ergibt sich auch nicht im Vergleich zu Schie­nen­ver­kehrs­un­ter­nehmen. Die von terroristischen Anschlägen auf Luftfahrzeuge oder deren Entführung ausgehenden Gefahren reichen hinsichtlich ihrer Art und ihres möglichen Ausmaßes (Gefährdung einer großen Zahl von Menschen und kritischer Infra­s­truk­tu­r­ein­rich­tungen) typischerweise deutlich weiter als beim Bahnverkehr, so dass für den Luftverkehr von einem höheren Sicher­heits­be­dürfnis auszugehen ist, das sich wiederum in einer höheren Kostenbelastung der Luftfahrt­un­ter­nehmen für die Gefah­ren­vorsorge und -abwehr niederschlagen darf.

Erläuterungen

Die maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften lauten:

§ 4 a Bundes­po­li­zei­gesetz (BPolG):

1Die Bundespolizei kann zur Aufrecht­er­haltung oder Wieder­her­stellung der Sicherheit oder Ordnung an Bord deutscher Luftfahrzeuge eingesetzt werden. 2§ 12 Abs. 1 Satz 1 des Luftsi­cher­heits­ge­setzes bleibt unberührt. 3Maßnahmen nach Satz 1 müssen stets im Einklang mit den Anforderungen an die Sicherheit des Luftfahrzeugs und der Passagiere stehen und sind daher grundsätzlich in enger Abstimmung mit dem Luftfahr­zeug­führer zu treffen.

§ 62 Abs. 2 Satz 2 Bundes­po­li­zei­gesetz (BPolG):

(2) Die im grenz­über­schrei­tenden Reiseverkehr tätigen Verkehrs­un­ter­nehmen sowie die Betreiber von Unternehmen, auf deren Betriebsgelände die Bundespolizei Aufgaben nach den §§ 2 bis 4a wahrzunehmen hat, sind verpflichtet,

1. ...

2. sie bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben unentgeltlich zu befördern,

3. ...

Quelle: Bundesgerichtshof/ ra-online

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